Mehr Disziplinarverfahren weil Fortbildungen fehlen

Seit jeher hat eine ärztliche Verpflichtung zur Fortbildung bestanden, diese wurde jedoch durch eine Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die ärztliche Fortbildung mit 20. 12. 2017 präzisiert. Das Ärztegesetz verpflichtet in § 49 Abs. 2c alle zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Ärzte dazu, sich regelmäßig fortzubilden und die von ihnen absolvierte Fortbildung zumindest alle drei Jahre gegenüber der ÖÄK glaubhaft zu machen. Diese Bestimmung wirkt fürs Erste relativ einfach – wie sich jedoch in den vergangenen Monaten gezeigt hat, ist die Umsetzung in der Praxis offenbar noch nicht bei allen Ärzten klar angekommen; dies wird aus der Vielzahl an eingeleiteten Disziplinarverfahren gegen Ärzte ersichtlich.
Durch die Fortbildung soll einem zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ermöglicht und letztendlich auch die eigenständige Verpflichtung auferlegt werden, sich ständig an den aktuellen Stand der sich immer weiterentwickelnden medizinischen Wissenschaft zu halten und dementsprechend seine Patienten immer nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung zu behandeln. Die Fortbildungsverpflichtung trifft deswegen nur Ärzte, die zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind, da nur diese zur eigenverantwortlichen Behandlung berechtigt sind.
Der Unterschied zwischen der Fortbildung und der Ausbildung liegt darin, dass im Rahmen der Ausbildung sämtliche Fähigkeiten durch entsprechende Ausbildungsmaßnahmen vermittelt werden sollen, durch die die jeweilige Grundbefähigung entweder zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum jeweiligen Facharzt erlangt wird. Im Rahmen der Weiterbildung erwerben Ärzte Zusatzqualifikationen zu ihrer bisherigen Ausbildung, während im Rahmen der Fortbildung eine Aktualisierung des Fachwissens stattfinden soll.
Auch wenn das Ärztegesetz seit 2001 eine explizite Fortbildungsverpflichtung vorsieht und seit 2013 auch die Verpflichtung, die Fortbildung alle drei Jahre gegenüber der ÖÄK glaubhaft zu machen, so bestand die Fortbildungsverpflichtung auch bereits vor der expliziten Aufnahme in das Ärztegesetz. Insbesondere wurde von der Rechtsprechung stets eine ärztliche Fortbildungsverpflichtung angenommen, da eine Behandlung nach der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung, die ein Arzt stets geschuldet hat und schuldet, nur nach ausreichenden Fortbildungen möglich ist. Zudem wurde die Fortbildungsverpflichtung dahingehend, dass eben nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung zu behandeln ist, auch als Folge des Behandlungsvertrages angesehen und letztendlich wohl auch als eine aus dem Dienstvertrag resultierende Verpflichtung für angestellte Ärzte.
Aus der Verordnung der ÖÄK über die ärztliche Fortbildung, die mit Anfang 2018 in Kraft getreten ist, ergibt sich eine nähere Definition, was anerkannte Fortbildungsarten sind und wie die entsprechenden Fortbildungen gegenüber der ÖÄK nachzuweisen sind. Gemäß dieser Verordnung gelten als anerkannte Fortbildungsarten: Veranstaltungen, wissenschaftliche Arbeiten, Supervisionen, Hospitationen, E-Learning sowie mediengestützte Sonderformen.
Unter Veranstaltungen werden Fortbildungen mit physischer Präsenz des Arztes verstanden, wie dies insbesondere bei Vorträgen, Journal Clubs, Kursen, Symposien, Workshops, Kongressen, Seminaren, Lehrgängen, Qualitätszirkeln, Balint-Gruppen sowie Intervisionen der Fall ist. Als Sonderformen von Veranstaltungen gelten auch sogenannte Webinare, bei denen es sich um eine Live-Fortbildung handelt, an der die Teilnehmer online partizipieren. Die Verordnung nimmt auch eine Definition vor, was als Qualitätszirkel und was als Intervision zu verstehen ist.
Unter wissenschaftlichen Arbeiten sind Publikationen in medizinischen Journalen durch ärztliche Autoren zu verstehen. Supervisionen sind spezielle Formen der mittel- und längerfristigen Einzel-, Team- und Organisationsberatung mit dem Ziel einer verstärkten Professionalisierung der Arbeit und somit eine Art der Qualitätssicherung. Unter Hospitation wird die Teilnahme an einer praktischen Fortbildung mit ärztlicher Tätigkeit in intra- wie auch extramuralen Einrichtungen und Ordinationen mit abschließenden Besprechungen, Analyse und Bewertung der Teilnahme des Arztes verstanden.
Insbesondere vor dem Hintergrund der geforderten Anzahl an DFP-Punkten sollte keinesfalls auf die Möglichkeit des sogenannten E-Learnings vergessen werden. Darunter versteht man Fortbildungen, die vom Arzt mediengestützt absolviert werden, und zum Nachweis der Teilnahme müssen Fragen über diese Fortbildung beantwortet werden, die sich ausschließlich auf den Inhalt der entsprechenden E-Learning-Fortbildung beziehen dürfen.
Aus § 12 der Verordnung ergibt sich, dass Ärzte innerhalb eines DFP-Fortbildungszeitraumes von fünf Jahren zumindest 250 Fortbildungspunkte nachzuweisen haben. Von diesen 250 Fortbildungspunkten müssen zumindest 200 Punkte durch medizinische Fortbildungen erworben werden, maximal 50 Punkte können im Rahmen sonstiger Fortbildungen erworben werden. Eine weitere Einschränkung ist dahingehend vorgesehen, dass zumindest 85 DFP-Punkte durch Veranstaltungsbesuche nachzuweisen sind und die restlichen 165 DFP-Punkte auch durch die Absolvierung von sonstigen DFP-anerkannten Fortbildungen erworben werden können.
§ 10 definiert, was unter einer medizinischen Fortbildung (von der 200 Fortbildungspunkte absolviert werden müssen) zu verstehen ist. Um als medizinische Fortbildung zu gelten, darf es sich ausschließlich um medizinisch-fachliche Fortbildungen handeln, basierend auf den Fächern der Studienordnung der medizinischen Universitäten in Österreich. Sonstige Fortbildungen, von denen maximal 50 DFP-Punkte auf den 5-Jahre-Zeitraum angerechnet werden, umfassen nichtmedizinische Fortbildungen, die für den ärztlichen Beruf relevant, aber nicht rein patientenorientiert sein müssen. Explizit genannt sind medizinisch-englische Kurse, Führungs- und Kommunikationsseminare, medizinrechtliche Fortbildungen und sonstige weitere Fortbildungen in Fähigkeiten, die der Arzt benötigt, um den Patienten, der Öffentlichkeit und dem Berufsstand Hilfe zu leisten, wie insbesondere soziale Kompetenz, Managementfähigkeiten, Medizinökonomie.

