Neue Anwendungen in ELGA

Die Geschäftsführer:innen der ELGA GmbH, Dr. Stefan Sabutsch und Dr.in Edith Bulant-Wodak

Welche weiteren Schritte sind in Sachen ELGA in Zukunft geplant?
Sabutsch: Es gibt mehrere Schritte, die wir machen müssen, um die Vollständigkeit und Nutzung zu stärken. Wir haben etwa noch nicht alle Gesundheitsdiensteanbieter an Bord – Wahlärzt:innen, Pflegeheime oder private Krankenanstalten. Auch bestehende Anwendungen wie den E-Befund wollen wir ausbauen und neue Anwendungen in Einsatz bringen. Derzeit arbeiten wir am Austausch von Ambulanzbefunden, das passiert erst kleinflächig – in drei Regionen. Hier sind die Krankenanstalten gefragt, denn die Bereitstellung erfolgt freiwillig. Auch wollen wir Bilddaten über ELGA verfügbar machen. Dazu gibt es derzeit fünf Pilotprojekte in Österreich, 2024 soll breiter ausgerollt werden. Auch eine Impfpass-App ist in Planung. Dazu planen wir weitere Projekte wie Labordaten, ambulante Diagnosen, Patientenverfügungen, den Eltern-Kind-Pass und die Anbindung an den europäischen Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space, EHDS).
Bulant-Wodak: Was derzeit noch in ELGA fehlt, sind Daten aus dem niedergelassenen Bereich. Derzeit verwenden nur Kassenärzten:innen die E-Medikation. Hier sind wir auf einem Weg in Richtung Diagnosendokumentation, wo man mit strukturierten Daten gut weiterarbeiten kann, damit alle ein umfassendes Bild haben.

„Es braucht ein gemeinsames Verständnis unserer Systempartner und der Finanziers, wie das System wie Digitalisierung bewerkstelligt werden soll.“
Dr. Stefan Sabutsch

Ein umfassendes Bild zu haben war gerade während der Pandemie ein Problem. Daten standen spät oder lückenhaft zur Verfügung. Warum?
Bulant-Wodak: Die Pandemie hat einiges an Rückenwind für ELGA und digitale Vernetzung gebracht. Wir nehmen Vorbehalte von früher jetzt nicht mehr so wahr. Auch Systempartner sehen ELGA als Mehrwert und fordern deshalb auch mehr an Funktionen. Wir haben viele Daten in Österreich. Die Ziele müssen sein: schneller, besser und leichter bedienbar. Was fehlt, ist eine neutrale Stelle, welche die Daten anonymisiert, zusammenführt und auswertet. ELGA könnte hier helfen. Es wurde erkannt, dass es so eine Stelle braucht. Gespräche gibt es aber momentan nicht.

Welche Schritte braucht es im österreichischen Gesundheitssystem in Sachen Digitalisierung?
Sabutsch: Es braucht ein gemeinsames Verständnis unserer Systempartner und der Finanziers, wie das System wie Digitalisierung bewerkstelligt werden soll. Und dann braucht es eine zentrale IT-Infrastruktur und eine rechtliche Basis dafür. Vieles davon sehen wir noch nicht umgesetzt.
Bulant-Wodak: Die Bereitschaft ist da, die konkrete Vorstellung, wann was zu tun ist, fehlt aber noch. Der Finanzausgleich bietet die Möglichkeit, Pflöcke einzuschlagen. Wir haben viele Daten, aber mit unterschiedlicher Qualität und zu unterschiedlicher Zeit. Es gibt keine neutrale Stelle, die auch Daten verwerten kann.

Welches Potenzial sehen Sie für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), und wo liegen jetzt noch die Hürden im Markt?
Bulant-Wodak: Wir müssen uns dem stellen. Das ist eine Entwicklung, die passieren wird – entweder sind wir aufgeschlossen, dann spielen wir mit, oder es passiert ohne uns. Die nächsten Generationen werden den Einsatz digitaler Angebote fordern und verwenden.
Sabutsch: Derzeit hängt der Einsatz vor allem von Krankheitsbildern ab. Bei manchen funktionieren DiGAs, bei anderen wiederum nicht. Das sieht man derzeit bereits in Deutschland.
Bulant-Wodak: Es braucht ja nicht nur die Finanzierung der Entwicklung, sondern auch die Finanzierung der Benützung. Und da stehen wir ganz am Anfang.
Sabutsch: Die Frage ist, was man mit einer App tut. Dafür braucht es eine zentrale Kommunikation.
Bulant-Wodak: Das muss zentral in ELGA zusammenfließen – und das qualitätsgesichert.

Blicken wir noch einmal zurück: ELGA sollte ein großes Einsparungspotenzial mit sich bringen. Können Sie das, zehn Jahre nach dem offiziellen Start, noch unterschreiben?
Sabutsch: Auf jeden Fall. In unserem Finanzierungssystem ist das aber schwer zu beziffern. Wenn sich beispielsweise die Länder über die Spitäler etwas sparen, heißt das nicht, dass das auch im niedergelassenen Bereich passiert. Wir haben hier leider keine verlässlichen Zahlen. Ich kenne Schätzungen, die besagen, dass ein Jahr Vollbetrieb der E-Medikation die Errichtungskosten von ELGA über Vermeidung von Doppelmedikation und Wechselwirkungen sowie deren Folgen einspielt.
Bulant-Wodak: Einsparungen betreffen vor allem die Vermeidung von Mehrfachbehandlungen und Verschreibungen. ELGA soll Ärzt:innen dabei unterstützen, einen umfassenden Überblick zu behalten.

„Die Pandemie hat einiges an Rückenwind für ELGA und digitale Vernetzung gebracht.“
Dr.in Edith Bulant-Wodak

Österreich war mit dem Start der ELGA international früh dran, zuletzt haben aber Expert:innen kritisiert, dass Österreich in Sachen Digitalisierung ins Hintertreffen gerät. Wie sehen Sie das?
Sabutsch: Es ist durchwachsen. Wir sind grundsätzlich gut digitalisiert, ein großer Teil der Ordinationen und Krankenanstalten arbeitet voll oder zum Großteil digital. Wo wir besser werden müssen, ist die Vernetzung, das ist aber eine Steuerungsaufgabe.
Bulant-Wodak: Aufholbedarf gibt es außerdem im Bereich Datennutzung. Hier müssen wir besser kommunizieren und aufklären. Datenschutz ist oberste Priorität, aber in den skandinavischen Ländern zum Beispiel ist der Zugang zu Daten ein anderer, dort ist das Vertrauen groß. Da haben wir hier noch viel zu tun. Und auch die Kosten spielen mit. Technisch sind wir bereit, aber es braucht wie gesagt die gesetzliche Grundlage sowie das Commitment aller Stakeholder, also des Bundes, der Länder, der Sozialversicherung und der Standesvertretungen.