Mit (neuen) Steuern zu mehr Prävention

„Wir kommen nicht runter“, sagt Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO). Gemeint ist das Defizit, das die nächste Regierung wohl während ihrer gesamten Legislaturperiode beschäftigen wird. Für heuer geht das WIFO von einem Defizit von 3,7 % aus, für das nächste Jahr werden 4 % veranschlagt. Die mittelfristige Prognose bis 2029 sieht im Schnitt 3,8% vor. Anders gesagt: Der Spardruck bleibt nachhaltig – und macht auch das Gesundheitssystem in mehrfacher Hinsicht zu einem Budget-Thema.

Selbst neue Abgaben sind für Schratzenstaller unter den genannten Vorzeichen kein Tabu: „Es geht nicht per se um neue Steuern, sondern um bessere Steuern, die dann in ein Abgabenstrukturreform-Konzept eingebettet werden.“ Kurzfristig könnten zusätzliche Einnahmen sehr wohl ein Ziel sein, um das Budget zu konsolidieren. „Mittelfristig geht es aber darum, an anderer Stelle zu entlasten – vor allem bei den hohen Abgaben auf Arbeit“, skizziert Schratzenstaller ein mögliches Modell.

Steuern auf ungesunden Lebensstil

Bezogen auf das Gesundheitswesen spricht sie sich dafür aus, ungesunden Lebensstil zu verteuern. „Es gibt inzwischen in zehn EU-Ländern eine Steuer auf Getränke mit Zuckerzusatz. Es wäre aus meiner Sicht eine gute Idee, das auch in Österreich zu machen. Denn es zeigt sich, dass es zu Veränderungen im Zuckergehalt und im Kaufverhalten kommt.“ Zudem gäbe es bei der Alkoholsteuer Nachholbedarf. Wie sich diese Maßnahmen monetär auswirken würden, fasst die Expertin wie folgt zusammen: „Wir haben grobe Berechnungen, dass eine derartige Zuckersteuer rund 50 Millionen im Jahr bringen könnte, bei der Alkoholsteuer gehen wir von 150 Millionen aus. Wichtig wäre, dass man diese Steuern laufend valorisiert und in einen größeren Rahmen einbettet – also etwa mit Informationskampagnen und Werbeverboten für Kinder kombiniert.“

Der Wirtschaftsforscherin geht es in diesem Zusammenhang nicht nur um Einnahmen für den Staat. „Wir haben allgemein ein Problem mit recht ungesunden Verhaltensweisen. Der Konsum von Tabak oder Alkohol ist im EU-Vergleich bei uns überdurchschnittlich. Und auch das Problem von Adipositas ist virulent.“ Daher seien die vorgeschlagenen Steuer-Ideen auch im Sinne der Prävention zu sehen – gerade, wenn es um die großen Volkskrankheiten geht. Ziel müsse es sein, Folgekosten im Gesundheitssystem zu sparen.

Gesundheitssystem muss effizienter werden

Ein nicht weniger ambitionierter Ansatz, den die Expertin der kommenden Regierung nahelegt, betrifft die Reform des Gesundheitswesens an sich. Schratzenstaller: „Es muss effizienter werden.“ Soll heißen: „Wir haben das Problem, dass im Gesundheitswesen und hier gerade auch bei der Finanzierung alle drei Ebenen, also Bund, Länder sowie Gemeinden, und zudem die Sozialversicherung beteiligt sind. Die Strukturen sind dadurch sehr komplex und zum Teil auch intransparent. Hier braucht es eine Entflechtung – und die immer wieder geforderte Finanzierung aus einer Hand.“ Es ist ein großer Brocken, den die Expertin den politischen Entscheidungsträger:innen hinwirft. „Was wir dringend benötigen, ist eine Föderalismusreform. Und das betrifft viele Bereiche – von der Bildung über die Förderungen bis hin eben zum Gesundheitssystem.“ Es gehe um die klare Zuordnung der Aufgaben, Ausgaben und Finanzierung.

Ambulant vor stationär

Was darüber hinaus bleibt, sind Themen wie die Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich und eine bessere Koordinierung der Spitalskapazitäten innerhalb und zwischen den Bundesländern. Die Diskussionen, die in diesem Zusammenhang zuletzt in Niederösterreich aufgeflammt sind, hält Schratzenstaller für wichtig. Ein Expertenpapier sieht dort die Schließung von vier der 27 Landeskliniken vor, die in einem neuen Krankenhaus Weinviertel Süd-West zusammengelegt werden sollen. Argumentiert wird mit einer höheren Effizienz in der Diagnostik und erfolgreicheren Behandlungsmöglichkeiten ebenso wie mit der wirtschaftlichen Analyse. Tenor: Die Betriebskosten für drei Kleinkliniken seien deutlich höher als für ein zentrales effektives Krankenhaus mit neuer, moderner Ausstattung – politisch heißer Stoff. Ohne das Projekt im Detail beurteilen zu wollen, befürwortet die WIFO-Expertin den Prozess: „Dass man sich eine bessere Koordination zumindest vornimmt und die Sache angeht ist ein richtiger Ansatz.“

Finanzausgleich zu wenig genutzt

Einen progressiveren Zugang hätte sich die Budgetexpertin auch bei den vergangenen Verhandlungen zum Finanzausgleich gewünscht. Hier wurden aus ihrer Sicht Chancen vertan, zu viele Themen vermengt. Laut der Vereinbarung stehen bis 2028 14 Milliarden Euro für Reformen in Gesundheit und Pflege zur Verfügung. Nachdem der Sack nun zu ist, habe die neue Regierung Zeit, über die Architektur des Finanzausgleiches zu reden – „und dazu gehört natürlich auch das Gesundheitswesen“. Ob man mit den ausverhandelten Mitteln auskommen wird, will Schratzenstaller nicht im Detail kommentieren. Allerdings: „Klar ist, dass wir aufgrund der Demografie mehr Geld für Pflege, Gesundheit und Pensionen brauchen werden. Es reicht aber nicht, einfach immer nur mehr Geld einzusetzen. Was wir für die Zukunft benötigen, sind effizientere Strukturen.“ Ansonsten werde man diese Aufgaben auf Dauer nicht ohne eine drastische weitere Verschuldung bewältigen können.