Fortbildungszeitraum

Die DFP-Fortbildungszeiträume für das Sammeln der Fortbildungspunkte betragen gemäß § 9 dieser Verordnung exakt fünf Jahre. Auch die Gültigkeit des Fortbildungsdiploms beträgt exakt fünf Jahre und erlischt danach automatisch. Frühestens sechs Monate vor Ablauf des Fortbildungsdiploms kann ein neues Fortbildungsdiplom beantragt werden. Selbsterklärend ist, dass während der Gültigkeit eines aktuellen DFP-Diploms bereits die Punkte für das nächste DFP-Diplom erworben werden, andernfalls die geforderten 250 Punkte nicht erreicht werden können. Die Verordnung sieht explizit im § 12 vor, dass eine Übertragung von den über die 250 geforderten DFP-Punkte hinausgehenden DFP-Punkten auf ein Folgediplom im nächsten DFP-Fortbildungszeitraum nicht möglich ist. Dies ist auch nur konsequent, der Zweck der ärztlichen Fortbildungsverpflichtung ist, dass Ärzte stets am Stand der medizinischen Wissenschaft sind. Da sich innerhalb von fünf Jahren relativ viel entwickeln kann, würde diese Regelung daher bei der Möglichkeit, Punkte aus einem DFP-Fortbildungszeitraum in den nächsten übertragen zu können, diesem Zweck der Fortbildungsverpflichtung zuwiderlaufen.
Sofern ein Arzt über mehrere Berufsberechtigungen verfügt, so gilt das DFP-Diplom für alle Berufsberechtigungen. Erfolgt eine Unterbrechung der Berufsausübung von mindestens sechs Monaten innerhalb des Fortbildungszeitraums, ist es dem Arzt möglich, einen Antrag auf Verlängerung des DFP-Fortbildungszeitraums zu stellen. Darunter fallen insbesondere Gründe für die Unterbrechung der Berufsausübung wie Mutterschutz- und Karenzzeiten, längere Ausfälle durch Unfall oder Krankheit beziehungsweise entsprechende Auslandsaufenthalte mit oder ohne ärztliche Tätigkeit.
Hinsichtlich der E-Learning-Fortbildungen ist vorgesehen, dass mindestens zwei Drittel der Fragen der E-Learning-Fortbildung richtig beantwortet werden müssen, um eine entsprechend gültige Vorlage als DFP-Fortbildung darstellen zu können. Weitere Voraussetzung ist, dass die E-Learning-Fortbildung durch eine im Internet zugängliche Plattform erfolgt und durch diese Software gewährleistet wird, dass sich ein Arzt im Zusammenhang mit der Beantwortung der Fragen zum Nachweis der Teilnahme online registrieren muss und die Fragen eindeutig beantworten kann. Zudem ist sicherzustellen, dass der teilnehmende Arzt über das Ergebnis der Beantwortungen und die richtigen Antworten eine entsprechende Bestätigung erhält und auch eine Buchung der DFP-Punkte auf sein Fortbildungskonto vorgenommen wird.

