Einer Schätzung auf Basis von Krankenkassendaten zufolge beläuft sich die Anzahl der Patient:innen mit Schmerzdiagnosen in Deutschland auf 37,4 Mio., also etwa 46 % der Bevölkerung.1 Häuser et al. ermittelten für chronische nichtmaligne Schmerzen mithilfe einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe eine deutschlandweite Prävalenz von 26,9 %, wobei auch Schmerzen von niedriger Intensität in die Studie miteinbezogen wurden.2 In einer groß angelegten Umfrage, die in 15 europäischen Ländern und in Israel durchgeführt wurde, gaben 19 % der Befragten an, in den letzten sechs Monaten mindestens zweimal pro Woche mäßige bis starke Schmerzen gehabt zu haben. Die Prävalenz variierte von Land zu Land zwischen 12 und 30 %, in Österreich lag der Anteil der Betroffenen bei 19 %.3 Bei den nichttumorbedingten Schmerzen dominieren Rückenschmerzen, gefolgt von Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen. Weltweit werden sogar Kreuzschmerz und Kopfschmerzerkrankungen als die beiden führenden Ursachen für beeinträchtigte Lebensjahre („years lived with disability – YLD“) angegeben.4 Tumorerkrankungen verursachen – belegt durch internationale und europäische Daten – als häufigstes Symptom Schmerzen.5 Bis zu 50 % der Patient:innen im Frühstadium, 70 % der Patient:innen im fortgeschrittenen Stadium mit Metastasierung und über 80 % der terminalen Patient:innen berichten über Schmerzen.
Internationale Studien belegen die enormen Auswirkungen von Schmerzen auf das psychische Wohlbefinden, das Familien- und Arbeitsleben sowie die Möglichkeiten der sozialen Partizipation.3 Chronische Schmerzen haben nicht nur erhebliche psychosoziale und ökonomische Auswirkungen für die Betroffenen, sondern verursachen auch enorme Kosten für die Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, den Fokus auf effektive Präventionsmaßnahmen zu setzen.
Präventionsstrategien sind mindestens genauso wichtig wie eine effektive Schmerzbehandlung. Je früher sie eingesetzt werden, desto wahrscheinlicher ist es, eine Chronifizierung von Schmerzen zu verhindern. Im schmerzmedizinischen Kontext sollen primärpräventive Maßnahmen das Auftreten von Schmerzen verhindern. Die Sekundärprävention soll den Übergang akuter Schmerzen in eine Chronifizierung limitieren, und die Tertiärprävention inkludiert Maßnahmen, die Beeinträchtigungen und Langzeitfolgen von Schmerzen verringern sollen.6 Als weitere Präventionsmaßnahme wird die Quartärprävention definiert, die alle Möglichkeiten zur Verhinderung irrelevanter und nutzloser Medizin beinhaltet.7 Maßnahmen zur Schmerzprävention können in jedem Stadium getroffen werden; die frühe Schmerzbehandlung wird allerdings als die beste Möglichkeit angesehen, um eine Chronifizierung zu verhindern. Als essenziell erweist sich in diesem Kontext die frühe Erfassung von Patient:innen, die trotz Therapie persistierende Schmerzen über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten aufweisen. Etabliert hat sich, unabhängig von der Schmerzätiologie, bei drohender oder bereits eingetretener Chronifizierung das Konzept der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie auf Basis des biopsychosozialen Modells der Schmerzerkrankung. Dieses multimodale Konzept bildet in der Behandlung chronischer Schmerzen den therapeutischen Goldstandard und wird in diversen Leitlinien wie beispielsweise zu Kreuzschmerz, chronischem Kopfschmerz, zum Fibromyalgiesyndrom oder auch in der Leitlinie des neuropathischen Schmerzes empfohlen.
