Orale antibiotische Therapie im Kindesalter

Kinder leiden mehrmals pro Jahr an fieberhaften Infektionen. Meist handelt es sich dabei um selbstlimitierende Virusinfektionen, bei denen der Einsatz eines Antibiotikums nicht indiziert ist. In der Primärversorgung stellt sich daher noch vor der Frage, welche Substanz verordnet werden soll, zuallererst die Frage, ob überhaupt ein Antibiotikum indiziert ist. Oft zeigen reinklinische Symptome die virale Genese, wie z. B. typische Veränderungen an Haut (3-Tage-Fieber, Varizellen, Ringelröteln) und/oder Schleimhäuten (Hand-Fuß-Mund-Erkrankung, Stomatitis aphthosa, Herpangina, Masern).
Typische Virusinfektionen sind auch Infektionen der (oberen) Atemwege wie Rhinitis (selbst mit eitrigem Sekret), Laryngitis subglottica („Pseudokrupp“) und obstruktive Bronchitis. Auch gastrointestinale Infektionen werden meist durch Viren (Rota-, Noro-, Adenoviren u. a.) ausgelöst. Selbst bei Verdacht auf bakterielle, intestinale Infektion (blutige Durchfälle bei Salmonellen- oder Campylobacter-Enteritis) ist eine antibiotische Therapie nach Erregernachweis (Meldepflicht) nur bei septischen Verläufen indiziert.

So breit wie nötig, so schmal wie möglich

Sollte jedoch im Fall einer bakteriellen Infektion die Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie bestehen, sollte das antimikrobielle Wirkspektrum der verordneten Substanz so breit wie nötig, aber so schmal wie möglich sein. Dafür ist es wichtig, die in Frage kommenden Erreger und deren mögliche Resistenzen zu kennen sowie das Wirkspektrum der verordneten antibiotischen Substanzen zu bedenken. Daher werden im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Charakteristika der wichtigsten oral verfügbaren Antibiotika dargestellt.

Wann brauchen (Amino-) Penicilline einen Beta-Laktamase-Inhibitor?

Penicillin V ist sehr effektiv gegen ein schmales Spektrum an grampositiven Erregern, daher wird es weniger in der empirischen als in der gezielten Therapie (nach Erregernachweis) eingesetzt. In der kinderärztlichen Praxis von Bedeutung sind dabei Streptokokken der Gruppe A („Angina“), Lues und evtl. Anaerobier. Das Spektrum der Aminopenicilline (Ampicillin, Amoxicillin) umfasst dagegen ein etwas breiteres Spektrum klinisch relevanter grampositiver (z.B. Pneumokokken) und einiger gramnegativer Erreger (z. B. Haemophilus influenzae), wie sie bei Infektionen des Respirationstraktes vorkommen (akute Otitis media, Sinusitis, Pneumonie).

Die Ergänzung des Amoxicillins mit einem Beta-Laktamase-Inhibitor (BLI) wie z. B. Clavulansäure erweitert das Wirkspektrum deutlich, wird aber nur notwendig, wenn mit Beta-Laktamase-bildenden Erregern zu rechnen ist, wie z. B. gramnegative Enterobakterien (E. coli, Klebsiellen, Proteus spp., typisch bei Harnwegsinfektionen) oder Staphylokokken (z. B. bei Aspirationspneumonie); wobei für die Therapie von eindeutigen Staphylokokken-Infektionen (z.B. Impetigo contagiosa) auch andere, weniger breit wirksame Substanzen zur Verfügung stehen (z. B. Cephalosporine der „1. Generation“).