Glaubhaftmachung

Die Verpflichtung zur Glaubhaftmachung der absolvierten Fortbildungen gegenüber der ÖÄK trat mit 1. 9. 2016 ein. Um eine Glaubhaftmachung durchführen zu können, ist von der Österreichischen Akademie der Ärzte für jeden in die Ärzteliste eingetragenen Arzt ein Fortbildungskonto bereitzustellen, auf welches der jeweilige Arzt selbst eine Fortbildung aufbuchen kann beziehungsweise auch von ärztlichen Fortbildungsanbietern Punkte direkt aufgebucht werden können. Eine ausreichende Glaubhaftmachung liegt gemäß § 49 Abs. 2c Ärztegesetz dann vor, wenn zum jeweiligen Stichtag ein gültiges DFP-Diplom vorliegt oder in den letzten drei Jahren vor dem Stichtag zumindest 150 DFP-Punkte gesammelt wurden und auf dem individuellen Fortbildungskonto belegbar sind.

Rechtliche Konsequenzen

Verstößt der Arzt gegen seine Fortbildungsverpflichtung, so können ihm unterschiedliche rechtliche Konsequenzen drohen, sowohl zivil-, straf- als auch disziplinarrechtlich. So haben Sachverständige die Möglichkeit, einen Fortbildungsnachweis des jeweiligen in einem Zivilverfahren wegen eines behaupteten Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers beklagten Arztes beziehungsweise allenfalls in einem Strafverfahren angeklagten Arztes anzufordern und zu überprüfen, ob dieser sich regelmäßig fortgebildet hat. Sollte beispielsweise ein Behandlungsfehler oder allenfalls Aufklärungsfehler erfolgt sein, der nach Meinung des gerichtlich beeideten Sachverständigen dafür spricht, dass sich der Arzt nicht auf dem Stand der medizinischen Wissenschaft befindet, so kann der Sachverständige die Nachweise über die durchgeführten Fortbildungen anfordern beziehungsweise über das Gericht anfordern lassen. Sollte sich ergeben, dass der Arzt seiner Fortbildungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, so kann dies haftungsbegründend wirken, da jeder Arzt für eine sorgfältige Behandlung und seine Sachkunde haftet und als Sachverständiger gemäß § 1299 ABGB gilt.
Zudem kann den Arzt eine disziplinarrechtliche Haftung treffen, da er verpflichtet ist, seine Berufspflichten, worunter auch die Fortbildungsverpflichtung fällt, einzuhalten. Neben einer Verurteilung durch den Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer (beginnend bei der Verwarnung bis hin zu einer Geldstrafe beziehungsweise in letzter Konsequenz der Verhängung eines Berufsverbots) kann auch die Vertrauenswürdigkeit eines Arztes in Frage gestellt werden, wenn sich dieser kontinuierlich weigert, seiner Fortbildungsverpflichtung nachzukommen. Sollte der Ehrenrat der Österreichischen Ärztekammer zu der Entscheidung gelangen, dass aufgrund dieses Verhaltens keine Vertrauenswürdigkeit mehr besteht, hat dies die Streichung aus der Ärzteliste zur Konsequenz.
Aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage sowie der nunmehrigen Praxis, dass seitens des Österreichischen Disziplinarrates und der Disziplinarkommission nunmehr laufend überprüft wird, ob sämtliche Ärzte ihrer Fortbildungsverpflichtung nachkommen, ist daher allen zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Ärzten dringend anzuraten, diese ernst zu nehmen und insbesondere auf die Möglichkeit desE-Learnings zurückzugreifen.

 

 

Erlangung der DFP-Punkte

Ein DFP-Punkt entspricht einer Fortbildungsdauer von 45 Minuten ohne Pausen, womit pro Fortbildung und pro Tag maximal 10 DFP-Punkte vergeben werden können. Die Verordnung enthält auch einen genauen DFP-Punkteschlüssel für E-Learning, wissen-schaftliche Arbeiten, Buchbeiträge oder Beiträge in Journalen, die sich am jeweiligen Impact-Faktor der jeweiligen Zeitschrift orientieren.