Chronische Lebererkrankungen führen letztlich zu einer fortgeschrittenen Leberfibrose bzw. -zirrhose – diese Stadien werden auch als „advanced chronic liver disease“ (ACLD) zusammengefasst. Bei PatientInnen mit ACLD kann es zur Ausbildung einer „clinically significant portal hypertension“ (CSPH) kommen, welche durch einen „hepatic venous pressure gradient“ (HVPG) ≥ 10 mmHg definiert ist. Hepatische Dekompensationsereignisse (Aszites, Varizenblutung und hepatische Enzephalopathie) treten nahezu ausschließlich bei PatientInnen mit einer CSPH auf, was die zentrale Rolle der CSPH in der Risikostratifizierung erklärt. Die erste hepatische Dekompensation stellt einen Wendepunkt im natürlichen Verlauf der Lebererkrankung dar, da die Patientin/der Patient (möglicherweise erstmalig) symptomatisch wird und es zu einer deutlichen Zunahme des Mortalitätsrisikos kommt. Durch die zugrunde liegende portale Hypertonie treten im Erkrankungsverlauf zusätzliche Dekompensationsereignisse auf, welche mit einer weiteren Verschlechterung der Prognose vergesellschaftet sind.
Bei PatientInnen mit dekompensierter Leberzirrhose stellt die systemische Inflammation den zweiten zentralen Pathomechanismus dar, der mit zunehmender Erkrankungsschwere an Bedeutung gewinnt und mit einer progressiven systemischen Vasodilatation (niedriger Blutdruck) einhergeht – entsprechende Gegenregulationsmechanismen sind auch für die Entstehung von Aszites von Bedeutung. Die überschießende systemische Inflammation kann in der Entwicklung eines „acute-on-chronic liver failure“ gipfeln, einem Syndrom mit extrahepatischer (Multi-)Organdysfunktion und hoher Kurzzeitmortalität.
Werden PatientInnen vor dem Auftreten von Dekompensationsereignissen einer ätiologischen Therapie zugeführt, weist die Leber ein äußerst hohes Regenerationspotenzial auf; mitunter bilden sich Leberfibrose und portale Hypertonie sogar zurück. Um eine rechtzeitige Therapieeinleitung zu ermöglichen, sollten PatientInnen mit Risikofaktoren (z. B. Alkohol, metabolisches Syndrom, Familienanamnese) oder bekannter Lebererkrankung auf das Vorliegen einer Leberfibrose gescreent werden. Hierfür eignen sich einfache Scores, die aus Routineparametern errechnet werden, z. B. der FIB-4: Alter × AST / Thrombozytenzahl × ALT0.5 – bei einem Wert ≥ 1,3 (dies entspricht einer erhöhten Vortestwahrscheinlichkeit für eine ACLD) sollte eine Elastografie der Leber (z. B. Fibroscan) erfolgen. Zur Komplettierung der Abklärung ist außerdem ein Ultraschall (u. a. zur Untersuchung auf Splenomegalie oder eines Aszites) notwendig. Bestätigt die Elastografie den Befund einer signifikanten Leberfibrose (Lebersteifigkeit ≥ 8 kPa) bzw. ACLD (≥ 10–15 kPa), besteht die Notwendigkeit einer Weiterbehandlung an einem Schwerpunktspital; evtl. wird dort auch eine Leberbiopsie zur weiterführenden Ätiologieabklärung durchgeführt. Eine Lebersteifigkeit ≥ 20–25 kPa legt das Vorliegen einer CSPH nahe; somit besteht ein erhöhtes Dekompensationsrisiko.
Trotz immer weiterer Verbreitung dieser nichtinvasiven Screeningtests wird ein relevanter Anteil der PatientInnen erst mit dem ersten Dekompensationsereignis diagnostiziert/vorstellig. Bei dekompensierter ACLD ist das Regenerationspozential geringer; die Komplikationen der ACLD müssen an einem spezialisierten Zentrum gemanagt werden, wobei auch eine Lebertransplantation zu erwägen ist.