Cephalosporin ≠ Cephalosporin

Die Cephalosporine stellen eine große Gruppe an Substanzen mit sehr unterschiedlichem Wirkspektrum dar, die in Subgruppen (sogenannte „Generationen“) eingeteilt werden. Während Cefalexin (1. Generation) und Cefaclor (2. Generation) eine gute orale Verfügbarkeit und gute Wirksamkeit gegen einige wichtige grampositive Erreger haben (Staphylokokken, Gruppe-A-Streptokokken), wirken sie mäßig (Cefalexin) bis schlecht (Cefaclor) gegen gramnegative Erreger, wie sie z. B. bei Harnwegsinfektionen zu erwarten sind.
Die meisten (Oral-)Cephalosporine der 2. (Cefuroxim-Axetil) und 3. Generation (Cefpodoxim- Proxetil, Cefixim) sind schlecht (tw. nur als Ester) enteral resorbierbar. Dadurch erreichen sie geringere Wirkspiegel und beeinflussen vermehrt das intestinale Mikrobiom. Ihr Vorteil liegt in der verbesserten Beta-Laktamase-Stabilität, die das Wirkspektrum v. a. im gramnegativen Bereich erweitert. Dies gilt v. a. für die Cephalosporine der 3. Generation (Cephalosporine mit erweitertem Wirkspektrum, „Extended Spectrum b-lactams“), die jedoch die Entwicklung von „Extended Spectrum blactamase“-(„ESBL“-)bildenden Bakterien fördern. Dabei weisen diese Bakterien eine Resistenz gegenüber allen oral verfügbaren Beta-Laktam-Antibiotika auf. Daher sollte diese Substanzklasse mit besonderer Zurückhaltung eingesetzt werden.
Die 4. (Cefepim) und 5. Generation (Ceftarolin u. a.) der Cephalosporine sind nur i. v. verfügbar und zeichnen sich durch eine zusätzliche Pseudomonas- (4. und tw. 5. Generation) und MRSA-Wirksamkeit (5. Generation) aus.

Makrolide sind kein Hustensaft

Makrolidantibiotika wirken nur bakteriostatisch, werden aber aufgrund des Wirkspektrums, das „typische“ und „atypische“ Erreger von Atemwegsinfektionen umfasst, häufig verschrieben. Dabei ist zu bedenken, dass Pneumokokken in bis zu 20 % der Fälle resistent gegen Makrolide sind. Hingegen liegt die Amoxicillin-Resistenz bei Pneumokokken in Österreich unter 3 %. Daher ist in diesen Fällen dem Beta-Laktam-Antibiotikum der Vorzug zu geben.

Azithromycin, das durch die lange Halbwertszeit eine nur 3-tägige Therapie ermöglicht, ist zwar beliebt, aus mikrobiologischer Sicht aber eher zurückhaltend einzusetzen:
Die lang bestehenden subinhibitorischen Spiegel begünstigen die Resistenzentwicklung gegenüber (allen) Makrolidantibiotika. Makrolidantibiotika sollten bei Atemwegsinfektionen nur bei Penicillin-Allergie oder als gezielte Therapie atypischer (oft intrazellulärer, zellwandloser) Erreger wie Mykoplasmen, Chlamydien, Bordetella pertussis, Legionellen, Bartonellen u. a. eingesetzt werden.

Erkrankungen der oberen Atemwege mit hartnäckigem Husten sind meist viral und nur in sehr seltenen Fällen durch atypische bakterielle Erreger bedingt. Eine Makrolid-Therapie bei hartnäckigem Husten ist daher nur in seltenen Fällen oder bei Nachweis entsprechender Erreger (State of the Art: Erregerdiagnostik mittels PCR) indiziert.

(Über-)Vorsicht?

Beachtung muss die altersabhängige Kontraindikation bei verschiedenen Substanzklassen finden. So gelten Tetrazykline aufgrund von möglichen Knochenwachstumsstörungen und Zahnschmelzdefekten vor Abschluss des Zahnwechsels bis zum 8.–10. Lebensjahr als kontraindiziert. Neuere Tetrazykline (Doxycyclin) sind diesbezüglich jedoch weniger bedenklich.
Lange Zeit galten auch Chinolone (Gyrasehemmer) aufgrund von möglichen Knorpelschäden bei Kindern in der Wachstumsphase als kontraindiziert. Inzwischen gibt es jedoch zahlreiche Daten zur Chinolon-Therapie bei Kindern und sogar Früh- und Neugeborenen, die keine höhere Inzidenz dieser Nebenwirkungen als bei Erwachsenen zeigen.
Dennoch sollten diese Substanzen nur bei klarer Indikationsstellung und fehlender Alternative (Penicillin-Allergie, gezielte Therapie „atypischer“ Erreger) eingesetzt werden.