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Depression in der Primärversorgung

Magdalena Maria Bischof – JKU Linz (Betreuung: Dr. Erwin Rebhandl)

Die unipolare Depression zählt zu den häufigsten Erkrankungen in der allgemeinmedizinischen Praxis und stellt für Hausärzt:innen sowohl in der Erkennung und Diagnostik sowie in der leitliniengerechten Therapie häufig eine Herausforderung dar. Ziel der vorliegenden explorativen Arbeit war es zunächst, die Prävalenz depressiver Erkrankungen in österreichischen Primärversorgungseinheiten im Zeitraum von 2020 bis 2022 zu erheben und anschließend die Population der Erkrankten hinsichtlich Geschlechts- und Altersverteilung zu untersuchen und Vergleiche zu existierender Literatur aufzustellen. Für die Erhebung werden die Diagnosecodes P76 (depressive Störung) und P03 (depressives Gefühl) aus der ICPC-2 herangezogen. Anschließend soll mit dieser Arbeit die Versorgungssituation von Menschen mit Depression aus der Sicht der Allgemeinmediziner:innen mittels eigens erstellten Fragebogens erhoben werden. Der Online-Fragebogen wurde an 1.832 Personen ausgesandt. Zusätzlich konnte mittels Fragebogen die Meinung von 198 Hausärzt:innen über Themen zur Depressionsversorgung in Österreich erhoben werden. Insgesamt wurden die Daten aus fünf Primärversorgungseinheiten ausgewertet.
In den vorliegenden Ergebnissen zeigte sich ein Anstieg der Diagnose P76 „Depressive Störung“ in 3 von 5 Primärversorgungseinheiten – nicht jedoch der Diagnose P03 (depressives Gefühl). Das in der internationalen Literatur beschriebene Geschlechterverhältnis von weiblich:männlich im Verhältnis 2:1 konnte erhoben werden, die am häufigsten vertretenen Altersgruppen waren jene der 21- bis 30-Jährigen (Anteil 21,80%) und jene der 51- bis 60-Jährigen (Anteil von 19,12%). Innerhalb der einzelnen PVE zeigten sich diesbezüglich deutliche Unterschiede.
Seitens der Ärzt:innen wurde besonders häufig ein subjektiv erlebter Mangel an verfügbaren Ressourcen in Form von leistbarer Psychotherapie sowie ein Mangel an Fachärzt:innen für Psychiatrie angemerkt.


Sammlung evidenzbasierter Gesundheitsinformationen zum Behandlungsanlass Angststörungen in der allgemeinmedizinischen Praxis

Tom Hörner – MedUni Graz (Betreuung: Univ.-Prof. Dr.in Andrea Siebenhofer-Kroitzsch)

Die meisten allgemeinmedizinischen Praxen nutzen Gesundheitsinformationen, wobei deren Qualität oftmals gering ist. Deshalb wurde das EVI-Projekt (Evidenzbasierte Informationen zur Unterstützung von gesundheitskompetenten Entscheidungen) ins Leben gerufen. Bei einer Befragung im Rahmen dieses Projektes gaben über 14% der steirischen Allgemeinmediziner:innen an, sich gute Gesundheitsinformationen zu Angststörungen zu wünschen. Weiter unterstrichen wird die Bedeutung dieses Themas dadurch, dass Angststörungen die häufigsten psychischen Erkrankungen mit einer hohen und seit Beginn der Coronapandemie signifikant gestiegenen Prävalenz sind. Diese Diplomarbeit sichtet daher bereits vorhandene Gesundheitsinformationen zu dem Behandlungsanlass „Angststörungen“ und hatte zum Ziel, die hochwertigsten Gesundheitsinformationen in die EVI-Initiative zu integrieren.
Insgesamt wurden 395 Websites durchsucht und 17 Gesundheitsinformationen gefunden, wovon nach Anwendung dementsprechender Ein-bzw. Ausschlusskriterien sieben bewertet wurden.
Wie die Recherchearbeit zeigen konnte, gibt es im deutschsprachigen Raum eine große Auswahl von Gesundheitsinformationen zum Thema Angststörungen, wobei deren Qualität oftmals nicht den Anforderungen für eine gute Gesundheitsinformation entspricht. Insgesamt zeigte diese Arbeit einen Aufholbedarf im Qualitätsmanagement der Gesundheitsinformationen zum Thema Angststörungen auf.

