Dem „Schlafhormon“ Melatonin kommt dabei eine vermutlich überlebenswichtige Funktion zu, da es mit seiner antiviralen Charakteristik ein molekularer Alleskönner ist: Als perfektes Antioxidans schützt es gesunde Zellen wie eine Firewall gegen oxidativen Stress. Parallel dazu unterstützt es das Immunsystem, was bei dieser viralen Pandemie in doppelter Hinsicht von Bedeutung ist. Eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien belegen: Melatonin wirkt bei einer COVID-19-Erkrankung mit aller Wahrscheinlichkeit sowohl präventiv als auch kurativ. Darüber hinaus verstärkt es die Immunantwort auf etwaige Impfstoffe gegen SARS-CoV-2.
Lange bekannt ist, dass Melatonin in der Zirbeldrüse bei nächtlicher Dunkelheit freigesetzt wird und damit eine wichtige Rolle bei der Regelung des Tag-Nacht-Rhythmus einnimmt. Jüngere Studien haben nun ergeben, dass Melatonin auch in den Mitochondrien fast aller Zellen in größerer Menge produziert wird, wo es seine jeweiligen Funktionen (primär intrazelluläre) je nach Bedarf ausübt.
So hemmt es z. B. die Entstehung metabolischer Anomalien, wie sie bei Krebszellen, aber auch bei Infektionen beobachtet werden, und unterbindet somit das unkontrollierbare Zellwachstum bzw. die Infektionsverbreitung. In gesunden Zellen schützt Melatonin diese vor dem Angriff von freien Radikalen, die zur Apoptose, dem programmierten Zelltod, führen können; darüber hinaus reguliert es viele Prozesse in den Zellen, etwa jene zur Energiegewinnung.
Viren brauchen stets Wirtszellen, in die sie eindringen können, um sich im menschlichen Organismus zu replizieren. Bisherige Untersuchungen deuten darauf hin, dass SARS-CoV-2 u. a. den Rezeptor für das Angiotensin-converting Enzyme 2 (ACE2) an der Oberfläche der Zelle als Andockstelle benutzt, um in sie einzudringen. Ausgehend von der Schleimhaut der Nase und des Rachenraums dringt das Virus weiter in die Atemwege und in die Lunge vor, also genau die Orte, wo sich besonders viele ACE2-Rezeptoren befinden. Weitere Organe mit einer hohen ACE2-Dichte sind das Herz, die Nieren und der Darmtrakt, weshalb auch diese Organe vom Virus befallen werden können.
Melatonin reduziert einerseits die ACE2-Rezeptor-Expression und blockiert andererseits auch direkt den Andockversuch des Virus, wodurch es die Infektion der Zelle stark reduzieren, wenn nicht sogar verhindern kann. Auf jeden Fall verlangsamt es die Virenausbreitung und gibt dem Immunsystem mehr Zeit, sich auf die Infektion einzustellen bzw. sie zu bekämpfen.
Neueste Untersuchungen zeigen eindeutig: Die Zytokine spielen bei COVID-19 eine Schlüsselrolle. Kommt es zum sogenannten Zytokinsturm, also zu einer Überproduktion dieser Entzündungsmarker, bei dem nicht nur die eindringenden Viren abgetötet, sondern auch die gesunden Zellen angegriffen werden, kann dies in schweren Fällen zu einem lebensbedrohlichen Ereignis mit Lungenentzündung, Atemnot bis hin zum akutem Lungenversagen (ARDS) führen.
Auch in dieser Situation hilft Melatonin als Immunmodulator, da es einerseits die Bildung von Immunzellen fördert, andererseits die übermäßige Zytokinproduktion reduziert und somit den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung wesentlich verbessert.
Die Pathogenese eines Zytokinsturms im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung hängt eng mit dem oxidativen Stress zusammen. Dieser entsteht, wenn sich der Körper bzw. das Immunsystem nicht mehr vor freien Radikalen schützen kann, sodass diese hoch reaktiven Stoffe die Zellen beschädigen und schwere Entzündungen in den Organen hervorrufen.
