Ein Forschungsteam der MedUni Wien hat ein neues maschinelles Lernmodell zur präziseren Beurteilung von Prostatakrebs entwickelt. „Dazu haben wir die Multiomics-Technologie mit Anwendungen der künstlichen Intelligenz kombiniert“, betont Studienleiter Lukas Kenner den bisher einzigartigen Ansatz. Multiomics ist eine Methode in der medizinischen Forschung, bei der verschiedene „Omics“-Datenquellen wie genetische Informationen (Genomics), bildgebende Merkmale (Radiomics) und Ergebnisse aus pathologischen Untersuchungen (Pathomics) integriert werden. Diese in ein KI-Modell eingespeiste Vielzahl an Daten stammt von 146 Patienten, die sich zwischen Mai 2014 und April 2020 einer radikalen Prostatektomie unterzogen haben. Durch die Kombination von Multiomics mit maschinellem Lernen ist ein KI-Modell entstanden, von dem sich die Forscher:innen viel versprechen: „In unserer Studie konnten wir damit die Veränderungen in der Prostata wesentlich genauer und zuverlässiger einschätzen als mit der herkömmlichen Biopsiemethode und dem Gleason-Score“, so Kenner.
So lassen sich Hochrisikopatienten, die von einer radikalen Prostatektomie profitieren, wesentlich besser identifizieren und unnötige Eingriffe bei Patienten mit geringem Risiko für eine Tumorausbreitung vermeiden. Hintergrund ist, dass eine radikale Prostatektomie bei rund 30 % der Patienten zu Harninkontinenz und bei etwa 90 % zu Erektionsstörungen führt. Ob der Eingriff indiziert ist, wird auf Basis des Gleason-Scores entschieden. Die Bestimmung dieses Wertes erfolgt in der Regel mittels Biopsie. Der Vergleich dieser Werte mit den Ergebnissen einer vollständigen Gewebeuntersuchung nach Entfernung der Prostata weist jedoch häufig Diskrepanzen auf. „Die Ergebnisse unserer Studie unterstreichen das Potenzial von maschinellem Lernen und Multiomics, die Diagnose und personalisierte Therapie von Prostatakrebs zu verbessern“, sagt Lukas Kenner. Weitere Studien zur Überprüfung der Methode sind geplant, um die klinische Anwendung voranzutreiben.