Hoffentlich am Einlauf für die Zielgerade: Die Ärztegesetz-Novelle, mit der die „Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin“ und zum Facharzt auf eine neue Basis gestellt werden soll. Lehrpraxis, Änderungen in den Ausbildungsinhalten und auch neue Facharztsparten sollen für die Zukunft so gestaltet werden, dass sie modernen Anforderungen gerecht werden. Die Ärzte Krone hörte sich nach dem Ende der Begutachtungsfrist des Gesetzesentwurfes um.
Zufrieden äußerte sich die neue Gesundheitsministerin, Dr. Sabine Oberhauser, MAS: „Es geht um die Modernisierung der Ausbildung, die Attraktivierung des Arztberufes und damit einhergehend um Qualitätsverbesserung bei der Gesundheitsversorgung. Das kommt sowohl den Ärzten als auch den Patienten zugute.“
Etwas vorsichtiger ist der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Dr. Artur Wechselberger: „In großen Zügen entspricht der Entwurf den Vorstellungen der Österreichischen Ärztekammer. Ein paar Dinge, die wir geändert haben wollen, sind aber schon anzumerken.“ Man werde jedenfalls nicht lockerlassen bei den wichtigen Forderungen. „Wir haben in der Kammer eine Beschlusslage, welche die Schaffung eines ‚Facharztes für Allgemeinmedizin‘ vorsieht, ebenso zwölf Monate Lehrpraxis, die jetzt nur in einem mehrstufigen Ablauf erreicht werden sollen.“
Darüber hinaus riskiere man durch die vorgesehene Möglichkeit der Verlagerung eines Teils der praktischen Ausbildung (ein halbes Jahr) in „Lehrambulatorien“ oder Ambulanzen eine bloße Verlängerung der Turnusausbildung. Schließlich, so der ÖÄK-Präsident: „Trotz unserer massiven Forderung findet sich in dem Gesetz nichts über die Finanzierung der Lehrpraxis.“
Und so soll es bei den zukünftigen Allgemeinmedizinern laufen: Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin von mindestens 36 Monaten (neun Monate Basisausbildung, praktische Ausbildung, Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin). Dann kommt die Lehrpraxis im Mindestumfang von sechs Monaten, d.h. insgesamt 42 Monate.
Die „Ausbildung zum Facharzt“: Gesamtdauer von zumindest 72 Monaten (mindestens neun Monate Basisausbildung, dann 15 Monate praktische Sonderfach-Grundausbildung und 27 Monate Sonderfach-Schwerpunktausbildung sowie Facharztprüfung).
Das Prinzip dabei, so die Ministerin: „Die Ausbildung der Ärzte muss den modernen Anforderungen gerecht werden. Diese Ausbildung beinhaltet daher eine Basisausbildung mit dem Fokus auf die laut WHO 15 häufigsten Erkrankungen und die Beherrschung von Notfällen. Diese Basisausbildung durchlaufen alle Mediziner, danach erst erfolgt die Entscheidung für eine Facharztausbildung oder die Ausbildung zum Allgemeinmediziner.“
Zunächst von strategisch wichtiger Bedeutung ist die Turnusausbildung insgesamt. Dr. Thomas Holzgruber, Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Wien: „Wenn man Umfragen unter Turnusärzten macht, dann ist immer die Forderung nach optimaler Qualität der Turnusausbildung an der Spitze. Das sehen die zukünftigen Ärzte als ‚Versicherung‘ für ihr bevorstehendes Berufsleben.“
Oberhauser betrachtet die Ausbildungsreform auch als Mittel, um den Arztberuf aufzuwerten: „Durch die Reform wird die Qualität der Ausbildung auf internationalen Standard gehoben. Auch die verpflichtende Lehrpraxis für Allgemeinmediziner ist ein Meilenstein, der schon lange von jungen Ärzten gefordert wird.“ So sollen Krankenanstalten bzw. Abteilungen, an denen die Turnusausbildung erfolgt, ein „schriftliches Ausbildungskonzept“ erstellen, Verantwortliche benennen und jeweils für sieben Jahre von der ÖÄK als Ausbildungsstätte anerkannt werden; danach muss neuerlich angesucht werden.
Ein heißes Eisen sind die Dienstzeiten. Es ist eine „Kernarbeitszeit“ während der Turnusarztausbildung von 35 Wochenstunden (bisher 25) an den Arbeitstagen der Woche vorgesehen. Hier wollen die Bundesländer als Spitalserhalter die „Kernarbeitszeit“ offenbar ausdehnen. Holzgruber: „Dazu laufen politische Gespräche.“ Hier geht es darum, zu welchen Tageszeiten der Turnusdienst abzuleisten ist. Die Spitalserhalter wollen möglichst lange Zeitfenster (z.B. auch vom Nachmittag bis in die Nachtstunden).
Wechselberger warnt: „Eine Ausbildung hat wohl nur Sinn, wenn sie dann erfolgt, wenn die erfahrenen Oberärzte da sind.“ Allein gelassen auf der Abteilung – das soll nicht das Schicksal der künftigen Turnusärzte sein.
Für Lehrpraxen muss der jeweilige Allgemeinmediziner oder Facharzt die notwendige „Berufserfahrung und Patientenfrequenz“ aufweisen, die erforderlichen Kenntnisse haben und ebenfalls einem schriftlichen Ausbildungskonzept folgen. In einer Lehrpraxis darf jeweils nur ein Arzt ausgebildet sein. Die Kernarbeitszeit beträgt 30 Stunden pro Woche „untertags, jedenfalls die Ordinationszeiten“. Die ÖÄK wird ein Register der Lehrpraxisinhaber führen. Für Lehrgruppenpraxen gelten zum Teil eigene Regelungen.
Klar, so Holzgruber: „Die Einführung der Lehrpraxis als uralte Forderung der Ärztekammer ist der größte Erfolg. Aber da muss noch die Finanzierung geklärt werden. Niedergelassene Allgemeinmediziner können die Gehälter nicht zahlen. Das schaffen sie nicht.“
Die Gesundheitsministerin dazu: „Die praktische Ausbildung in den Lehrpraxen ist ein sehr wichtiger Teil der Ausbildung zum Allgemeinmediziner. In der Praxis werden viele Dinge erlernt, die im Krankenhausbetrieb nicht vermittelt werden können. Das gibt Sicherheit und damit wird auch die Qualität in der Patientenversorgung verbessert.“ Das Ministerium wende derzeit rund 800.000 Euro im Jahr auf. Es sei wünschenswert und sinnvoll, wenn sich auch andere Partner im Gesundheitswesen beteiligten.
Hier könnte eventuell eine Regelung wie bei dem Vorarlberger Modell, das seit1. Juli läuft, ein Beispiel sein: Die Lehrpraktikanten bleiben im Anstellungsverhältnis mit dem Krankenhaus, sie arbeiten vier Tage bei einem niedergelassenen Allgemeinmediziner, der Rest der Dienstzeit (z.B. Nachtdienste) wird im Spital abgeleistet. Die Bezahlung wird zwischen Land, Bund, Gebietskrankenkasse, Ärztekammer und Lehrpraxisinhabern aufgeteilt.
Gerade hier betont die neue Ressortchefin den Umstand, dass der Bund an der Schaffung dieses Projekts beteiligt gewesen sei: „Dieses Modell wurde von meinem Ressort gemeinsam mit dem Land Vorarlberg und der Vorarlberger Gebietskrankenkasse ausgearbeitet und finanziert. Es kann aber durchaus auch noch andere Modelle geben, da muss man kreativ sein.“
Die Zeit drängt. Jetzt wird eine Regierungsvorlage erstellt, sie kommt ins Parlament und in den Gesundheitsausschuss. Schon Anfang November könnte eine Beschlussfassung im Nationalrat erfolgen. Mit 1. Juli 2015 soll die Novelle in Kraft treten.
Parallel dazu wird die ÖÄK die Ausbildungsinhalte und Lernziele für die Turnusärzte festlegen. Hier sind die Fachgesellschaften der einzelnen Disziplinen gefordert. Ein Beispiel: Neurologie, Psychiatrie und Orthopädie sollen in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner verstärkt verankert werden.
Doch mit der Ärztegesetznovelle kommen auch neue Facharzttitel, Fachgebiete sollen zum Teil neu definiert werden. Holzgruber: „Absehbar ist, dass in Zukunft Orthopädie und Unfallchirurgie zu einem Fachgebiet für Orthopädie und Traumatologie zusammen geführt werden.“
Auf der anderen Seite soll es in Zukunft zum Beispiel Fachärzte für Allgemeine Innere Medizin, für Innere Medizin/Kardiologie, Innere Medizin/Gastroenterologie sowie Innere Medizin/Nephrologie oder Rheumatologie geben.
Die Ministerin ist jedenfalls bezüglich des Zeitplans einigermaßen zuversichtlich: „Es gilt, den parlamentarischen Prozess abzuwarten, keinesfalls wollen wir übereilte Entscheidungen treffen. Ich denke aber, dass wir den Fahrplan einhalten können.“ Fragen, die sich aus der Begutachtung des Entwurfes ergeben haben, müssten gemeinsam mit den Partnern gelöst werden.