Dr. Sabine Oberhauser, MAS, gilt als profunde Kennerin unseres Gesundheitswesens. Seit 1. 9. 2014 ist sie Nachfolgerin von Alois Stöger. Zu ihren vorrangigsten Zielen in ihrer Amtszeit befragt meint die ausgebildete Pädiaterin: „Als Gesundheitsministerin werde ich alles daransetzen, die hervorragende medizinische Versorgung für die Zukunft zu erhalten und gezielt weiterzuentwickeln. Ein Metaziel ist für mich die Aufrechterhaltung eines solidarischen Gesundheitswesens. Es darf in Österreich am Eingang der Klinik nie die Kreditkarte entscheiden, ob und wie jemand behandelt wird oder nicht. Ein weiteres wichtiges Ziel ist, im Sinne einer Verhaltens- und Verhältnisprävention aus den gesunden Kindern von heute die gesunden Erwachsenen von morgen zu machen. Wir werden in der Frage der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger im Kindergarten anfangen müssen, die Eigenkompetenz zu stärken. Es soll in der Gesundheitspolitik nicht nur um Reparaturmedizin, sondern um Gesundheitsförderung, Gesundheitserhaltung und Prävention gehen. Gesundheitsfragen müssen in unserer Gesellschaft stärker verankert und von den Schulen über die Betriebe bis hin zu den Gemeinden präsent sein. Im Mittelpunkt meiner Interessen werden stets der Patient und die Patientin sein.“
Oberhauser kennt das österreichische Gesundheitswesen aus den verschiedensten Perspektiven – von der Stationsgehilfin im Studium über die Studentin bis hin zur Turnusärztin und letztendlich in der Politik. Und sie weiß, was für die Patienten vorrangig ist: Zeit. „Wir müssen das System so aufstellen, dass Ärzten und Ärztinnen für den Patienten bzw. die Patientin möglichst viel Zeit bleibt. Die Frage ist: Wie kann ich den Faktor Zeit mehr in die Behandlung einbringen.“ Hierzu müsse überarbeitet werden, welche Tätigkeiten von wem gemacht werden.
Eine der schwierigen Aufgaben, die der neuen Gesundheitsministerin im Rahmen der Gesundheitsreform bevorstehen, sind die Verhandlungen mit/unter den Stakeholdern – Bund, Länder, Krankenkassen. Oberhauser möchte in diesem Zusammenhang als Moderatorin fungieren, denn „die meisten meiner Partnerinnen und Partner kenne ich seit Langem, und sie wissen, dass ich eine harte, aber faire Verhandlerin bin“.
Der nächste Schritt der Gesundheitsreform ist die legistische Umsetzung der Beschlüsse. „Wir müssen uns die Struktur der Primärversorgung genau ansehen und wie die Menschen am besten wohnortnahe versorgt werden können. Viele Ärztinnen und Ärzte gehen nicht in die Niederlassung, weil sie nicht alleine und auf sich gestellt arbeiten möchten. Hier geht es darum, diese Tätigkeit attraktiv zu gestalten und da müssen wir auch mit den betreffenden Stakeholdern verhandeln.“ Je nach Region und vorhandenen Versorgungsstrukturen müsse man den Best Point of Service definieren. „Das ist auch eine Frage der Erreichbarkeit der Ärzte. Eine Ambulanzgebühr ‚neu‘ ist keine Methode für mich.“ Dem Projekt „Beratungstelefon“ kann Oberhauser sehr wohl etwas abgewinnen.
Bezüglich des drohenden Ärztemangels meint Oberhauser: „Ein Fakt ist, dass in den nächsten zehn Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen werden – daraus ergibt sich ein Nachholbedarf; zum anderen verlassen viele junge Menschen nach dem Studium unser Land, um im Ausland zu arbeiten. Andere wählen andere Berufszweige. Hier müssen wir auf jeden Fall nachjustieren. Natürlich spielt auch die Ausbildung eine große Rolle, deren Reform jetzt bevorsteht.“ Zum Thema Finanzierung der Lehrpraxis meint Oberhauser: „Es gibt ja schon verschiedene Modelle, wie z.B. in Vorarlberg mit der Finazierungsbeteiligung von Bund, Land, Gebietskrankenkasse und Ärztekammer, aber hier müssen wir mit allen Beteiligten noch diskutieren. Der Bund wird sich natürlich im Rahmen seiner Förderungsmöglichkeiten beteiligen.“
Die niedergelassenen und angestellten Ärzte könnten sich von Oberhauser „Verständnis für Sorgen und Nöte“ erwarten. Für den niedergelassen Bereich beispielsweise beim Thema Bürokratie und Dokumentation. Zur Arbeitszeitproblematik der Spitalsärzte meint sie: „Ich glaube, es ist bei vielen gar nicht so sehr der Faktor Arbeitszeit per se als viel mehr der Faktor, wie viel Dichte in diesen Stunden steckt. Demnächst wird eine Angleichung an das EU-Recht kommen“.
Zum Thema ELGA fordert Oberhauser eine möglichst hohe Datensicherheit für Patienten einerseits und eine gute Usability für Ärzte andererseits. „Es muss für Ärzte und Ärztinnen klar sein, dass ELGA einen großen Benefit hat.“ Und sie verwehrt sich dagegen, dass manche Ärzte und Ärztinnen die Patienten bzw. Patientinnen für ihre Mobilisierung gegen ELGA instrumentalisieren.
Oberhauser spricht sich gegen eine Zusammenlegung der Krankenkassen aus, „weil wir keine Zahlen haben, dass das mehr Geld bringen könnte. Worauf man schauen muss, ist aber die Frage der gleichen Leistung bei unterschiedlichen Kostenträgern. Da verstehe ich, dass sich die Menschen ärgern.“
Zu den von ihr geforderten transparenten Qualitätskontrollen in Spitälern meint Oberhauser: „Ich möchte die Qualitätssicherung in den Spitälern vorantreiben – der Patient bzw. die Patientin muss wissen, wenn er bzw. sie in ein Krankenhaus geht, wie oft dort eine spezielle Behandlung durchgeführt wird und wie oft es dabei Komplikationen gab. Diese Daten müssen natürlich umfassend interpretiert werden – handelt es sich um ein Schwerpunktkrankenhaus mit vielen Operationen an meist kränkeren Menschen oder um ein Peripheriespital etc. Dazu gibt es sehr viele Gespräche in Arbeitsgruppen, aber auch hier kommt es für mich nicht auf den Zeitpunkt der Umsetzung an, sondern auf die Qualität.“
Klar ist ihre Haltung zum Thema Rauchverbot: „Ich setze mich seit Jahren mit dem Raucherschutzgesetz intensiv auseinander. Mein Standpunkt ist: Das absolute Rauchverbot ist die pragmatischste aller Lösungen. Ich glaube, dass man das mit dem Koalitionspartner diskutieren wird müssen und zu einem guten Abschluss bringen kann. Je früher, desto besser.“ Auch bezüglich Alkoholmissbrauch, Übergewicht, Bewegungsmangel müsse man kreative Strategien entwickeln, um Erfolge in der Bevölkerung zu erzielen.
Auch die Pharmazeuten sind für Oberhauser wichtige Partner im Gesundheitswesen: „Apotheken sind ein wichtiger Player in der regionalen Versorgung und als Drehscheibe für Informationen extrem wichtig. Ich glaube, man wird bei den Öffnungszeiten nachjustieren müssen. Im Zusammenspiel zwischen Apotheken und Hausapotheken ist im Sinne einer optimalen Patientenversorgung ein gutes Zusammenspiel gefordert.“ Zur heiklen Frage des Medikationsmanagements meint sie: „Die beiden Berufsgruppen – Ärzte und Ärztinnen sowie Apotheker und Apothekerinnen – müssen weiter aufeinander zugehen. Jede soll machen, was sie am besten kann.“