PatientInnen mit ACLD sollten bei Erstdiagnose und im weiteren Verlauf alle 2–3 Jahre mittels Gastroskopie auf das Vorliegen von ösophagealen (am häufigsten), gastroösophagealen oder gastralen (am seltensten) Varizen hin gescreent werden. Werden Varizen detektiert, wird lt. österreichischen Empfehlungen eine Therapie mit einem nichtselektiven Betablocker (NSBB; Carvedilol oder bei relevantem Aszites/arterieller Hypotension bevorzugt Propranolol) eingeleitet, um den Pfortaderdruck zu senken und dadurch Blutungen bzw. neuerdings auch andere Dekompensationsereignisse wie Aszites zu verhindern. Die Zieldosis für Carvedilol liegt bei 12,5 mg/d; bei Propranolol sollte im Falle von relevantem Aszites eine Tagdesdosis von 80 mg/d nicht überschritten werden. Nachdem es sich bei NSBB um ein „disease-modifying treatment“ (u. a. auch antiinflammatorische Effekte) handelt, sollten Pausierungen vermieden werden. Bei Verdacht auf obere GI-Blutung und bekannter ACLD sollte die Patientin/der Patient hämodynamisch stabilisiert (konservative Transfusionsstrategie bzgl. Erythrozytenkonzentraten) und eine Therapie mittels Somatostatin-Perfusor oder Terlipressin-Boli bzw. -Perfusor eingeleitet werden. Unabhängig von einer suspizierten Infektion ist eine antibiotische Prophylaxe/Therapie, z. B. mit Cefotaxim/Ceftriaxon, zu verabreichen. In der Folge ist ein unmittelbarer Transfer in ein Zentrum mit Endoskopie und idealerweise auch interventioneller Radiologie (Anlage eines TIPS [transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt]) notwendig.
Aszites wird mit Aldosteronantagonisten (Spironolacton/Eplerenon) und Schleifendiuretika (Furosemid/Torasemid) behandelt; von einer generellen Empfehlung zur Kochsalzrestriktion wird mittlerweile Abstand genommen. Beim ersten Auftreten von drainierbaren Aszitesmengen sowie bei jeder Verschlechterung/nichtelektiven Aufnahme sollte eine Aszitespunktion durchgeführt werden; bei ≥ 5 l Aszites ist eine Albumingabe (100 ml 20 %/2,5 l Aszites) notwendig. Bei neutrophilen Granulozytenzahlen ≥ 250/µl liegt eine spontan bakterielle Peritonitis vor, die umgehend mit einer antibiotischen Therapie behandelt werden sollte. In weiterer Folge ist eine Dauerprophylaxe mit Norfloxacin (400 mg/Tag) indiziert. PatientInnen mit rekurrierendem Aszites sollten für eine TIPS-Implantation evaluiert werden – diese bietet neben einer Verbesserung der Asziteskontrolle auch einen Überlebensvorteil.
Essenziell ist die Suche nach/die Korrektur der auslösenden Ursache(n): Bakterielle Infektion, GI-Blutung, Dehydratation/Hyponatriämie durch Diuretika oder Benzodiazepine/Opiate zählen zu den „Klassikern“. Laktulose (ca. 2 weiche Stühle/Tag) und Rifaximin (400 mg TID) sowie bei höhergradigen Episoden auch L-Ornithin-L-Aspartat i.v. sind empfohlene Therapien.
Grundsätzlich benötigen alle PatientInnen mit ACLD 6-monatlich einen Ultraschall der Leber (± AFP-Bestimmung) zur HCC-Surveillance. Bei Child-Pugh-C-Patient-Innen ohne Option auf eine Lebertransplantation kann die Surveillanceindikation mangels evidenzbasierter Therapieoptionen individualisiert werden.