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Überversorgung im Bereich der niedergelassenen Allgemeinmedizin in Österreich – wichtigste Maßnahmen und Möglichkeiten der Reduktion

Marie-Theres Tauchner – MedUni Graz (Betreuung: Univ.-Prof.in Dr.in Andrea Siebenhofer-Kroitzsch)

In dieser Arbeit wurde der Frage der Überversorgung aus Sicht der niedergelassenen österreichischen Allgemeinmediziner:innen nachgegangen. Dabei versteht man unter Überversorgung medizinische Leistungen, die nicht indiziert sind oder keinen gesicherten Nutzen für die Patient:innen haben.
Es wurden zwei offene Fragen als Teil eines Online-Fragebogens an sämtliche (insgesamt 4.001) österreichische allgemeinmedizinische Ordinationen gesandt, deren Kontaktdaten im Internet frei zugänglich waren. Es erfolgte eine qualitative Auswertung der beiden offenen Fragen. In der ersten Frage wurde nach den wichtigsten überversorgenden und überdiagnostizierenden Maßnahmen im österreichischen Gesundheitssystem gefragt. Diese Frage wurde induktiv ausgewertet, indem die Antworten kategorisiert und dementsprechend zugeordnet wurden. Die zweite Frage behandelte die wichtigsten Maßnahmen, die helfen würden, um Überversorgung zu reduzieren. Diese Frage wurde deduktiv angelehnt an das „Behaviour Change Wheel“ ausgewertet.
Insgesamt wurde der Fragebogen von 331 Allgemeinmediziner:innen beantwortet. Der Großteil der Teilnehmer:innen war zwischen 40 und 49 bzw. 50 und 59 Jahre alt, wobei die Verteilung weiblich–männlich annähernd gleich groß war. Die erste Frage wurde 134-mal beantwortet. Am häufigsten wurden „bildgebene Maßnahmen“, gefolgt von „Labor“ und „Medikamenten“ genannt, auch „Untersuchungen“ und „freier Zugang zu medizinischen Maßnahmen“ wurde oft genannt. Die zweite Frage wurde am häufigsten mit Antworten zuordenbar zu den Kategorien „Bildung“, „Befähigung“ und „Leitlinien“ sowie „Kommunikation/Marketing“ beantwortet.
Die in der Befragung genannten überversorgenden Maßnahmen ähneln den aus der Literatur bekannten Ergebnissen aus früheren Erhebungen in verschiedenen Ländern. Auch bei den aus Sicht der österreichischen Allgemeinmediziner:innen hilfreichen Maßnahmen zur Reduktion von Überversorgung finden sich in der durchgeführten Befragung ähnliche Ansätze wie in anderen Ländern, wenngleich auch unterschiedliche Herangehensweisen zu erkennen sind. In der österreichischen Befragung wurden als die wichtigsten Maßnahmen die Bildung und die Befähigung gesehen. Im Gegensatz zu den USA, wo finanzielle Gründe als starker Faktor für überversorgende Maßnahmen angeführt wurden, war dieser Punkt in unserer Befragung kein Thema. In diesen Ergebnissen spiegeln sich auch die verschiedenen Gesundheitssysteme wider, und so braucht es in verschiedenen Ländern unterschiedliche Ansätze, um eine Veränderung der Verhaltensweisen in Bezug auf Überversorgung zu bewirken.


Wirksamkeit und Sicherheit osteopathischer Behandlungen

Gregor Tögel – MedUni Graz (Betreuung: Priv.-Doz. Dr. Karl Horvath)

In Österreich gibt es keine gesetzliche Regelung bezüglich der Ausbildung, Praxis und des Trainings für Osteopathie. Die Nachfrage nach komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden in Österreich ist groß. Insgesamt stellt sich die Frage, welchen Nutzen die Osteopathie im Rahmen der Behandlung von Personen mit unterschiedlichen Beschwerden hat. Der „Österreichischen Gesellschaft für Osteopathie“ (OEGO) ist es ein großes Anliegen, dass die Osteopathie als eigenständiger Gesundheitsberuf in Österreich anerkannt wird. Diese Diplomarbeit ist im Rahmen der Mitarbeit an der Erstellung des Systematic Overview of Reviews „Wirksamkeit und Sicherheit osteopathischer Behandlungen“ des „Instituts für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung“ (IAMEV) im Auftrag der OEGO entstanden. Ziel der Diplomarbeit war es, die Ergebnisse dieses Overviews im Vergleich mit den beiden anderen rezenten österreichischen Evidenzberichten zu Osteopathie – dem Bericht der Gesundheit Österreich GmbH „Quick Assessement zur Sicherheit und Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen für ausgewählte Indikationen“ aus dem Jahr 2018 und dem systematischen Review der Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH „Osteopathy: Effectiveness and Safety for musculoskeletal Pain and Overview of Training and quality Requirements“ aus dem Jahr 2022 – zu diskutieren. Nach ausführlicher Literaturrecherche und Bewertung zeigte sich ein sehr heterogenes Bild der osteopathischen Interventionen (und auch der Kontrollinterventionen) in den Studien und Reviews, weshalb eine allgemeine Aussage zur Wirksamkeit einer osteopathischen Behandlung nur eingeschränkt möglich ist. Untersucht wurden unterschiedliche manualtherapeutische Techniken aus dem Bereich der Osteopathie, daher beziehen sich die Schlussfolgerungen des Overviews of Reviews ausschließlich auf diese manualtherapeutischen osteopathischen Behandlungen. Die Ergebnisse zeigten, dass verschiedene manualtherapeutische osteopathische Techniken in der alleinigen Anwendung oder als Ergänzung zu Basistherapien bei einigen Indikationen, vor allem aber muskuloskelettalen Beschwerden einen positiven Effekt im Sinne einer Symptomverbesserung haben können. Die Verlässlichkeit der Evidenz ist dabei insgesamt jedoch bestenfalls moderat. Für viele andere Indikationen ist die Evidenzlage derzeit unzureichend, und weitere qualitativ hochwertige Studien sind erforderlich, um die Wirksamkeit osteopathischer Interventionen beurteilen zu können.

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Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Vertrauen von Patient:innen zu Allgemeinmediziner:innen

Florian Schneeweiß – MU Innsbruck (Betreuung: Dr. Herbert Bachler)

Mit der COVID-19-Pandemie liegt das größte Pandemiegeschehen der jüngeren Vergangenheit gerade erst hinter uns. Insgesamt drei Jahre war das alltägliche Leben von, bis dahin unbekannten, Einschränkungen geprägt, die Krankenhäuser waren durch das erhöhte Patientenaufkommen enorm gefordert und der Fokus der Gesellschaft so stark wie selten zuvor auf den medizinischen Sektor gerichtet. Innerhalb der österreichischen Bevölkerung war, neben großer Solidarität für alle im Gesundheitssektor Beschäftigten, mit zunehmender Dauer eine aufkeimende Ablehnung gegenüber den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, den Impfungen gegen SARS CoV-2, aber auch gegenüber der Wissenschaft und Ärzteschaft, spürbar. Diese zeigte sich insbesondere in Demonstrationen, Online-Drohungen und einer Kampagne gegen die Corona Impfung. In dieser Arbeit wurde der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Vertrauen von Patienten:innen zu ihren Allgemeinmediziner:innen bearbeitet. Insgesamt 269 Fragebögen wurden in schriftlicher oder digitaler Form erhoben, um diese Frage nach dem Vertrauen an Hausärzt:innen näher zu beleuchten. Ziel war es, herauszufinden, ob es durch die Pandemie zu einer Abnahme des Vertrauens von Patient:innen zu ihren Allgemeinmediziner:innen kam und, ob es Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in dieser Frage gab. Weitere wesentliche Unterpunkte in der Fragestellung waren, wie sich das Vertrauen im Vergleich zu Ärzten:innen insgesamt entwickelte und welche Auswirkungen eine mögliche Abnahme des Vertrauens auf die Therapieadhärenz und die Besuchsfrequenz von Patienten:innen hatte. Die Ergebnisse zeigten, dass das Vertrauen bei über 80 % der befragten Personen unverändert blieb. Der Anteil an Personen, die an Vertrauen verloren oder gewonnen hatten ist ungefähr gleich groß, wobei eine Zu- oder Abnahme des Vertrauens zu den Hausärzt:innen auch mit einer entsprechenden Zu- oder Abnahme der Therapieadhärenz einhergeht. Im Hinblick auf die Demografie zeigt sich, dass junge Menschen häufiger Vertrauen zu Allgemeinmedizinier:innen abbauten als Personen höheren Alters. Als wichtiger Faktor gegen einen Verlust des Vertrauens zeigte sich eine starke zwischenmenschliche Beziehung, dies manifestierte sich auch darin, dass zur Ärzteschaft allgemein die Abnahme des Vertrauens größer war als jene zu den Hausärzt:innen.


General practitioners’ mood, Psychosomatics and Job Satisfaction amid the COVID-19-pandemic

Lisa-Maria Baumann – MedUni Innsbruck (Betreuung: Dr. Herbert Bachler)

Die COVID-19-Pandemie stellte für die ganze Welt eine völlig neue Situation dar. Innerhalb kürzester Zeit wurde der Alltag von Menschen komplett verändert, und auch Ärzt:innen mussten ihren Arbeitsalltag stark umstellen. Niedergelassene Ärzt:innen mussten oft per Telemedizin Diagnosen erstellen, da Patient:innen nur noch im Notfall in die Praxis kommen sollten, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren. Im Laufe der Pandemie ergaben sich auch neue Aufgaben, neben dem üblichen Praxisbetrieb mussten zusätzliche Tätigkeiten wie Antigentestungen oder Impfungen gegen COVID-19 durchgeführt bzw. in den Praxisalltag integriert werden. Bekannt war bereits, dass Ärzt:innen vermehrt an psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Burnout leiden. Diese Diplomarbeit untersucht, ob sich dies auch bei Allgemeinmediziner:innen in Tirol und Vorarlberg während der ersten zweieinhalb Jahre der COVID-19-Pandemie gezeigt hat. Hierfür wurde ein Online-Fragebogen an alle Allgemeinmediziner:innen versandt.
64 Fragebögen wurden vollständig oder teilweise ausgefüllt, die Ergebnisse statistisch ausgewertet und analysiert. Es kam zu einem deutlichen Anstieg psychischer Erkrankungen unter den befragten Allgemeinmediziner:innen. Insbesondere Burnout, Depressionen und Angststörungen verdoppelten sich oder nahmen um die Hälfte zu. Sie waren bereits vor der Pandemie bei jedem oder jeder 10.–20. bekannt. Es kam vermehrt zu Zukunftsängsten, Hoffnungslosigkeit und zu einer Abnahme der Motivation, Freude und des Fokusvermögens. All das wirkte sich auch auf das Schlaf- und Konsumverhalten der Ärzt:innen aus. Ein beträchtlicher Teil hatte seit Beginn der Pandemie Schlafstörungen oder versuchte, die Sorgen durch den Konsum von Alkohol oder Nikotin zu bewältigen. Die Unterstützung durch die Österreichische Ärztekammer sowie die österreichische Politik spielte eine wichtige Rolle für die Zufriedenheit der Befragten während der Pandemie, war jedoch teilweise nicht zufriedenstellend. Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in Untersuchungen aus anderen Ländern wider, was vermuten lässt, dass die Pandemie bei einem bedeutenden Teil an Ärzt:innen im Westen Österreichs sowie anderen Teilen der Welt einen großen Einfluss auf deren psychische Gesundheit hatte. Daher ist es umso wichtiger, in Zukunft mehr auf das emotionale Wohlbefinden von Ärzt:innen zu achten und entsprechende Hilfsangebote bereitzustellen.