Sie ist eines der medizinischen Fächer mit dem schnellsten Wachstum. Das gestiegene Interesse geht auch auf die Fortschritte in der neurologischen Wissenschaft und Therapie zurück. Für Krankheiten wie Schlaganfall, Alzheimer-Demenz oder die Parkinson-Krankheit wird ein deutlicher Anstieg durch unsere alternde Gesellschaft in den nächsten Jahren vorhergesagt.
Schlaganfall
Fast flächendeckendes Stroke-Unit-Netzwerk in Österreich (nur Vorarlberg fehlt) mit Anstieg der kausalen Behandlung im Zeitfenster von 4,5 Stunden post onset (Thrombolyse) auf bundesweit 18% aller ischämischen Hirninfarkte
Multimodales MRI zur Frühdiagnose des ischämischen Hirninfarktes
Endovaskuläre Therapie: Devices (z.B.: Merci Trevo, Pharos, Solitaire)
Bridging-Konzept: Rekanalisation bei Verschluss von großen Gehirngefäßen durch Kombination von i.v. Thrombolyse plus anschließender endovaskulärer Intervention (Stent-Retriever)
I.v. Thrombolyse bei über 80-Jährigen ist sicher und wirksam
Neue orale Antikoagulantien (NOAK: Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban) bei Vorhofflimmern zur Verhütung von kardiogen-embolischen Schlaganfällen sind zumindest gleich gut wirksam wie Vitamin-K-Antagonisten, aber deutlich sicherer durch weniger Hirnblutungen. Viele Vorteile durch sofortige Wirkung, gute Steuerbarkeit und Wegfallen von Gerinnungskontrollen.
Epilepsie
Neue Definition von Epilepsie (2005; es genügt ein Anfall mit typischem EEG-Befund oder ein Anfall mit typischem MRI-Befund, der Rezidiv-Neigung anzeigt): Das bedeutet, dass bei Nachweis von „erhöhter epileptogener Aktivität“ bereits nach dem ersten Anfall eine medikamentöse Behandlungsempfehlung gegeben wird.
Zahlreiche neue Antiepileptika wurden in die klinische Praxis als „Add-on“ bei fokalen Epilepsien mit/ohne Generalisierung eingeführt: Lacosamid, Pregabalin, Eslicarbazepin, Retigabin, Rufinamid (orphan drug bei Lennox-Gastaut-Syndrom), Zonisamid
Neue Erkenntnisse zur Altersepilepsie (Anfallssemiologie und Therapieprinzipien anders als bei jüngeren Pat.; ein Drittel der Epilepsien beginnt jenseits des 60. Lebensjahres.)
Multiple Sklerose und autoimmunbedingte Entzündungserkrankungen des ZNS
Intensive Suche nach Biomarkern ergab eine neue Krankheit (Neuromyelitis optica, Devic-Syndrom, 2004; im Serum nachweisbarer Autoantikörper der IgG-Klasse gegen Aquaporin)
Aktualisierung der Diagnosekriterien mit Integration neuer MR-Befunde (McDonald 2001, 2005, 2011) mit dem Ziel der Frühdiagnose und konsequenten Frühtherapie
Einführung neuer Immuntherapeutika: Natalizumab (2006), Fingolimod (2011)
Neue symptomatische Therapie bei Gangstörungen durch Blockade von axonalen Kaliumkanälen: Fampridin (2011
Genomweite Assoziationsstudie zu „MS-Genen“ ergibt eindeutige Hinweise auf Autoimmungenese
Kopf- und Gesichtsschmerzen
Neue Klassifikation der primären Kopfschmerzen (IHS 2004)
Neue Definition des Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerzes („analgetikainduzierte Kopfschmerzen“, MOH = Medication overuse headache) mit Kopfschmerz über 15 Tage pro Monat und Analgetikagebrauch mehr als zehn bis 14 Tage pro Monat: Einzig wirksame Behandlung ist der Analgetikaentzug.
SSRI und SNRI sind wirksam bei chronischem Spannungskopfschmerz (Venlafaxin, Mirtazapin)
Topiramat ist wirksam in der Basistherapie von Migräne und Spannungskopfschmerz (Tagesdosis 25–100 mg)
Botulinumtoxin intramuskulär zugelassen zur Behandlung der chronischen Migräne (2011)
Parkinson-Syndrom
Duodopa-Pumpe (2005): intrajejunale Applikation einesL-Dopa-Gels, indiziert bei fortgeschrittenen Stadien des Morbus Parkinson mit ausgeprägten Wirkfluktuationen
Tiefe Hirnstimulation DBS: indiziert bei fortgeschrittenen Parkinson-Syndromen mit ausgeprägten Wirkungsfluktuationen, beeinflusst je nach Stimulationsort alle Kernsymptome (Rigor, Tremor, Akinese) der Parkinson-Erkrankung
Retardformen der Non-Ergot-Dopaminagonisten (Ropinirol, Pramipexol)
Transdermale Applikationsform von Non-Ergot-Dopaminagonisten (Rotigotin-Pflaster)
Einführung von COMT-Inhibitoren (2005): Tolcapon, Entacapon. Sie führen in Kombination mit L-Dopa und peripheren Decarboxylase-Hemmer (Stalevo®) zur verlängerten Wirkdauer oral zugeführten L-Dopas.
MAO-B-Inhibitor, Rasagilin (Azilect®, 2005): Es verlängert die Wirkung von endogenem Dopamin im synaptischen Spalt des nigrostriatalen dopaminergen Systems, weiters Hinweise auf neuroprotektive Wirkung (Adagio-Studie)
Rivastigmin bei Parkinson-Demenz indiziert zur Verbesserung von Gedächtnis und kognitiven Funktionen. Nichtmotorische Symptome der Parkinson-Erkrankung im Sinne von Frühsymptomen vor den motorischen: RBD – rem sleep behaviour disorder, Anosmie, Obstipation.
Bewegungsstörungen
RLS: Hohe Prävalenz von Restless-Legs- Syndrom in der Bevölkerung (3–10%), Definition von klinischen Diagnosekrite-rien (2003)
RLS: Dopaminagonisten in einem Bruchteil der Dosis von Parkinson-Patienten deutlich besser wirksam als L-Dopa bei RLS (Augmentationseffekt)
Demenz
Suche nach Biomarkern für DAT: Neuronuklearmedizinisches Imaging von intrazerebralen Amyloidablagerungen (PIB = Pittsburgh compound, Florbetaben, andere Radiopharmaka)
Präklinische Studien zur Immuntherapie bei DAT: Impfung, IVIG
Rivastigmin transdermale Applikation (Exelon®-Pflaster)
Memantine (Axura®, Ebixa®), Zulassung 2008 zur Behandlung von fortgeschrittenen Demenzen, Wirkung auf Kognition und Verhalten
Neue Klassifikation bzw. Diagnosekriterien für Demenzen (2011)
Neuromuskoläre Erkrankungen
Neuropathischer Schmerz bei Polyneuropathie: Pregabalin, Duloxetin
Myasthenia gravis: multiple Antigene, daher auch seronegative Myasthenie möglich (z.B. Musk-, Titin-Antikörper)
Neue Diagnosemöglichkeiten für „Small fiber Neuropathy“: QST (quantitativ sensorische Testung), Hautinnervation
Neuroonkologie
Genetische Marker hochgradiger Gliome als Prädiktoren für das Ansprechen auf die Therapie (MGMT Methylierungsstatus)
Off-Label-Einsatz von Angiogeneseinhibitoren bei Glioblastom (Avastin®)
Kombination von Radiatio und Chemotherapie sichert längeres progressionsfreies Überleben bei Glioblastom-Patienten (Stupp et al. 2005)
Neu Erkrankungen in der Neurologie
Devic-Syndrom als „Neuromyelitis optica“ (2004)
Autoimmunenzephalopathien (2005)
Ausblick
Ausbau des endovaskulären Stroke-Management in Analogie zur Behandlung des akuten Herzinfarktes, neue Antiepileptika: z.B: Perampanel (AMPA-Blocker)
Neue MS-Therapeutika (Laquinimod, Teriflunomid, Fumarat, Alemtuzumab, Ocrelizumab, Daclizumab)
Morbus Parkinson: Suche nach präklinischen Biomarkern
DAT: Suche nach präklinischen Biomarkern, For
tschritte in der Immuntherapie – Durchführung von Phase-III-Studien
Hirntumoren: Targeted molecular therapy (beispielsweise Einsatz von Inhibitoren des endothelialen Wachstums – Bevacizumab).