Wie so oft spielte der Zufall eine Rolle: Bettina traf ich im Rahmen einer Karrieremesse für Student:innen und Jungmediziner:innen in Wien. Damals gab es von beiden Seiten noch sehr vage Vorstellungen einer Zusammenarbeit. Und dann stand sie eines Tages tatsächlich in meiner Ordination, um ihre Ausbildung bei mir zu machen. Organisatorisch war bspw. die Stundeneinteilung in der Ordination zu klären. Die Arbeitszeit ist bei uns je nach Patientenaufkommen sehr flexibel und oft wenig planbar. Weiters müssen Urlaube eingeteilt werden, und der Dienstplan der Ordination muss mit dem im Krankenhaus akkordiert werden, wo weiterhin Nachtdienste absolviert werden können.
In Niederösterreich haben wir die sehr günstige Vereinbarung einer durchgehenden Anstellung der Lehrpraktikant:innen im Krankenhaus. Es erfolgt die Dienstzuteilung in eine Ordination gegen ein geringes Entgelt, was natürlich einigen wirtschaftlichen Druck von der Ordination nimmt.
Meine anfänglichen Bedenken, wie sich eine weitere Ärztin ins Team integrieren würde und wie Abläufe geändert werden müssen, waren rasch vergessen: Für uns beide entwickelte sich die Zusammenarbeit sehr bald ebenso selbstverständlich wie hilfreich. Beide lernten wir voneinander: Ich durfte meine tägliche Routine und mein medizinisches Gewohnheitswissen wieder öfter hinterfragen und mich zu meinen Vermeidungsstrategien bekennen, und meine Kollegin Bettina, vollgepackt mit Fachwissen aus dem Studium, der Turnusarztprüfung, später noch Notarztkurs und ihrem erlernten Können aus der Spitalsausbildung, bemerkte, dass die Praxis doch deutlich davon abweicht. Viel Gelerntes ist vielleicht wünschenswert, aber unter realen Bedingungen oft nicht umsetzbar oder auch nicht sinnvoll. Jedenfalls stieg auf beiden Seiten Anerkennung und Respekt für die Tätigkeit des jeweils anderen.
Wichtig war mir auch, dass ich über meine Patient:innen immer Bescheid wusste, sie weiterhin gut betreut waren und wir im Sinne der kontinuierlichen Versorgung in engem Austausch standen. Es war eine schöne Erfahrung für mich, einiges weitergeben zu können, Erlebtes zu teilen, Belastendes gemeinsam zu besprechen und vor allem die Vielfalt, Breite und Freude an dem Fach Allgemeinmedizin zu vermitteln. Wie auch immer sich ein:e Lehrpraktikant:in beruflich weiter orientiert, mir ist es wichtig, dem/der Kolleg:in unsere Arbeitsweise und unsere Grenzen darzustellen, verantwortungsbewusstes Arbeiten mit den uns gegebenen Möglichkeiten zu vermitteln und – ganz wesentlich – auch unbegründet starke Sorgen um die Anforderungen oder Belastungen in der Niederlassung zu nehmen. Auch wesentliche Themen wie soziale und finanzielle Absicherung der eigenen Person erscheinen mir sehr wichtig. Diese Inhalte besprachen wir oft bei Pausen, Spaziergängen oder Visitenfahrten.
Nicht immer war es leicht, in Zeiten der Dominanz der Pandemie – mitsamt repetitiven Aufklärungsgesprächen zu COVID-Testung, -Meldung, -Absonderung, -Antikörperbestimmung und -Impfung – den Facettenreichtum in der Allgemeinmedizin ins Blickfeld zu rücken. Und natürlich wäre ich manchmal schneller in der täglichen Routine gewesen, ohne zu erklären. Aber die Bereicherung und Freude sind groß, etwas an unsere zukünftige Ärztegeneration weitergeben zu können, und zum anderen kam wachsende Begeisterung zurück. Und ein bisserl stolz bin ich schon darauf, meinen Beitrag zu einer fundierten allgemeinmedizinischen Ausbildung meiner zukünftigen Kollegin geleistet zu haben.