Typ-1-Diabetes mellitus (T1D) ist mit > 95 % die häufigste Diabetesform im Kindes-und Jugendalter, die aktuellsten Daten des österreichischen Diabetes-Inzidenz-Registers aus 2021 zeigen mit 28,6/100.000/Jahr die höchste T1D-Rate seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1989.
T1D ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die insulinproduzierenden ß-Zellen des Pankreas zerstört werden. Marker dieses Autoimmunprozesses, diabetesspezifische Antikörper, findet man oft Jahre vor der klinischen Manifestation. Studien konnten zeigen, dass Menschen mit ≥ 2 Antikörpern ein Risiko von fast 100 % haben, an T1D zu erkranken, was zu einer Neueinteilung des Diabetes in Stadien führte (Abb.).
Die typischen Symptome bei Erstmanifestation eines T1D (Stadium 3) im Kindesalter sind Polydipsie, Polyurie, Enuresis (Wiedereinnässen), Gewichtsabnahme, Müdigkeit und/oder Vaginalsoor. Liegt bereits eine diabetische Ketoazidose (DKA) vor, kommt es zusätzlich zu Übelkeit, Erbrechen und einer Kußmaul-Atmung (schnelle, tiefe Atmung). Kleinkinder haben ein besonders hohes Risiko, zu entgleisen.
Die Diagnose eines T1D im Kindesalter wird anhand der typischen Symptome, der Blutzucker- und der HbA1c-Bestimmung gestellt, zusätzlich sind bei rund 85 % der Kinder mit T1D diabetesspezifische Autoantikörper nachweisbar.
Ziel der Behandlung von Kindern mit T1D ist eine möglichst normoglykämische Stoffwechseleinstellung mit wenigen Hypoglykämien. Die Betreuung der Kinder und Jugendlichen sollte immer in einem Zentrum mit Erfahrung in pädiatrischer Diabetologie erfolgen. Eine lebenslange Insulintherapie ist notwendig, wobei diese individuell an das Alter und den Alltag der Familie angepasst werden soll.
Die Therapiesäulen des T1D sind Insulinsubstitution, kohlenhydratberechnete Kost, Glukosemessung, Bewegung, Schulung und psychosoziale Betreuung.
In der pädiatrischen Diabetologie sollen Therapien zum Einsatz kommen, die folgende Anforderungen erfüllen: möglichst physiologische Insulinsubstitution, wenige Injektionen (v. a. bei Kleinkindern) und die Möglichkeit der Insulinapplikation in kleinen Dosierungsschritten. Die Insulinpumpentherapie erfüllt diese Anforderungen am besten und wird bereits bei der Mehrzahl der Kinder mit T1D (insbesondere bei Kleinkindern zu fast 100 %) eingesetzt.
In den letzten Jahren gab es große Fortschritte im Bereich der Therapie. Insulinpumpen und kontinuierliche Blutzuckermessung mittels Glukosesensoren (CGM-Systeme) erleichternKindern und Jugendlichen mit T1D die Stoffwechselkontrolle. Hybrid-Closed-Loop-Systeme (HCL) bestehen aus einer Insulinpumpe, einem Glukosesensor (CGM) und einem Algorithmus. Die Glukose wird dabei im subkutanen Fettgewebe kontinuierlich gemessen, und die Werte werden an eine Smartphone-App bzw. an die Insulinpumpe mit einem entsprechenden Algorithmus gesendet. Dieser berechnet automatisch, wie viel Insulin benötigt wird, um die Glukosewerte im Zielbereich zu halten; die entsprechend berechnete Insulinmenge wird über die Insulinpumpe abgegeben. Nur das Essensinsulin muss noch extra über die Pumpe abgegeben werden. Seit 2019 sind HCL-Systeme kommerziell in Österreich verfügbar. Im Kindes- und Jugendalter wird ausdrücklich die Verwendung von Diabetestechnologie empfohlen.
Nationale und internationale Guidelines empfehlen als metabolisches Ziel einen HbA1c-Wert ≤ 7,0 % (≤ 53 mmol/mol) mit einer „time in range“ (TIR) > 70 % ohne schwere Hypoglykämien. Bei Verwendung von HCL-Systemen sollte ein HbA1c von 6,5 % (48 mmol/mol) angestrebt werden.
Ein wesentlicher Teil in der Betreuung ist die Schulung von Kindern und Eltern durch ein ausgebildetes multidisziplinäres Team, bestehend aus pädiatrischen Diabetolog:innen, Diabetesberater:innen, Diätolog:innen, Psycholog:innen und Sozialarbeiter:innen. Psycholog:innen sollten routinemäßig die psychosoziale Situation der Familien erfassen und ggf. auch spezifische Interventionen durchführen. Zahlreiche psychiatrische Komorbiditäten sind bei T1D bekannt (Essstörungen, Insulinmanipulation, Depression, Angststörung, ADHS u. a.).
Screening auf assoziierte Autoimmunerkrankungen und Spätkomplikationen: Kinder und Jugendliche mit T1D haben ein höheres Risiko, weitere Autoimmunerkrankungen, am häufigsten eine Autoimmunthyreoiditis (AIT) oder Zöliakie (CD), zu entwickeln. Ein regelmäßiges diesbezügliches Screening ist empfohlen, ebenso ein jährliches Screening auf mikrovaskuläre Komplikationen wie Nephropathie (Morgenharn: Albumin-Kreatinin-Ratio), Retinopathie (Funduskopie) und Neuropathie (klinische Untersuchung auf Sensibilität, Vibrationsempfinden und Reflexe) ab dem 11. Lebensjahr oder ab 2 bis 5 Jahren Diabetesdauer.
Im Alter von 18–19 Jahren sollten die Jugendlichen mit T1D an Erwachsenenmediziner:innen übergeben werden. Dies soll flexibel, je nach „Reife“ des/der Einzelnen, geordnet und im Idealfall im Rahmen einer speziellen Transitionsklinik erfolgen. Guidelines betonen, dass es wichtig ist, eine gute, geplante, geordnete Übergabe zu machen, damit keine „Lücke“ in der Betreuung entsteht.
Derzeit wird an populationsbasierten Antikörper-Screening-Programmen nach T1D und Immuntherapien als neue Perspektiven für Menschen mit einem Risiko für T1D gearbeitet. Jedoch sind weitere Forschung und klinische Studien notwendig, um diese Strategien weiterzuentwickeln und sicher in der klinischen Praxis anzuwenden.