Vor etwas mehr als 20 Jahren verunsicherte die breite Veröffentlichung der WHI-Studie (Women’s Health Initiative)1 nicht nur die Anwenderinnen, sondern auch die Hormontherapie verschreibenden Ärzte, sodass die Studie letztlich zu einer Trendwende führte.
Die Ergebnisse zeigten völlig unerwartet, dass die kombinierte HRT mit konjugierten Östrogenen und einem synthetischen Gestagen (Medroxyprogesteronacetat, MPA) die Rate an kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall signifikant steigert.
In der Zwischenzeit wurden zahlreiche Studien durchgeführt, die diese Ergebnisse relativieren: Nach einer rezenten Publikation eines Autors der WHI-Studie wurde darüber hinaus evident, dass die Ergebnisse der WHI-Studie fehlinterpretiert wurden: 70 % der einbezogenen Frauen waren bei Beginn der HRT bereits über 60 Jahre alt und hätten aufgrund fehlender menopausaler Beschwerden sowie bestehender Vorerkrankungen und Risikofaktoren wie Übergewicht, Hypertonie oder Nikotinabusus keine HRT erhalten sollen.2 Die Ergebnisse bei diesem älteren Kollektiv wurden jedoch auf alle, auch jüngere, postmenopausale Frauen umgelegt.
Rezentere Publikationen, Leitlinien und Expertenmeinungen kommen heute zu dem Schluss, dass bei frühem Therapiebeginn – idealerweise innerhalb der ersten Zeit nach der Menopause – bei differenzierter Indikationsstellung und Berücksichtigung der individuellen Beschwerden und auch des Risikoprofils eindeutig der Nutzen der HRT gegenüber potenziellen Risiken überwiegt. Bei HRT-Anwenderinnen ist darüber hinaus die Gesamtmortalität niedriger als ohne Hormontherapie.3
Das kardiovaskuläre Window of Opportunity beschreibt die Hypothese einer vorteilhaften Wirkung auf die Herz-Kreislauf-Situation beim Beginn der HRT vor dem 60. Lebensjahr oder in den ersten 10 Jahren nach der Menopause. Bei frühzeitigem Beginn kann demnach die Bildung von Arteriosklerose-Herden verzögert oder gar verhindert werden, was klinisch zu einer Reduktion von Myokardinfarkten und Schlaganfällen führen kann. Dies konnte beispielsweise in einer Metaanalyse gezeigt werden, in der es bei Frauen, die innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Menopause behandelt wurden, zu einer Verringerung des Auftretens von koronaren Herzkrankheiten und zu einer Reduktion der Gesamtmortalität kam.3 Das in der WHI-Studie verwendete MPA stellte sich weiters als eines der ungünstigsten Gestagene für die Kombinationstherapie heraus, da es die vielen kardioprotektiven Effekte des Östrogens teilweise aufhebt oder sogar ins Gegenteil verkehrt.
Bei einem frühzeitigen Einsatz einer HRT kommt es über die Besserung der klimakterischen Beschwerden und über eine Senkung des kardiovaskulären Risikos hinaus auch zu positiven Effekten hinsichtlich Osteoporose und Kolonkarzinom.5
Die HRT ist aufgrund ihrer prophylaktischen Wirkung als Second-Line-Therapie der Osteoporose zugelassen und insbesondere bei Frauen mit erhöhtem Risiko vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause wirksam und angebracht. Bei frühzeitiger Beendigung einer HRT kommt es nach etwa 2 Jahren wieder zu einem Anstieg an Fragilitätsfrakturen inklusive Hüftfrakturen. Ein unbegründetes Absetzen sollte daher vermieden werden.4
Das mit HRT assoziierte Brustkrebsrisiko ist ein komplexes Thema und hängt in erster Linie von individuellen Risikofaktoren und dem Lebensstil ab. Übermäßiger Alkoholgenuss und mangelnde körperliche Betätigung können zu einem erhöhten Brustkrebsrisiko führen, während die absolute Risikoerhöhung durch eine HRT als gering einzustufen ist.6 Die Wahl des eingesetzten Gestagens ist offenbar entscheidend, wie die WHI-Studie mit dem synthetischen Gestagen MPA zeigte. MPA, das heute nicht mehr in HRT-Präparaten enthalten ist, führt zu einer starken Proliferation im Brustgewebe und erhöht dadurch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Mammakarzinoms. Große Kohortenstudien zeigten hingegen, dass reine Progesteron-Derivate und Dydrogesteron offenbar mit einem niedrigeren oder sogar keinem Brustkrebsrisiko verbunden sind.7, 8 Die derzeitige Datenlage spricht aber gegen den Einsatz einer HRT, wenn eine Frau bereits an Brustkrebs erkrankt ist oder war.4
Ein leicht gesteigertes Risiko für venöse Thromboembolien bei oraler HRT muss beachtet werden, wobei die absoluten Zahlen als gering einzustufen sind. Neben der Dosierung ist das Ausmaß des Risikos auch von der Applikationsart und dem Gestagentyp abhängig, wie in einigen Studien gezeigt werden konnte. Das ist einer der Gründe, warum heute bevorzugt natürliches Östradiol und möglichst stoffwechselneutrales Progesteron verabreicht werden – oral oder transdermal.9
Metaanalysen zeigten, dass die Mortalitätsrate bei HRT mit natürlichen Steroidhormonen im Vergleich zu keiner HRT geringer ausfiel. Auch hinsichtlich Kardioprotektion ist die Kombination von Östradiol mit natürlichem Progesteron oder Dydrogesteron dem Einsatz von synthetischen HRT-Regimen vorzuziehen: In entsprechenden Studien konnte die Verzögerung der Atherosklerose mit den natürlichen Wirkstoffen gezeigt werden.3 Zumeist wird eine vom Gynäkologen für die Patientin individuell ausgewählte Kombination von transdermalem oder oralem Östradiol und einem natürlichen mikronisierten Progesteron/Dydrogesteron verschrieben. Fixkombinationen stehen als Tabletten und transdermale Pflaster zur Verfügung.
Phytoöstrogene, für die mittlerweile umfangreiche Studien vorliegen, sind in erster Linie bei Hitzewallungen gut wirksam. Die pflanzlichen Östrogene setzen am selben Rezeptor wie die Östrogene der HRT an und sollten daher nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Gynäkologen angewendet werden. Wissenschaftliche Untersuchungen zur gleichzeitigen Einnahme von HRT und Phytoöstrogenen liegen jedoch nicht vor.