Die Ursachen für die Entstehung chronischer Schmerzen sind vielfältig und nicht nur auf körperlicher Ebene zu finden. Psychosoziale Faktoren spielen ebenso eine wesentliche Rolle; auch wurden genetische, therapie- und lebensstilbedingte Risikofaktoren identifiziert.8 Das Erkennen psychosozialer und auch lebensstilbedingter Risikofaktoren gilt als wichtiger Ansatz in der Prävention chronischer Schmerzen, unabhängig von der Schmerzätiologie. Psychosoziale Faktoren sind entscheidend bei der Schmerzentstehung, der Schmerzchronifizierung und im weiteren Krankheitsverlauf. Als sogenannte „yellow flags“ bezeichnet man Belastungsfaktoren auf emotionaler, beruflicher und privater Ebene sowie ungünstige kognitive und Verhaltensmuster.8 Die Begriffe „blue“ und „black flags“ bezeichnen berufsbezogene Chronifizierungsfaktoren. Es werden hierbei subjektiv erlebte psychische Faktoren („blue flags“) und berufs- bzw. arbeitsplatzspezifische objektivierbare physische Faktoren („black flags“) differenziert. Zu den wichtigsten lebensstilbedingten Risikofaktoren für Schmerzen zählen ungesunde Ernährung, mangelnde körperliche Bewegung, ungünstige Stressverarbeitung, Exposition gegenüber Umweltschadstoffen und Risikoverhalten. Primärpräventive Möglichkeiten zur Vermeidung von Schmerzen zielen daher genau auf diese lebensstilbedingten Risikofaktoren ab und beinhalten einen gesunden Lebensstil hinsichtlich Ernährung und körperlicher Aktivität, das Meiden ungesunder Verhaltensweisen wie exzessiven Alkoholkonsum und Rauchen sowie variierende Arbeits- und Ruhepositionen und ein gesundes Stressmanagement.
Aus medizinischer Sicht sind es vor allem Übergewicht, Fehlhaltungen und schwere körperliche Tätigkeiten, die zu einer dauerhaften Belastung des Bewegungsapparates führen. So ist Kreuzschmerz eine der am weitesten verbreiteten Erkrankungen in Industrienationen. Bei Erwachsenen beträgt die Punktprävalenz 12–30 % und die Lebenszeitprävalenz 60–85 %. Die Rezidivrate liegt bei 20–73 % innerhalb eines Jahres und erreicht bis zu 85 % bezogen auf die gesamte Lebensspanne.9 Kreuzschmerzen können je nach zeitlichem Verlauf in akute (Schmerzdauer 1–4 Wochen), subakute (Schmerzdauer 5–12 Wochen) und chronische Kreuzschmerzen (Schmerzdauer > 12 Wochen oder episodisch innerhalb von 6 Monaten) eingeteilt werden. Wie bereits oben erwähnt, können auch hier psychosoziale sowie arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren eine Chronifizierung begünstigen. In diesem Zusammenhang zeigt sich unter den sogenannten „yellow flags“ für Depressivität, Stress, schmerzbezogene Kognitionen wie z. B. Katastrophisieren, ein passives oder auch überaktives Vermeidungsverhalten die stärkste Evidenz.9 Bei den arbeitsplatzbezogenen Risikofaktoren spielen einerseits die subjektiv empfundenen Belastungen am Arbeitsplatz (physisch oder psychosozial), anderseits die objektivierbaren Bedingungen seitens des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin als Risikofaktoren für die Chronifizierung von Kreuzschmerzen eine wesentliche Rolle. Zu den relevantesten „blue“ und „black flags“ zählen: körperliche Schwerarbeit, monotone Körperhaltung, geringe berufliche Qualifikation, berufliche Unzufriedenheit, Verlust des Arbeitsplatzes oder auch ein chronischer Arbeitskonflikt im Sinne von Mobbing. Ein wichtiger Ansatz in der Prävention von chronischen Kreuzschmerzen ist die Berücksichtigung der psychosozialen und arbeitsplatzbezogenen Risikofaktoren bereits zu Beginn der Kreuzschmerzen sowie auch im Behandlungsverlauf. Die entsprechende Leitlinie empfiehlt bereits im Rahmen der Anamnese Risikofaktoren zu explorieren und die Patient:innen direkt auf das Chronifizierungsrisiko anzusprechen. Es existieren hierzu einige Screening-Tools. Zur Evaluierung der psychosozialen Risikofaktoren sind folgende Instrumente zu nennen: STarT Back Tool (SBT), Örebro Musculoskeletal Pain Screening Questionnaire (ÖMPSQ), Heidelberger Kurzfragebogen (HKF-R 10) und die Risikoanalyse der Schmerzchronifizierung (RISC-R). Um arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren zu erfassen, haben sich der Work Ability Index (WAI) und das arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) etabliert.
