Für die Entwicklung der kindlichen Kontinenz benötigt ein Kind eine normale Blasenfunktion mit entsprechender Speicherkapazität, die Fähigkeit, den Harndrang zu erfassen und in der Folge die Miktion einzuleiten sowie die komplette Entleerung der Blase durchzuführen. Wie bei Erwachsenen gibt es auch bei Kindern verschiedene Formen der Inkontinenz.
Die ICCS (International Children’s Continence Society) unterscheidet zwischen den häufigen, intermittierenden, nicht organisch bedingten Formen und den seltenen, kontinuierlichen, überwiegend organisch (z. B. neurogen, sonstige) bedingten Formen.
Die einzelnen Inkontinenzformen werden nach entsprechender Diagnostik unterschiedlich behandelt (Tab.).
Die Begriffe Enuresis und kindliche Inkontinenz werden erst ab dem vollendeten 5. Lebensjahr eingesetzt und behandeln ein komplexes und heterogenes Thema.
Als führendes Symptom wird meist ein Einnässen tagsüber und/oder nachts angegeben, auch Pollakisurie und imperativer Harndrang werden beschrieben; ebenso liegen begleitend oft Stuhlbeschwerden im Sinne einer Obstipation vor („bladder and bowel dysfunction“) wie auch psychische und andere komorbide Störungen.
Von den beiden Hauptstörungsgruppen Enuresis und der kindlichen Inkontinenz untertags können mehrere Subgruppen unterschieden werden. Eine genaue Erfassung der Subformen ist essenziell, um eine effektive Therapie zu planen (Abb.).
Ein entscheidender Bestandteil der Diagnostik ist eine ausführliche Anamnese beginnend mit dem bisherigen Verlauf und inklusive einer Entwicklungs- und Familienanamnese. Auch eine erste Leidensdruckeinschätzung, mögliche psychische oder Verhaltensauffälligkeiten und ein Überblick zum familiären und sozialen Umfeld sollte zu Beginn erfolgen.
Daran schließt sich eine vollständige körperliche Untersuchung insbesondere des Abdomens, der Anal- und Genitalregion, der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten an. Komplettiert wird die Erstuntersuchung mit einer Basisultraschalluntersuchung (inklusive Beurteilung des Rektums) und einer Harnanalyse. Obligatorisch ist die Führung eines Miktions- und Trinkprotokolls über 48 Stunden, welches auch die Darmfunktion miterfasst.
Erst in weiterer Folge können, falls notwendig, andere Untersuchungen wie beispielsweise eine Uroflowmetrie – mit und ohne Beckenboden-EMG – mit anschließender Restharnbestimmung folgen.
Eine aufwendigere invasive Diagnostik (z. B. Zystoskopie, MCU, MRT, Urodynamik) ist vor allem bei Verdacht auf organische Ursachen notwendig und in der Primärabklärung nicht notwendig.
Inkontinenz in jeglicher Form führt bei den Betroffenen oft zu einem massiven Leidensdruck.
Vor allem von Inkontinenz betroffene Jugendliche haben eine höhere Inzidenz von Angststörungen, Depression, chronischer Fatigue und geringem Selbstwertgefühl. Der erste Schritt vor Planung einer Therapie ist die kind- und elterngerechte Aufklärung.
Die Entscheidung zur Therapie und der Therapieerfolg ist von der Motivation des Kindes und der Eltern abhängig.
Sollten mehrere Ausscheidungsstörungen vorliegen, wird zuerst die Stuhlinkontinenz, Enkopresis oder Obstipation, anschließend die Harninkontinenz tagsüber und zuletzt die Enuresis behandelt. Auch aufgefallene komorbide Störungen wie psychische oder neuro-psychiatrisch relevante Störungen sollten angesprochen und therapiert werden.
In der Therapie kommen als Erstes nichtinvasive, nichtpharmakologische Verfahren zur Anwendung, wie z. B. Verhaltenstraining, Beckenbodentraining und EMG-Biofeedback.
Die medikamentöse Therapie sollte erst dann zum Einsatz kommen, wenn die konservativen Verfahren keine Besserung der Problematik erreichten.
Beim Einsatz von Anticholinergika zur Verbesserung der Speicherkapazität bei OAB sollte man die Nebenwirkungen bedenken und die jungen Patienten und Eltern diesbezüglich aufklären. Zum Einsatz von Botulinumtoxin zeigt sich bei geringer Studienlage, dass meist nur mehrmalige Botulinum-Injektionen zu einer relevanten Verbesserung führen und es nur selten zum völligen Sistieren der Beschwerden kommt.
Die monosymptomatische, primäre Enuresis zeigt eine eigene Entität mit der hohen Wahrscheinlichkeit einer genetischen Disposition sowie mehreren möglichen Ursachen wie hohe Nachtharnmengen, nächtlicher OAB und fehlender Weckbarkeit (Arousal Disorder).
Die hohe Diurese ist jedoch vermutlich ein Kofaktor und nicht der entscheidende Verursacher einer Enuresis.
Auch die Therapie der Enuresis erfolgt zunächst konservativ und erst bei Versagen mittels Pharmakotherapie:
Bei der Diagnose sekundäre Enuresis (mehr als 6 Monate andauernde trockene Phase und dann erneutes Einnässen) sollte man vor allem auf verstärkende Faktoren wie Harnwegsinfekte, aber auch psychogene Ursachen achten und dementsprechend die Therapie festsetzen.
Literatur:
Weiterführende Literatur: