Neue Entwicklungen in der Melanomtherapie

Zwei große Gruppen an Therapeutika haben die Therapie des metastasierten bzw. inoperablen Melanoms in den letzten 12 Jahren grundlegend verändert: einerseits die Immuntherapien (CTLA4-, PD-1- und LAG3-Antikörper) bei allen Patient:innen und andererseits die zielgerichteten Therapien (BRAF- und MEK-Inhibitoren) speziell bei BRAF-mutierten Tumoren. Diese Therapien werden aktuell auch vermehrt in primär kurativen Behandlungsansätzen in niedrigeren Tumorstadien eingesetzt.

Fortgeschrittenes metastasiertes oder inoperables Melanom

Immuntherapien

Als erstes „modernes Therapeutikum“ konnte 2011 Ipilimumab (CTLA-4-Antikörper) im Stadium IV eine signifikante Gesamtüberlebens-Verbesserung vs. Standardchemo zeigen. Bereits 2015 wurden die deutlich besser wirksamen und nebenwirkungsärmeren PD-1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab in Europa zugelassen.

Kurz danach zeigte in der CheckMate-067-Studie die Kombination von Ipilimumab und Nivolumab vs. die jeweiligen Monotherapien eine deutlich bessere Ansprechrate (beinahe 60 %), jedoch auch signifikant erhöhte Raten an höhergradigen Nebenwirkungen (ebenso fast 60 % > Grad 3). Nebenwirkungen sind bei Immuntherapien häufig, insbesondere immunvermittelte Dermatitis, Thyreoiditis, Diarrhö/Kolitis, Hepatitis, Pneumonitis, Hypophysitis und Arthritis.

Bekräftigt durch die überzeugenden Überlebensdaten (im 7,5-Jahres-Update 55 % vs. 47 % [Ipilimumab mono] und 26 % [Nivolumab mono]) ist die Kombination weiterhin die bevorzugte Erstlinientherapie bei fortgeschrittenen Melanomen. Seit Herbst 2022 steht nun auch eine zweite Kombinationstherapie bei fortgeschrittenem PD-L1-negativem Melanom in der Erstlinie zur Verfügung: Unter der Kombination aus Nivolumab und dem LAG-3-Antikörper Relatlimab betrug das PFS nach 12 Monaten 47,7 % versus 36 % unter Nivolumab-Monotherapie. Bemerkenswert ist, dass die Grad-3/4-Nebenwirkungsrate der neuen Kombinationstherapie bei nur etwa 19 % lag und somit deutlich niedriger als jene der Nivolumab-Ipilimumab-Kombination.

„Das fortgeschrittene Melanom ist durch den Einsatz ,moderner‘ Therapien bei etwa der Hälfte der Patient:innen zu einer chronisch kontrollierbaren Erkrankung geworden.“

Zielgerichtete Therapie mit Proteinkinase-Inhibitoren

Die Kombinationstherapien aus BRAF- und MEK-Inhibitoren (zugelassene Substanzen: Dabrafenib + Trametinib, Encorafenib + Binimetinib und Vemurafenib + Cobimetinib) erreichen zwar beeindruckende Ansprechraten von 70–80 %, jedoch kommt es nach etwa einem Jahr bereits bei der Hälfte der Patient:innen zu Rezidiven – trotz der häufigen Resistenzentwicklungen kann bei etwa 20 % der Patient:innen ein dauerhaftes Ansprechen erzielt werden. Zielgerichtete Therapien werden beim fortgeschrittenen Melanom – außer in Einzelfällen wie z. B. bei symptomatischen Hirnmetastasen oder unkontrollierbaren tumorbedingten Schmerzen – in der Regel als Zweitlinientherapie bei BRAF-positiven Tumoren eingesetzt, da die Immuntherapien unabhängig vom Mutationsstatus eine deutliche Überlegenheit als Erstlinientherapeutika in puncto langfristige Krankheitskontrolle zeigen.

Adjuvante Therapie

Mittels adjuvanter Therapie kann das Rückfallrisiko beim komplett resezierten Melanom signifikant gesenkt werden. Lange Zeit (1999–2018) war Interferon das einzig zugelassene Medikament für die adjuvante Therapie beim Melanom in Europa.

Nach Komplettresektion von Metastasen

Erst 2017 wurden in Europa die ersten Studienergebnisse zur adjuvanten Therapie mit den PD1-Antikörpern Nivolumab und Pembrolizumab und der BRAF/MEK-Inhibitor-Kombination Dabrafenib plus Trametinib veröffentlicht. Durch den Einsatz dieser Therapeutika über ein Jahr bei komplett reseziertem Stadium III (Lymphknotenmetastasierung) bzw. (bei Nivolumab) auch Stadium IV (vollständig resezierte Fernmetastasen) konnte das Rezidivrisiko um 44–49 % gesenkt werden. Somit wurden diese Medikamente seit der Zulassung 2018 zum neuen Therapiestandard nach Komplettresektion von Metastasen.

Stadien IIB, IIC und III

Auch im Stadium IIB und IIC (Tumordicke > 4 mm und/oder exulzerierter Primärtumor ohne Metastasierung des Wächterlymphknotens) besteht ein ca. 40–60%iges Rezidivrisiko. Nachdem Pembrolizumab nach 18 Monaten vs. Placebo eine signifikante Reduktion des Rezidivrisikos von 39 % zeigen konnte, erfolgte im Sommer 2022 die EMA-Zulassung im Stadium IIB/C. Auch für Nivolumab adjuvant (nach ersten Daten der CheckMate-76K-Studie signifikante Reduktion des Rezidivrisikos vs. Placebo von 58 %) wird in Kürze eine Zulassung im Stadium IIB/IIC erwartet.Aufgrund der mit dem Stadium III vergleichbaren Wirksamkeit der PD-1-Antikörper sollte nunmehr auch allen Patient:innen im Stadium IIB/IIC eine adjuvante Therapie angeboten werden. Eine ausführliche Aufklärung und Nutzen-Risiko-Abwägung sind jedoch gerade in diesem Stadium entscheidend, da auch ohne adjuvante Therapie der Anteil an rezidivfreien Patient:innen deutlich größer ist als bei höheren Tumorstadien.

Neoadjuvante Therapie

In der bisher aussagekräftigsten und Practice-changing-Studie SWOG-1801 zur neoadjuvanten Therapie (vor OP von klinisch oder radiologisch festgestellten Metastasen) wurde die klassische adjuvante Immuntherapie (18 Zyklen Pembrolizumab) mit einem neoadjuvanten Ansatz (3 Zyklen Pembrolizumab vor Makrometastasen-Resektion, gefolgt von 15 postoperativen Zyklen) verglichen. Nach den 2022 vorgestellten Daten zeigte sich bei identer Verträglichkeit im neoadjuvanten Therapiearm nach 24 Monaten ein signifikant höheres ereignisfreies Überleben von 72 vs. 49 % im adjuvanten Arm.

Obwohl es noch keine explizite Zulassung für diese und andere neoadjuvante Therapien gibt, scheint es kaum zu rechtfertigen, Patient:innen diesen alternativen Therapieansatz mit Pembrolizumab vorzuenthalten.