Melatonin selbst ist in der Lage, diese entzündungsfördernden Substanzen aufzuhalten und die Schäden durch freie Radikale zu verringern. Darüber hinaus aktiviert es weitere antioxidative Enzyme, fördert wichtige DNA-Reparaturprozesse und ist, dank seiner hemmenden Wirkung auf die Toll-like-Rezeptoren (TLRs), ein erwiesenermaßen wirksames Mittel bei der Behandlung von überschießenden Entzündungsprozessen und inadäquaten Immunreaktionen − eides Situationen, die bei COVID-19-Erkrankten zu beobachten sind.
Für ältere Menschen zieht eine COVID-19-Erkrankung oft einen lebensbedrohlichen Verlauf nach sich. Mit ein Grund dafür ist ihr meist schwächeres Immunsystem. Da die Melatoninproduktion im Laufe des Lebens abnimmt und diese Abnahme mit der Schwäche des Immunsystems in Verbindung gebracht wird, könnte auch ein Zusammenhang dazu hergestellt werden, dass weltweit gerade so viele ältere Menschen, oft mit zusätzlichen, altersbedingten Prädispositionen, ein so schweres COVID-19-Krankheitsprofil zeigen.
Um die Immunreaktion älterer Personen kreist auch die aktuell geführte Diskussion, welche Impfstoffe man für diese Zielgruppe hinsichtlich ihrer Wirksamkeit empfehlen kann. Melatonin ist auch in diesem Fall eine Hilfe, da es die Intensität bzw. Sensitivität der Immunreaktion erhöht, indem es spezifische Immunzellen stimuliert und gleichzeitig potenzielle schwere Nebenwirkungen der Vakzine verhindern kann. Speziell Fachärzte aus den USA empfehlen bereits heute, mindestens 2 Wochen vor der Impfung mit der täglichen Melatonin-Supplementierung zu beginnen und diese Einnahme bis 4 Wochen nach der Anschlussimpfung beizubehalten.
Speziell bei einer bestehenden Infektion haben klinische Studien bereits ergeben, dass sowohl der Schweregrad als auch die Dauer einer COVID-19-Erkrankung mit Melatonin signifikant reduziert werden konnten. Es ist davon auszugehen, dass auch die Langzeiteffekte einer Erkrankung, wie z. B. die Lungenfibrose, erheblich gedämpft werden können, sollte der Patient ausreichend Melatonin eingenommen haben.
Auch wenn es zurzeit keine anerkannten Richtlinien zur Ergänzung von Melatonin gibt bzw. es als Arzneimittel für diese Erkrankung noch nicht zugelassen ist, empfehlen Experten die folgenden Dosierungen:
Melatonin sollte immer am Abend kurz vor dem Zubettgehen eingenommen werden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich Melatonin in der jüngsten Vergangenheit in zahlreichen Studien als überaus vielversprechend gegen COVID-19 erwiesen hat: Es reduziert die Entzündungen und somit die Schwere des Krankheitsverlaufs. Es reduziert die Menge der ausgeschütteten Zytokine und freien Radikale, wirkt regulierend auf den programmierten Zelltod ein, alles Prozesse, die gerade bei Viruserkrankungen wie COVID-19 kritisch sind. Weiters fördert es das Wachstum neuer immunkompetenter Zellen, was wiederum die körpereigene Abwehr unterstützt und die Sensitivität auf etwaige Vakzine steigert. Dabei ist es ein auch in hoher Dosierung sehr gut verträgliches, körpereigenes Hormon, das auch in Kombination mit anderen Medikamenten eingenommen werden und deren etwaige Nebenwirkungen reduzieren kann.
Weitere Informationen und neueste Studien zum Thema finden Sie auch unter melatoninfacts.org
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