Nachimpfungen im Blick behalten

Ärzte Krone: Wie sehen Sie die aktuelle Impflage in Österreich?

Herwig Kollaritsch: Ich denke, das sollte man nicht pauschal betrachten. Manche Impfungen werden sehr gut akzeptiert und andere kaum. Im europäischen Vergleich schneiden wir bei den Impfungen ganz gut ab, dennoch gibt es auch Lücken, die doch gefüllt werden sollten.

Bei welchen Impfungen sehen Sie Lücken?

Dabei fällt mir sofort die Ma­sernimpfung ein. Die steigenden Erkran­kungszahlen in Europa und auch in Öster­reich zeigen, dass die Durchimpfungsrate klar zu niedrig ist. An dieser Stelle muss auf jeden Fall etwas getan werden, und zwar nicht nur bei Kindern und Säuglin­gen. Die heutige Elterngeneration, also die Jahrgänge um 1990, haben als Kind nur einmal die Masern-Mumps-Impfung bekommen und bei den Mädchen mit 12 Jahren die Röteln-Impfung. Wir wissen heute, dass dies zu wenig war. Das sind in etwa 500.000 Österreicher, die unbedingt zur Nachimpfung gehen sollten, damit die Immunität abgesichert ist.

Gibt es bei den Erwachsenen noch eine Nach­impfung, die forciert werden sollte?

Wir sehen auf der ganzen Welt eine Vermehrung des Keuchhustens im Erwachsenenalter. Deswegen haben wir auch schon vor vielen Jahren im Ös­terreichischen Impfplan die Empfehlung ausgegeben, dass die Keuchhusten-Imp­fung mit der Diphtherie-Tetanus-Impfung mitgeführt wird. Das ist sicherlich auch ein wichtiges Problem in der Zukunft, denn Keuchhusten im Erwachsenenalter ist zwar nicht unbedingt lebensgefährlich, aber ich möchte nicht daran erkranken.

Wir haben vorher von Lücken gesprochen. Wo sehen Sie diese noch?

Ganz wichtig wäre mir, dass die HPV-Impfung, die auch im kostenfreien Impfplan enthalten ist, besser angenommen wird, denn das ist eine einmalige Chance, eine der wichtigsten Unterleibskrebsarten bei jungen Frauen nachhaltig zu bekämp­fen und letztlich auszurotten. Denn wir wissen, dass es ohne das Humanpapillom­virus praktisch kein Gebärmutterhalskarzi­nom gibt. In Österreich haben wir durchaus auch eine Vorreiterrolle, denn wir sind ei­nes der wenigen Länder, die Mädchen und Buben impfen, wodurch die Infektkette durchbrochen wird und es viel rascher zu einer Abnahme der Zirkulation von HPV in der Bevölkerung kommt. Man hat gesehen, dass die HPV-Impfungen, die wir heute haben, hervorragend wirken – bei keinerlei Auffälligkeiten von Nebenwirkungen.

Wie stehen Sie zur Grippeimpfung?

Diese Impfung hat leider ein sehr schlechtes Image. Dabei dauerte die jüngste Grippesaison sehr lange. Außer­dem gab es im Vergleich zum Vorjahr sehr viele schwere Fälle, und es waren viele Kinder betroffen. Dies resultiert daraus, dass es ein B-Yamagata-Stamm ist, der dieses Jahr dominant ist, gegen den die Kinder noch überhaupt keine Immunität haben. Es gibt schon die ersten Erhebun­gen darüber, dass es eine beachtliche Zahl an Todesopfern gegeben hat – auch unter den Kindern. Ich weiß, die Grippeimpf­stoffe sind nicht so gut wirksam, wie wir das von anderen Impfungen gewohnt sind, aber es gibt keine andere Option. Daher ist für mich ein nicht so guter Impfschutz noch immer besser als gar kein Impfschutz.

Gibt es auch Erfolge zu verzeichnen?

Ganz klar ist dabei die früh­kindliche Rotavirus-Impfung zu nennen. Seit etwa 2008, 2009 haben wir diese in Österreich im kostenfreien Impfkonzept. Eine tolle Impfung, die dazu geführt hat, dass die Hospitalisierung von Säug­lingen und Kleinkindern durch Rotavi­rus-Gastroenteritis um die 90 Prozent zurückgegangen ist. Das ist ein durch­schlagender Erfolg. Außerdem haben wir mit der Haemophilus-Impfung einen tollen Erfolg gelandet, wir sehen so gut wie keine invasiven Haemophilus-Erkrankun­gen mehr. Weiters gibt es bei Diphtherie und Tetanus praktisch keine Erkrankun­gen in Österreich. An dieser Stelle müssen wir aber Acht geben, dass der Impfschutz aufrecht bleibt, nicht nur weil Tetanus überall auf der Welt vorkommt. Ebenso kann Diphtherie durch die Globalisierung und Fernreisen wieder bei uns auftreten. Summa summarum sind wir, glaube ich, sehr gut aufgestellt im Gegensatz zu an­deren europäischen Ländern, die auf eine Impfpflicht zurückgreifen müssen. Aber es bleibt noch genug Arbeit, um die ge­sellschaftliche Akzeptanz von Impfungen weiter zu verbessern.