Faktor Patientenedukation: Ein wichtiger Aspekt in der Behandlung von Patient:innen mit akuten Kreuzschmerzen ist die Edukation. In diversen Leitlinien wird Patientenedukationals wichtiges Therapieelement angeführt.9, 10 Voraussetzung für das Gelingen ist natürlich eine gute und vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung. Es sollte während des gesamten Krankheitsverlaufes eine kontinuierliche Aufklärung stattfinden. Die entsprechende Leitlinie empfiehlt – nach Ausschluss gefährlicher Ursachen –, die Patient:innen über die grundsätzliche „Gutartigkeit“ und den Verlauf ihrer Erkrankung zu informieren. Es gilt eine Motivation zu einer gesunden Lebensführung, die regelmäßige körperliche Aktivität inkludiert, zu schaffen. Edukative Maßnahmen sollen die Eigeninitiative der Patient:innen stärken.
In Hinblick auf die Primärprävention von Kreuzschmerzen ist es der Datenlage entsprechend kaum möglich, einheitliche evidenzbasierte Empfehlungen abzugeben, da aufgrund der hohen Lebenszeitprävalenz viele Studien nicht ausschließlich den primärpräventiven Aspekt untersuchen konnten. Es gibt jedoch viele Studien, die einen positiven Effekt körperlicher Bewegung hinsichtlich Prävention von wiederholten Schmerzepisoden oder auch Arbeitsunfähigkeit zeigen.11
Sekundärpräventiv ist es wichtig, als behandelnder Arzt/behandelnde Ärztin diagnostische Maßnahmen gezielt einzusetzen und somit die Patient:innen in ihrem jeweiligen eigenen Krankheitsmodell nicht zu fördern. Eine Übersichtsarbeit zeigte in puncto Schmerzintensität und Funktionsfähigkeit bei gleicher Behandlung keinen Unterschied zwischen der Durchführung einer sofortigen bildgebenden Untersuchung und der Nichtdurchführung einer Bildgebung bei akuten und subakuten unspezifischen Kreuzschmerzen.12 Aktive Therapiekonzepte mit Anleitung zum selbstständigen Üben zeigten eine bessere Wirksamkeit als passive Therapien. Analgetika sollen zurückhaltend und so kurz wie möglich in der Behandlung eingesetzt werden.
Diabetes mellitus und Alkoholkonsum verursachen ca. 60 % aller neuropathischen Syndrome. Die Einteilung der diabetischen Neuropathie kann auch nach dem Verteilungsmuster erfolgen.
Die Dauer und die Ausprägung der Hyperglykämie sind für die Prävalenz entscheidend. Laut Datenlage entwickeln bis zu 50 % der Patient:innen mit einem Diabetes mellitus eine Polyneuropathie, ca. 20 % leiden unter einer schmerzhaften Neuropathieform.13, 14 Die Prävalenz der Neuropathie scheint bei Diabetes mellitus Typ 2 höher als bei Typ 1 zu sein (26 % vs. 8 %).15 Die distal symmetrische Neuropathie, die mit sockenförmigen und handschuhförmigen Sensibilitätsstörungen einhergeht, ist die häufigste Form.
