In Anbetracht der zunehmenden Prävalenz von Übergewicht und Adipositas, die bereits im jungen Erwachsenenalter beginnt, sollte das Diabetes-Screening viel früher als bisher empfohlen durchgeführt werden. Ein zentraler Bestandteil eines wirksamen Screenings ist die regelmäßige Bestimmung des HbA1c-Wertes bei jeder Laboruntersuchung.
Der HbA1c-Wert ist ein hervorragender Marker, um den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 3 Monate zu bestimmen. Er bietet einen zuverlässigen Hinweis darauf, ob die Blutzuckerregulation normal ist oder bereits im Bereich von Prädiabetes oder Diabetes liegt. Angesichts der Tatsache, dass Diabetes mellitus Typ 2 oft über Jahre hinweg unerkannt bleibt, wäre es sinnvoll, den HbA1c-Wert routinemäßig bei jeder Laboruntersuchung zu bestimmen, ähnlich wie es bei Werten wie TSH, Kreatinin, Leberwerten und anderen üblichen Laborparametern der Fall ist.
Eine routinemäßige Bestimmung des HbA1c-Wertes würde helfen, Diabetes in einem sehr frühen Stadium zu erkennen – selbst bei asymptomatischen Patient:innen. Dies ist besonders wichtig, da bereits leicht erhöhte HbA1c-Werte mit einem deutlich höheren Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und dessen Komplikationen wie Neuropathie, Retinopathie, Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz und Niereninsuffizienz sowie vielem mehr verbunden sind.
Während Diabetes in der Regel als Erkrankung des mittleren und höheren Lebensalters angesehen wird, zeigen immer mehr Studien, dass Übergewicht und Adipositas bereits bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen weit verbreitet sind. Diese Risikofaktoren führen dazu, dass der Blutzucker und die Insulinsensitivität schon in jungen Jahren beeinträchtigt werden können. Daher ist es sinnvoll, ein Screening auf Typ-2-Diabetes bereits ab 18 Jahren zu beginnen, um frühzeitig intervenieren zu können.
Besonders problematisch ist, dass es keinen klaren Schwellenwert für den HbA1c-Wert gibt, ab dem Schäden durch erhöhte Blutzuckerwerte auftreten. Bereits bei einem HbA1c-Wert von 5,7 % steigt das Risiko für Diabetes und seine Komplikationen deutlich an. Die Bezeichnung „Prädiabetes“ für HbA1c-Werte zwischen 5,7 % und 6,4 % ist oft irreführend, da 32 % der Menschen in diesem Bereich bereits einen manifesten Diabetes haben.
Viele Menschen mit leicht erhöhten HbA1c-Werten zeigen bereits eine gestörte Blutzuckerregulation, und jede Erhöhung des HbA1c-Wertes geht mit einem deutlich höheren Risiko für Folgeerkrankungen einher. Daraus folgt, dass bei einem HbA1c-Wert im Bereich von 5,7–6,4 % ein oraler Glukosetoleranztest (OGTT) durchzuführen ist.
Der Begriff „Prädiabetes“ ist zwar gebräuchlich, doch sollte man eigentlich bereits von Diabetes sprechen. Ein Vergleich zur Hypertonie verdeutlicht dies: Auch hier wird ab erhöhten Normalwerten nicht von „Prähypertonie“ gesprochen, sondern direkt von einer Hypertonie Grad 1. Die internationalen Diabetesgesellschaften verwenden inzwischen den Begriff „intermediate hyperglycemia“. Dieser mag eine bessere Alternative darstellen, wirkt jedoch ebenfalls irreführend, da er die Problematik möglicherweise verharmlost. Da die Bezeichnung „Diabetes Typ 1“ bereits belegt ist, wäre es sinnvoll, Diabetes ab einem HbA1c-Wert von 5,7 % zu definieren und in diesem Fall konsequent einen OGTT zur weiteren Abklärung durchzuführen.
In der Allgemeinbevölkerung liegt die Prävalenz von Diabetes bei etwa 8 %, doch diese Zahl täuscht, da sie die gesamte Bevölkerung umfasst. Daten aus eigenen Untersuchungen zeigen, dass die Prävalenz bei Menschen über 60 Jahre drastisch ansteigt – etwa 30 % dieser Altersgruppe sind betroffen. Untersuchungen an 3.250 konsekutiven Patient:innen, die akut auf internen Abteilungen aufgenommen wurden, ergaben, dass 35–37 % dieser Patient:innen an Diabetes und weitere 25 % an Prädiabetes leiden. Diese hohen Zahlen verdeutlichen die Bedeutung eines frühzeitigen und regelmäßigen Screenings. Ein besonderes Augenmerk sollte auf Risikogruppen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für gestörte Blutglukosewerte gerichtet werden. Eine aktuelle Analyse der CDC in den USA zeigt, dass die Inzidenz und Prävalenz solcher Störungen stark vom sozialen Status abhängen. Ähnliche Zusammen-hänge lassen sich auch beim Übergewicht beobachten. Diese Daten unterstreichen die dringende Notwendigkeit eines allgemeinen Screenings auf Glukosestoffwechselstörungen. Gleichzeitig sollte ein solches Screening auch weitere relevante Stoffwechselparameter umfassen, wie LDL-Cholesterin, Lipoprotein(a) und Blutdruck, um ein umfassendes Bild des metabolischen Risikoprofils zu erhalten.
Die routinemäßige Bestimmung des HbA1c-Wertes sollte integraler Bestandteil jeder Laboruntersuchung sein, genauso wie die Bestimmung von TSH, Kreatinin und Leberwerten. Ein frühzeitiges Screening auf Diabetes, das bereits ab 18 Jahren beginnt, ist unerlässlich, um die steigende Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in jungen Altersgruppen zu adressieren und Diabetes rechtzeitig zu erkennen. Dies würde ermöglichen, therapeutische Maßnahmen frühzeitig einzuleiten, um schwere Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu schützen.