Die Diagnose der arteriellen Hypertonie wird den neuen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC)1 zufolge unverändert ab einem Wert > 140/90 mmHg (in der Ordination gemessen) gestellt, Werte <120/70 mmHg gelten als nicht erhöhter Blutdruck. Neu als „erhöhter Blutdruck“ werden Werte im Bereich von 120–139/70–89 mmHg klassifiziert.
Da die Datenlage für Patient:innen mit bestätigter arterieller Hypertonie klar zeigt, dass das tödliche und nichttödliche kardiovaskuläre Risiko durch eine antihypertensive Therapie gesenkt werden kann, wird deren Einleitung ohne weitere Risikostratifizierung empfohlen. Besteht laut obiger Definition ein erhöhter Blutdruck, konnte der Vorteil einer Blutdrucksenkung bei Personen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko gezeigt werden, weshalb eine Behandlung erst nach entsprechender Risikostratifizierung empfohlen wird.
Liegen atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen, Herzinsuffizienz, chronische Nierenerkrankungen (eGFR < 60 ml/min/1,73m2, Albuminurie> 30 mg/g), durch Hypertonie verursachte Organschäden, Typ-1- oder Typ-2-Diabetes (Ausnahme: Typ-2-Diabetes, < 60 Jahre: SCORE2-Diabetes verwenden) oder familiäre Hypercholesterinämie vor, ist das kardiovaskuläre Risiko hoch genug, um eine antihypertensive Therapie einzuleiten.
Bei allen anderen Personen wird der SCORE2 oder SCORE2-OP (Old People) berechnet. Beträgt das ermittelte kardiovaskuläre Risiko < 5 %, besteht keine Indikation für eine antihypertensive Therapie. Liegt das ermittelte kardiovaskuläre Risiko bei 5–10 %, werden geschlechterübergreifende Faktoren (z. B. positive Familienanamnese, schlechter sozioökonomischer Status, Autoimmunkrankheiten wie z. B. rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, HIV) sowie geschlechtsabhängige Faktoren (Schwangerschaftshypertonie, Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie, Totgeburten, Frühgeburten) berücksichtigt. Besteht weiter Unklarheit, können weitere Parameter (Koronarkalk, Karotis- oder Femoralisplaques, Troponin, NT-proBNP, Pulswellengeschwindigkeit) weiterhelfen. Zeigen sich dabei pathologische Ergebnisse, sollten Lebensstilmaßnahmen zur Blutdrucksenkung eingeleitet werden. Bleibt der Blutdruckwert damit nach 3 Monaten weiterhin >130/80 mmHg, besteht eine Indikation zur medikamentösen Therapie.
Lebensstilmaßnahmen spielen eine essenzielle Rolle in der Prävention und Behandlung von erhöhtem Blutdruck und Hypertonie. Konkret nennen die ESC-Leitlinien Kochsalzreduktion (2 g Natrium entsprechend 5 g Kochsalz = 1 Teelöffel oder weniger täglich), körperliche Bewegung (> 150 min/Woche moderates oder 75 min/Woche intensives aerobes Training, kombiniert mit Krafttraining), stabilen Body-Mass-Index 20–25 kg/m2, gesunde Ernährung (z. B. mediterrane Ernährung), möglichst wenig Alkohol (jedenfalls <100 g/Woche), Beschränkung der Zufuhr von freiem Zucker (v. a. in Getränken), Nichtrauchen, Erhöhung der Kaliumzufuhr (besonders bei hoher Natriumzufuhr) auf 0,5–1,0 g/Tag (Ausnahme: moderate oder höhergradige Niereninsuffizienz).
Die medikamentöse Therapie beinhaltet als wichtigste Klassen an Antihypertensiva Angiotensin-Converting-Enzyme-(ACE-)Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB), Dihydropyridin-Kalziumantagonisten, Thiazide und thiazidartige Diuretika sowie Betablocker. Im Allgemeinen wird eine antihypertensive Therapie mit den ersten 4 genannten Klassen begonnen. Betablocker der 2. (kardioselektiv) und 3. (vasodilatierend) Generation kommen besonders bei kardiologischer Indikation (koronare Herzkrankheit, Z. n. Myokardinfarkt, Arrhythmien wie Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion) zum Einsatz. Die Therapie wird mit einer niedrigdosierten Zweifachkombination, idealerweise in einer einzigen Tablette, begonnen und bei Bedarf auf eine niedrig-, dann höherdosierte (aber verträgliche) Dreifachkombination erweitert. Bei Therapieresistenz werden eine Zuweisung an eine Spezialambulanz, eine Untersuchung bezüglich Adhärenz sowie die Zugabe von Spironolacton empfohlen. Eine initiale Monotherapie wird in der Kategorie „erhöhter Blutdruck“, bei moderater bis ausgeprägter Gebrechlichkeit (Frailty), symptomatischer orthostatischer Hypotonie und/oder einem Alter ≥ 85 Jahre empfohlen.
Den Zielblutdruck definieren die ESC-Leitlinien unabhängig vom Alter mit 120–129/70–79 mmHg. Zur Vorsicht wird allerdings bei moderater bis ausgeprägter Gebrechlichkeit, symptomatischer orthostatischer Hypotonie und/oder einem Alter ≥ 85 Jahre geraten. Wird die Blutdrucksenkung schlecht vertragen, soll das ALARA-Prinzip (As low as reasonably achievable) zur Anwendung kommen.
Als interventionelle Methode zur Blutdrucksenkung wird unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. resistente Hypertonie trotz Dreifachkombination, unkontrollierte Hypertonie unter Therapie mit < 3 Antihypertensivaklassen, umfassende Evaluierung an einem erfahrenen Zentrum) eine renale Denervierung empfohlen.