Eine intensive labortechnische Beobachtung und eine gute glykämische Einstellung reduzieren das Risiko einer Neuropathie deutlich. In einer Metaanalyse, die 1.228 Patient:innen eingeschlossen hat, konnte die Inzidenz einer Neuropathie nach 5 Jahren bei Diabetes mellitus Typ 1 durch diese Maßnahme von 17 auf 8 % gesenkt werden. Eine ähnliche Untersuchung bei Patient:innen mit Typ-2-Diabetes zeigte eine statistisch nichtsignifikante Reduktion der Neuropathie von ca. 0,6 %/Jahr.16 Einer Metaanalyse zufolge kann eine Reduktion der allgemeinen kardiovaskulären Risikofaktoren bzw. eine Gewichtsreduktion verbunden mit Ausdauertraining sämtliche Symptome und Alltagsprobleme, die mit einer Neuropathie verbunden sind, verbessern.17 In einer retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass nach bariatrischer Chirurgie innerhalb von 5 Jahren die Neuropathie-Inzidenz um 2/3 geringer war. Metformin, das häufig im Rahmen einer antidiabetischen Therapie verschrieben wird, kann nach 5 Jahren bei bis zu 20 % der Patient:innen einen Vitamin-B12-Mangel hervorrufen. Es sollten somit Patient:innen mit einer Verschlechterung der Neuropathie unter Metformin auf einen Vitamin-B12-Mangel untersucht werden. Zu beachten ist auch die sogenannte Treatment-induced Neuropathy of Diabetes (TIND), eine spezielle Form der schmerzhaften Small-Fiber-Neuropathie, die durch eine schnelle Korrektur des HbA1c-Wertes auftreten kann. Als Risikofaktor gilt dabei die Reduktion von 2 Prozentpunkten innerhalb von 3 Monaten.
Migräne und Spannungskopfschmerz sind gemeinsam mit Karies die häufigsten Erkrankungen weltweit. Schätzungen zufolge leiden ca. 1 Milliarde Menschen darunter. Vor allem Migräne ist nicht nur häufig, sondern auch sehr belastend. Die WHO stuft Migräne auf Platz eins der Erkrankungen ein, die zu einer Alltagsbehinderung bis zum 50. Lebensjahr führen. Die geschätzten jährlichen Kosten, die vorwiegend durch die Arbeitsausfallstage zustande kommen, betragen in Deutschland fast 3 Milliarden Euro. Sowohl die Akuttherapie als auch prophylaktische Maßnahmen können das Leiden der Patient:innen und die negativen wirtschaftlichen Folgen deutlich reduzieren. Obwohl einige Patient:innen unter der medikamentösen Prophylaxe schmerzfrei werden können, ist das realistische Ziel der Therapie eine Halbierung der Attacken. Die Medikamente der ersten Wahl bei der episodischen Migräne sind diverse Betablocker (z. B. Propranolol und Metoprolol), Kalziumantagonisten (z. B. Flunarizin), Antiepileptika (Topiramat und Valproinsäure) und CGRP-Rezeptor- oder CGRP-Antagonisten. Rezent durchgeführte Studien zeigen leider, dass Patient:innen zu selten wirksame Medikamente gegen die Migräne erhalten. Die EUROlight-Studie offenbarte, dass europaweit weniger als 10 % der Migräne-Patient:innen, die sich in der hausärztlichen Betreuung befinden, migränespezifische Akutmedikamente wie Triptane verschrieben bekommen. Weniger als 10 % der Patient:innen, die eine klare Indikation für eine Prophylaxe haben, erhalten laut dieser Studie eine entsprechende Therapie.
Somit werden die vorhandenen Therapiemöglichkeiten nicht genutzt, es besteht noch viel Verbesserungspotenzial in der Versorgung von Migräne-Patient:innen.
Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind auch in der Prophylaxe dieser zwei Kopfschmerzsyndrome sehr wirksam. Entspannungsübungen, Ausdauersport, kognitive Verhaltenstherapie und Anpassung des Lebensstils können die Kopfschmerzattacken reduzieren und die Lebensqualität deutlich verbessern. So können regelmäßiger Schlaf und Ernährung die Attackenfrequenz und Intensität positiv beeinflussen. Umgekehrt zeigen Studien, dass Patient:innen mit Schlafstörungen deutlich öfter an Migräne leiden.18 Hormonschwankungen, visuelle Stimuli, Wetterumschwung, Hungern, Wein, diverse Medikamente und Nahrungsmittel wurden als Triggerfaktoren für Migräne identifiziert. Viele Patient:innen können durch gezielte Vermeidung dieser Risikofaktoren die Migränebeschwerden lindern. Diese Strategie kann allerdings unter Umständen bei ungewollter Exposition zu einer deutlichen Migräne-Exazerbation führen. Aus diesem Grund empfehlen einige Expert:innen eine kontrollierte Konfrontation mit auslösenden Faktoren.19
Die Herpes-Zoster-(HZ-)Inzidenzrate hat sich in den letzten 70 Jahren vervierfacht.
Berechnungen zufolge erleidet fast jeder 3. Mensch im Laufe seines Lebens eine HZ-Ausbruch.20 Ungefähr die Hälfte der Menschen, die das 85. Lebensjahr erreichen, müssen mit einer HZ-Infektion rechnen.21 Somit stellt das Alter den wichtigsten Risikofaktor für eine HZ-Infektion dar. Immunsuppression, HIV-Infektion und Autoimmunerkrankungen wie z. B. die rheumatoide Arthritis gelten ebenfalls als Risikofaktoren. Typische klinische Anzeichen einer akuten Zoster-Infektion sind brennende oder stechende Schmerzen, Hauteffloreszenzen, Sensibilitätsstörungen und selten motorische Ausfälle oder Fieber. Die häufigste Komplikation ist die sogenannte postherpetische Neuralgie (PHN), die als mindestens 90 Tage nach Beginn der Infektion anhaltender Schmerz definiert ist. Circa 15 % aller Erkrankten entwickeln die PHN. Patient:innen unter 60 Jahren haben ein deutlich geringeres Risiko (ca. 2 %) für eine PHN.22 Die Schmerztherapie gestaltet sich bei vielen Patient:innen mit PHN schwierig; ein Umstand, der die Wichtigkeit der Infektionsprophylaxe unterstreicht.
Die Schmerzintensität in der Akutphase der Infektion ist ein Risikofaktor für die Entstehung einer PHN. Aus diesem Grund sind eine konsequente Schmerztherapie und eine frühe antivirale Therapie entscheidend. Eine Herpes-Zoster-spezifische zellvermittelte Immunität scheint bei der Reaktivierung des Virus wichtig zu sein. Eine vorhandene zelluläre Immunität kann die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs des Virus und die Ausprägung der Erkrankung reduzieren. Eine aktive Immunisierung reduziert sowohl die Inzidenz der Erkrankung als auch die Ausprägung der Zoster-Neuritis. Zur Verfügung stehen ein rekombinanter Zoster-Impfstoff und ein Lebendimpfstoff. Der rekombinante Impfstoff (Handelsname Shingrix) reduzierte in Studien die Infektionsrate innerhalb von drei Jahren um 97 %, der Lebendimpfstoff um 50 %. In der rekombinanten Impfstoffgruppe wurde keine PHN berichtet, in der Placebogruppe waren es ca. 9 % der Patient:innen. Nebenwirkungen wie Myalgie, Fieber und Kopfschmerz waren in der rekombinanten Impfstoffgruppe häufig, bildeten sich jedoch nach einigen Tagen bei den meisten Patient:innen vollständig zurück. Von einer möglichen Verbindung zur Entstehung eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) wurde berichtet, die Inzidenz lag bei 3 Fällen auf eine Million Impfanwendungen. Aus diesem Grund wird der rekombinante Zoster-Impfstoff Patient:innen mit einer GBS-Vorgeschichte nicht empfohlen. Die Indikation für die Impfung von immunsupprimierten Patient:innen soll an einem Institut mit Expertise auf dem Gebiet evaluiert werden.
