Laut WHO hat die COVID-19-Pandemie die Belastung des europäischen Gesundheitswesens zusätzlich noch verschärft und zu Stress, Burnout und Gewalt gegen Beschäftigte geführt, von denen viele ihre Jobs aufgegeben haben.
Lange Arbeitszeiten, unzureichende professionelle Unterstützung, ernsthafter Personalmangel und hohe Infektions- und Sterberaten infolge von COVID-19 unter den während der Pandemie an vorderster Front tätigen Fachkräften – insbesondere in der Frühphase der Pandemie – haben Spuren hinterlassen.1 Während der Pandemie kam es in fast allen Ländern Europas zu einer Zunahme psychischer Probleme bei den Beschäftigten im Gesundheitssystem; in einigen Ländern berichteten über 80 % des Pflegepersonals über eine Form von pandemiebedingter psychischer Belastung.2 Unzureichende Anwerbung und Bindung, die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte, unattraktive Arbeitsbedingungen und ein fehlender Zugang zu kontinuierlichen Fortbildungsmöglichkeiten beeinträchtigen die Gesundheitssysteme zusätzlich. Laut WHO werde dies durch unzulängliche Daten und begrenzte analytische Kapazitäten, Misswirtschaft und schlechtes Management, Mangel an strategischer Planung sowie unzureichende Investitionen in die Personalentwicklung verschärft werden. Schätzungen der WHO gehen davon aus, dass allein in Europa rund 50.000 Gesundheits- und Pflegefachkräfte aufgrund von COVID-19 ihr Leben verloren haben.3
Die Flut an Publikationen hinsichtlich der körperlichen und psychischen Belastungen durch die COVID-19-Pandemie verschiedenster Bevölkerungsgruppen ist groß. Der sich schon präpandemisch abzeichnende Fachkräftemangel im Gesundheitssystem hat sich durch die überaus große Belastungssituation in der Pandemie und die unzureichende Antwort darauf massiv verschärft.4 Zuletzt konnte eine Reihe von Veröffentlichungen zeigen, in welchem Ausmaß das Gesundheitspersonal und insbesondere auch die Primärversorgung durch die Pandemie belastet ist und war. Dies nicht zuletzt aufgrund eines besonders hohen Engagements im hausärztlichen Bereich, dem gerade durch die Versorgungsleistung in der Pandemiezeit ein hohes Verständnis der eigenen Rolle im Gesundheitssystem attestiert werden konnte.5 Belastend waren für Primärversorger:innen der partielle Wegfall der Möglichkeiten einer persönlichen Leistungserbringung an den Patient:innen, der schlagartig anfallende Bedarf an telemedizinischen Leistungen ohne die Möglichkeit einer geplanten infrastrukturellen Vorbereitung und die wachsenden Widerstände in der Bevölkerung durch zunehmende Fehlinformationen und wissenschaftsferne Kampagnen. Erschwerend hinzu kamen eine deutlich erhöhte Arbeitsbelastung, fehlende Möglichkeiten persönlichen Schutzes (Schutzbekleidung) und das Fehlen passender und zeitnah verfügbarer Richtlinien bzw. erforderlicher Informationen sowie oft eine verzögerte und unzureichende Kommunikation.6 Man schätzt, dass bei jedem/jeder 5. im Gesundheitssystem Arbeitenden die Gefahr einer Depression und bei 15 % der Verdacht auf eine generalisierte Angststörung bestand/besteht.7 Metaanalysen zeigen eindrucksvoll, dass Gesundheitspersonal in Folge der Pandemie unter einem erhöhten Stressniveau, Angst- und PTBS-Symptomatik leidet, verursacht u. a. durch direkten Patientenkontakt, Quarantäneerfahrungen und wahrgenommenes Gesundheitsrisiko.8
Auf Patientenseite führte die spezielle Beziehung zu den Hausärzt:innen zu einer besseren Akzeptanz notwendiger Maßnahmen wie z. B. der Implementierung von Telemedizin, Impfbereitschaft9 und Gesundheitsbewusstsein.10 Es bestand europaweit Einigkeit unter den Anbieter:innen von Primärversorgung, dass sie von der Gesundheitspolitik unzureichend wahrgenommen wurden. Gerade unter dem Aspekt des sich rasch zuspitzenden Personalengpasses in allen Bereichen des Gesundheitssystems ist es notwendig, Hausärzt:innen einerseits zu entlasten, andererseits Rollen und Aufgaben zu definieren und Strategien im Bereich Infrastruktur, Kommunikation und Information zu definieren. Eine Einbindung hausärztlicher Expertise ist dabei unerlässlich, um an den tatsächlich relevanten Stellschrauben effektiv drehen zu können.
Um die psychischen Belastungen des Gesundheitspersonals abzumildern, sollten Anerkennung und positive Rückmeldungen zusätzlich zu regelmäßigen Lageinformationen Basismaßnahmen neben einer strukturierten und konsistenten Informationspolitik seitens der Politik und einem holistischen, integrativen Betreuungs- und Unterstützungskonzept insbesondere im Hinblick auf psychologische Unterstützungsmaßnahmen sein.11 Es ist von entscheidender Bedeutung, das Wohlergehen der psychischen Gesundheit der Patient:innen und des Gesundheitspersonals hervorzuheben und proaktive Maßnahmen zu ergreifen.12
Gemäß WHO bedarf es wesentlich größerer Investitionen, deutlich mehr Innovation und erheblich mehr Partnerschaften, um weitere Engpässe beim Gesundheits- und Pflegepersonal in der Zukunft zu verhindern. Die Forderungen wurden in der Bucharest Declaration 2023 festgehalten.13 Die WHO/Europa fordert alle Mitgliedstaaten – selbst jene, die gegenwärtig eine überdurchschnittliche Personaldichte verzeichnen – eindringlich dazu auf, keine Zeit zu verlieren und folgende 10 Maßnahmen zu ergreifen, um das Gesundheits- und Pflegepersonal zu stärken:
Von der WHO/Europa werden 5 Schlüsselmaßnahmen genannt, welche die Länder ergreifen können, um ihre Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegewesen zu schützen und zu unterstützen: