Die COVID-19-Pandemie dominiert seit dem Frühjahr 2020 das soziale Leben in jeder Hinsicht. Das Verbot sozialer Kontakte während eines Lockdowns müsste an sich auch eine verminderte Verbreitung anderer Infektionskrankheiten, wie z. B. Sexually Transmitted Infections (STI), nach sich ziehen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es für die Menschen dauerhaft keine Option ist, auf sexuelle Kontakte zu verzichten. Darüber hinaus hat die Reduktion der medizinischen Versorgung oder die Scheu, diese in Anspruch zu nehmen, zu verzögerter Diagnose und Therapie geführt. Ein Anstieg diagnostizierter STI spätestens nach Beendigung diverser Lockdown-Maßnahmen wird in Expertenkreisen erwartet.
Die Anzahl der Syphilisinfektionen nahm in Österreich in den letzten Jahren kontinuierlich zu.
Auch das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) verzeichnet seit 2011 einen steigenden Trend an Syphilisfällen in Europa; speziell bei Men who have Sex with Men (MSM).
Aber auch im heterosexuellen Milieu können zunehmende Zahlen beobachtet werden, gefolgt vom Wiederauftreten der gefürchteten konnatalen Syphilis. Bestrebungen, in Österreich das Syphilis-Screening im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen aufzugeben, wären in Anbetracht dieser Zahlen fatal. Erfreulicherweise konnte dies bisher verhindert werden.
Therapeutisch ist für die Syphilisinfektion nach wie vor Benzathin-Penicillin das Mittel der Wahl (siehe Leitlinien der Österreichischen Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie [ÖGSTD]).
In den letzten Jahren lässt sich weltweit eine deutliche Zunahme der Zahl von mit Gonokokken Infizierten beobachten. Die Übertragung der Gonorrhö erfolgt bei jeder Art von ungeschütztem vagininalen oder analen Geschlechtsverkehr; da eine Infektion des Rachenraumes in aller Regel keinerlei Beschwerden verursacht, ist auch der Oralverkehr als besonders wichtiger und oftmals unterschätzter Übertragungsweg zu beachten.
Die Diagnose einer Gonokokkeninfektion stützt sich auf die drei Säulen Gram-Färbung (als Point of Care [POC]-Test), Kultur (mit dem Vorteil der Möglichkeit einer Resistenzbestimmung) und Amplifizierungsverfahren (mit der größten Sensitivität, auch aus extragenitalen Proben).Im Laufe der Jahrzehnte musste die routinemäßige Antibiotikatherapie der Gonorrhö immer wieder verändert werden, da es den Bakterien gelang, Resistenzen gegen diverse Antibiotika zu entwickeln. In den letzten Jahren häufen sich wissenschaftliche Berichte über Gonokokken, die unempfindlich gegen nahezu alle derzeit verwendeten Antibiotika sind. Die Gefahr des Auftauchens eines unbehandelbaren Super-Gonokokkus wird bereits diskutiert.
Derzeit ist die Infektion mit den in den Leitlinien der ÖGSTD empfohlenen Antibiotika meist gut zu behandeln. Eine weitere Überwachung der Resistenzsituation mittels sorgfältiger Diagnostik und Resistenzbestimmung ist jedoch unverzichtbar.
Laut Daten der Pilzambulatorien Wien können bei etwa 3–5 % der Patienten Chlamydien nachgewiesen werden. In der Gruppe der jungen sexuell aktiven Personen sind bis zu zwei von zwanzig mit Chlamydien infiziert. Sehr häufig handelt es sich dabei um einen Zufallsbefund, denn beim Großteil der Frauen und einem Teil der Männer verläuft die Infektion gänzlich ohne Symptome. Oft wird die Diagnose dann erst beim Auftreten der Spätfolgen wie Adnexitis, Gelenkbeschwerden oder unerfülltem Kinderwunsch gestellt. Extragenitale Chlamydieninfektionen im Oral- sowie Rektalbereich verursachen meist keine Beschwerden und werden bei bis zu 90 % der Fälle übersehen, wenn nicht explizit danach gefahndet wird.
Die moderne Diagnostik erfolgt durch Direktnachweis mittels Amplifizierungsverfahrens. Die Chlamydienserologie ist hochgradig unspezifisch und eignet sich nicht zur Diagnose einer aktuellen Chlamydieninfektion.
Für längere Zeit wurde Azithromycin 1 g „single dose“ als First-Line-Therapie einer unkomplizierten genitalen Chlamydieninfektion empfohlen. Mehrere Studien belegen nun die leichte Überlegenheit von 2-mal 100 mg Doxycyclin. Vor allem bei Infektionen im Extragenitalbereich ist diese Behandlung vorzuziehen. Eine gleichzeitige okkulte Infektion mit Mycoplasma genitalium (siehe unten) birgt die Gefahr einer Resistenzentwicklung des Keimes gegen Azithromycin, dementsprechend wird das Medikament nicht mehr zur empirischen einzeitigen Therapie der Urethritis empfohlen.
M. genitalium wird sexuell übertragen und kann bei Männern und Frauen Urethritis verursachen, assoziiert mit mukopurulentem Ausfluss und Dysurie. Auch eine Assoziation mit Cervicitis und Pelvic Inflammatory Disease (PID) inklusive Endometritis und Salpingitis bei Frauen wurde nachgewiesen. Die Prävalenz von M. genitalium liegt bei etwa 4–5 %. Seit einiger Zeit steht ein Amplifizierungsverfahren zur Routinediagnostik des Keimes aus Abstrichpräparaten zur Verfügung.
Eine Doxycyclin-Therapie führt nur in etwa 17–37 % der Fälle zur Eradikation des Erregers. Aber auch Makrolidresistenz konnte bei einem hohen Prozentsatz von mit Azithromycin vorbehandelter Patienten nachgewiesen werden. In Therapieleitlinien wird derzeit die Gabe von 500 mg Azithromycin als Einzeldosis, gefolgt von 250 mg pro Tag für vier Tage zur Behandlung einer Infektion mit M. genitalium empfohlen. Bei Therapieversagen oder bei mit Azithromycin vorbehandelten Patienten sollte Moxifloxacin 400 mg pro Tag für 10–14 Tage erwogen werden.
Zur empirischen Therapie urogenitaler Infektionen wird häufig 1 g Azithromycin als Einzeldosis eingesetzt. Dies könnte zu einem Anstieg der Resistenzen nicht nur bei M. genitalium führen und ist daher sehr kritisch zu hinterfragen. Eine sorgfältige ätiologische Abklärung der Infektionsursache ist zur korrekten Therapieplanung unerlässlich.
Die Erstinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV 1 oder HSV 2) kann charakteristische Effloreszenzen an der Eintritts-pforte mit oder ohne systemische Symptome verursachen oder gänzlich asymptomatisch verlaufen. Das Virus verbleibt latent im lokalen sensorischen Ganglion. Reaktivierung führt zu symptomatischen Rezidiven oder zu asymptomatischer Virusausscheidung, was eine große Rolle in der Transmission der Erkrankung spielt.
In der Beratung sollten Patienten über das Übertragungsrisiko inklusive asymptomatischer Virusausscheidung und diesbezüglich mögliche, aber limitierte Wirksamkeit von Kondomen, selektiver Abstinenz und Virostatika aufgeklärt werden. Männer und Frauen müssen über die Bedeutung der Erkrankung in der Schwangerschaft informiert werden. Der insgesamt relativ geringe Krankheitswert und die hohe Prävalenz in der Bevölkerung dürfen zur Entlastung jedoch nicht unerwähnt bleiben. Die Ansteckung mit HSV kann auch in einer jahrelangen monogamen Partnerschaft durch einen asymptomatischen Partner erfolgen.
Die Therapie mit Virustatika ist bezüglich Schwere und Dauer der Episode hocheffektiv und sollte so rasch wie möglich nach Auftreten der Symptome initiiert werden; im Zweifelsfall allein aufgrund eines klinischen Verdachtes.
Therapeutische Maßnahmen bei Rezidiven richten sich nach dem Schweregrad der Symptome, der Häufigkeit der Rezidive sowie nach dem Beziehungsstatus und den Bedürfnissen der Patienten.
Epidemiologischen Studien zufolge leiden 1–2 % der sexuell aktiven Bevölkerung an spitzen Kondylomen im Genitalbereich, Ursache ist eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV), bei etwa 90 % Typ 6 oder 11. Aus der weitaus höheren HPV-Prävalenz in der Bevölkerung – das „lifetime risk“ einer genitalen HPV-Infektion beträgt etwa 80 % − kann geschlossen werden, dass die Infektion in einem hohen Prozentsatz unbemerkt verläuft. Kondome schützen teilweise, die Infektion wird durch Haut- und Schleimhautkontakt übertragen.
Bei etwa 95 % der Fälle kommt es innerhalb von zwei bis fünf Jahren zu einer Clearance der HPV-Infektion, vor allem bei jungen Frauen. Eine persistierende Infektion mit HPV-High-Risk-Typ
en (bei 70 % der Fälle HPV 16 oder 18) bedeutet das Risiko der Entwicklung einer intraepithelialen zervikalen Neoplasie (CIN 1–3) bzw. eines Zervixkarzinoms.
Seit 2016 ist der nonavalente HPV-Impfstoff (6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58) erhältlich, der Schutz vor in Summe 90 % der Fälle von Gebärmutterhalskrebs und Genitalwarzen bietet. Nach Aufnahme der sexuellen Aktivität kommt es sehr rasch zu Infektionen mit HPV. Daher sollte die primäre Zielgruppe von Impfprogrammen Mädchen und Buben im Alter von 9 bis 12 Jahren sein, um einen optimalen Schutz zu erzielen.
Zahlreiche Medienberichte stellten die Sicherheit der HPV-Impfung immer wieder in Frage. Mittlerweile kann man nicht nur auf Studiendaten von fast 50.000 Probanden zurückblicken, sondern es wurden mittlerweile über 100 Millionen Dosen weltweit ohne nennenswerte Nebenwirkungen verimpft. Die zuständigen Gesundheitsbehörden achten sehr genau auf sicherheitsrelevante Aspekte (www.fda.gov).
Österreich war eines der letzten Länder, das die HPV-Impfung gratis zur Verfügung stellte. Inzwischen hat es sich vom Schlusslicht zum international vielbeachteten Vorreiter entwickelt, denn in Österreich wird nunmehr der nonavalente HPV-Impfstoff Mädchen und Buben gratis angeboten.