Operationen gehören neben Traumata, Karzinomerkrankungen, Arthrose und Wirbelsäulenproblematiken zu den häufigsten Ursachen für die Entstehung chronischer Schmerzen.23 Während akute postoperative Schmerzen nach wenigen Tagen abgeklungen sein sollten, zeigte sich laut einer Studie von Fletcher et al., dass 11,8 % aller Patient:innen zwölf Monate nach elektiven chirurgischen Eingriffen moderate bis starke chronische postoperative Schmerzen (CPSP) entwickelten. Chronische postoperative Schmerzen müssen mindestens drei Monate persistieren, um als chronische Schmerzen eingestuft zu werden, und entstehen als Folge einer Operation. Definitionsgemäß ist der Schmerz im Operationsgebiet lokalisiert und wird in das Innervationsgebiet eines Nerves beziehungsweise in das entsprechende Dermatom projiziert.24 Manche Operationen, wie Thorakotomien, Mastektomien, Leistenhernienoperationen und Amputationen scheinen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung chronischer postoperativer Schmerzen zu haben. Diverse Risikofaktoren werden für die Entstehung von CPSP diskutiert. Hierzu zählen personenbezogene Faktoren wie weibliches Geschlecht und Alter sowie genetische Faktoren. Psychosoziale Risikofaktoren wie Depression, Angst, Katastrophisierungsverhalten, Stress und schlechte Coping-Strategien spielen ebenso eine wesentliche Rolle. Patient:innen, die präoperativ bereits an einer chronischen Schmerzstörung leiden, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für CPSP.25 Da viele dieser Risikofaktoren bereits präoperativ identifiziert werden können, gilt es, das Augenmerk auf die Erkennung von Patient:innen mit entsprechenden Prädiktoren zu legen, um die Entwicklung chronischer postoperativer Schmerzen zu verhindern oder zu minimieren. In einer Studie von Katz et al. aus 2015 wurde das Konzept des Transitional Pain Service (TPS) am Toronto General Hospital analysiert. Die Problematik des CPSP wurde hier in drei Phasen erfasst: präoperativ, postoperativ im Krankenhaus und postoperativ in einem ambulanten Setting für bis zu 6 Monate nach der Operation. Patient:innen mit hohem CPSP-Risiko konnten so frühzeitig erkannt und durch das multidisziplinäre Team, bestehend aus Schmerzärzt:innen, Krankenpfleger:innen, Psycholog:innen und Physiotherapeut:innen, koordiniert und umfassend versorgt werden.
Die Hauptziele dieses Konzepts sind die Bereitstellung eines neuartigen, nahtlosen Ansatzes zur prä- und postoperativen Schmerzbehandlung für Patient:innen mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung von CPSP und Schmerzbehinderung, die Administration der Opioidmedikation für medizinisch komplexe Patient:innen nach der Operation und nach der Entlassung sowie die Verbesserung der Bewältigung und Funktionsfähigkeit des Patient:innen, um postoperativ eine möglichst hohe Lebensqualität zu gewährleisten.26
Chronische Schmerzen sind für die Betroffenen häufig sehr belastend und für die Gesellschaft sehr teuer. Medikamentöse sowie nichtmedikamentöse Präventionsmaßnahmen können im Kampf gegen die Entstehung chronischer Schmerzen sehr erfolgreich sein, die vorhandenen Maßnahmen müssen jedoch rechtzeitig und konsequent eingesetzt werden. Wichtig ist hier, dass die behandelnden Ärzt:innen immer auf dem aktuellen Stand der Leitlinien und Therapiemöglichkeiten bleiben. Patientenedukation soll als wichtige therapeutische Maßnahme regelmäßig angewendet werden. Die Bevölkerung soll altersunabhängig zur aktiven Bewegung durch Aufklärung und PR-Kampagnen motiviert werden.