Medizinische Trainingstherapie in der Hausarztpraxis

Körperliche Bewegung als präventive Maßnahme ist ja selbstverständlich – schon allein die körperlichen Anforderungen unserer Vorfahren sind logische Begründung genug. Zahlreiche Studien dazu gibt es schon seit vielen Jahren. Menschen sind definitiv nicht dafür gemacht, 9,2 Stunden pro Arbeitstag zu sitzen – das sind die Zahlen des Gesundheitsreportes der Sporthochschule Köln aus dem Jahr 2023. Erschreckend ist die Zunahme in den letzten Jahren: im Jahr 2016 betrug die durchschnittliche Tagessitzdauer „nur“ 7,6 Stunden.

Intensitätsvorgaben

Letztendlich bewegen sich die WHO-Empfehlungen für ein optimales Ausdauertraining als Prävention verschiedenster Erkrankungen bei zumindest 75 min pro Woche „in höherer Intensität“ bzw. bei 150 min „in mittlerem Anstrengungsgrad“. Zugegebenermaßen – für die meisten Menschen sehr herausfordernd bzw. für Trainingsanfänger:innen definitiv zu viel; weniger als 25 % der Österreicher:innen schaffen diesen Trainingsumfang. Intensitätsvorgaben können subjektiver Natur sein: Hilfsmittel dazu – z. B. die BORG-Skala (Skala von 6 bis 20 Punkte bzw. von 1 bis 10 Punkte bei der modifizierten Skala, dazu Beschreibungen in Worten des subjektiven Anstrengungsgrades) oder der „talk test“ („problemloses Sprechen von ganzen Sätzen während der Belastung fällt schwer“ entspricht einer „mittleren Intensität“, „abgehacktes Sprechen“ einer höheren Intensität). Viel genauere Belastungsvorgaben bieten natürlich verschiedene ergometrische Testverfahren. Dazu kommt noch das Krafttraining der großen Muskelgruppen mit idealerweise höheren Widerständen, dies zumindest 2-mal/Woche. Zusätzlich sollen Koordination, Beweglichkeit und Gleichgewicht geübt werden.

Die Österreichische Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention hat hierfür einen gut zusammengefassten Folder herausgegeben.

Leitlinien empfehlen Training

Mittlerweile gibt es auch keinen Zweifel hinsichtlich der Bedeutung des körperlichen Trainings als therapeutische Maßnahme bei verschiedensten Erkrankungen bzw. Verletzungen. Es gibt keine chronische Erkrankung mehr, bei der „Training“ nicht als erste Maßnahme in den Guidelines empfohlen wird: exemplarisch die Leitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (www.oedg.at/pdf/OEDG-Leitlinien-2023.pdf) oder ein Positionspapier „Rehabilitation bei Herzinsuffizienz“ (https://atcardio.at/storage/app/media/Positionspapiere/REHA_Folder_Herzinsuffizienz.pdf). Das Problem besteht eindeutig nicht im Wissen um die Relevanz von medizinischem Training, sondern in der Umsetzung in der Praxis.

Medizinische Trainingstherapie

Der Begriff „medizinische Trainingstherapie“ wird unterschiedlich beschrieben, es gibt 2 Definitionen:

  • gezieltes körperliches Training unter ärztlicher Aufsicht zum Zwecke der Behandlung von Erkrankungen
  • regelmäßige körperliche Bewegung zum Zweck der Verbesserung und/oder des Erhaltes der körperlichen Leistungsfähigkeit bzw. der Beeinflussung der Funktion von Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel und Skelettmuskulatur auf Basis von organischen Wachstumsprozessen in den beanspruchten Organen

Betont werden auf jeden Fall die Begriffe „gezielt“, „regelmäßig“, „Leistungsfähigkeit“, „Funktionsbeeinflussung“.
Wie auch immer, die ÖGSMP (Österreichische Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention) schreibt darüber wie folgt: „Der Organismus besitzt die Voraussetzungen, sich der durch Training ausgelösten Beanspruchung anzupassen. Dies setzt einen Trainingsplan nach den Richtlinien der wissenschaftlich fundierten medizinischen Trainingslehre voraus. Dieser berücksichtigt die individuellen körperlichen Voraussetzungen und der Zielsetzung und passt das Training in der richtigen ‚Dosierung‘ an. Voraussetzung dafür ist eine ‚Istzustanderhebung‘, bei der Risikofaktoren und Kontraindikationen für diverse Belastungs- und Bewegungsformen diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden. Aufgrund der ermittelten individuellen Leistungsfähigkeit werden trainingsrelevante Inhalte wie der Trainingsumfang und die optimale Trainingsintensität ermittelt.“

Praktische Umsetzung

Ich selbst bin so überzeugt von der Sinnhaftigkeit und dem Nutzen der medizinischen Trainingstherapie, dass ich seit der Hausarztpraxis-Gründung im Jahr 2009 diese anbiete: Zuerst natürlich in kleinem Rahmen, mittlerweile betreuen 4 meiner Trainer:innen und mein Sportwissenschafter konstant deutlich über 300 Kund:innen, die durch ein individualisiertes körperliches Training Gesundheitsprävention betreiben und/oder definierte Ziele erreichen möchten. In meinem Trainingszentrum (www.revital-marchtrenk.at) setzen wir den Schwerpunkt auf die Betreuung von Senior:innen, das Durchschnittsalter der Trainierenden liegt aktuell bei 61 Jahren.

Eine ärztliche Einstiegsuntersuchung ist in meinem Zentrum obligat: Trainingsziele werden hier formuliert, limitierende Faktoren bzw. Kontraindikationen für bestimmte Belastungen oder Übungen definiert, Schwachstellen des Bewegungsapparates gesucht und ein Radergometer-Stufentest mit EKG vorgenommen. Die Informationen gehen an die Trainer:innen, daraus wird dann ein individueller Trainingsplan erstellt bzw. im Rahmen der Einschulung modifiziert und optimiert. Ständige Traineranwesenheit auf der Trainingsfläche für Beratungen ist selbstverständlich, genauso wie regelmäßige Trainingsplan-Adaptierungen.

Mein Hauptanliegen ist die Vermeidung von Sarkopenie mit allen Folgen bzw. zumindest deren Verlangsamung. Die Rehabilitation nach einem Gelenkersatz, die Senkung des kardiovaskulären Risikoprofils oder Vorbereitung aufs Bergwandern oder Skifahren sind u. a. weitere häufig genannte Zielsetzungen der Kund:innen. Nicht zu unterschätzen ist der soziale Aspekt: Nicht wenige ältere Personen wohnen allein und nutzen die Trainingszeiten, um mit Trainierenden und auch bei den Trainer:innen ihre Alltagssorgen auszusprechen.

Wie funktioniert das Betreiben eines Therapie- und Trainingszentrums neben einer Hausarztpraxis (bzw. in meinem Fall neben einer Kassenstelle in einem Primärversorgungszentrum)? Genauso wie wohl in anderen Firmen: Es wird leitendes Personal eingesetzt mit Aufgabenbereichen, dadurch kann ich als Arzt vornehmlich medizinisch tätig sein. Organisatorische Aufgaben gibt es natürlich, diese sind jedoch überschaubar.

Wenn man neben einer Hausarztpraxis medizinische Trainingstherapien anbieten möchte, geht es letztendlich darum, welchen Stellenwert man dieser Therapie anberaumt. Die deutlich bequemere Alternative ist natürlich die Kooperation mit einem qualitativ guten Fitnessstudio in örtlicher Nähe.