Die akute Otitis media ist eine plötzlich auftretende Entzündung der Schleimhaut des Mittelohrs, die sich insbesondere in den Wintermonaten im Verlauf eines Infektes des oberen Respirationstraktes („common cold“) entwickelt und aufgrund der kürzeren Tuba auditiva häufiger bei Kindern vorkommt.
Man kann davon ausgehen, dass bis zum 4. Lebensjahr ca. 60 % aller Kinder zumindest eine Episode einer akuten Otitis media durchgemacht haben; die Erkrankung betrifft aber auch Erwachsene.
Typische Leitsymptome sind ein- oder beidseitige, akut auftretende heftige Ohrenschmerzen und Fieber, damit einhergehend ist ein reduzierter Allgemeinzustand und eine Hörminderung auf dem betroffenen Ohr. Bei Übergreifen der Erkrankung auf das Innenohr kann es zu Schwindelepisoden kommen. Bei Säuglingen und Kleinkinder kann ein Hinweis der „Greifzwang“ ans Ohr sein, der aber längst nicht immer auftritt. Daneben haben sie häufig unspezifische Beschwerden wie Erbrechen und Durchfall.
In der klinischen Untersuchung zeigt sich in der Otoskopie das Trommelfell gerötet und verdickt und ist durch den Paukenerguss vorgewölbt. Ist das Trommelfell bereits spontan perforiert, tritt pulsierend eitriges Sekret aus, in diesem Fall sistieren die Schmerzen sofort.
Bei der Stimmgabelprüfung nach Weber lateralisiert der Ton der auf den Scheitel aufgesetzten Gabel in das kranke Ohr. Kommt es im Verlauf einer akuten Otitis media zu einer Lateralisation des Tones in das gesunde Ohr, liegt der Verdacht auf eine zusätzliche Schallempfindungsschwerhörigkeit des erkrankten Ohres vor, die durch eine toxische Schädigung des Innenohres und/oder des Hörnervs bedingt sein kann.
Die seltenen, aber meist schwerwiegenden Komplikationen der akuten Otitis media können in extrakranielle (z. B. akute Mastoiditis, Fazialisparese, eitrige Labyrinthitis) und intrakranielle Komplikationen (z. B. Meningitis, Epiduralabszess, Subduralabszess, Hirnabszess) eingeteilt werden. Die häufigste Komplikation ist die akute Mastoiditis mit subkortikalem Abszess. Diese manifestiert sich mit einer retroaurikulären teigigen Rötung und Schwellung, wobei typischerweise die Ohrmuschel absteht. Bei der klinischen Untersuchung sollte daher auch das Mastoid inspiziert und palpiert und die Funktion des N. facialis überprüft werden.
In rund 70 % der Fälle handelt es sich um eine Mischinfektion mit Viren und Bakterien.
Typische Bakterien sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis, daneben findet man auch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A und Staphylococcus aureus, manchmal auch Mykoplasmen.
Prädisponierend für eine akute Otitis media ist eine Belüftungsstörung des Mittelohres, z. B. durch ausgeprägte adenoide Vegetationen und vergrößerte Gaumenmandeln, chronische Infekte der Atemwege, Immundefizite, aber auch chronische Rauchexposition oder ungestillte Säuglinge.
Man spricht von einer rezidivierenden Otitis media, wenn 3 oder mehr Episoden innerhalb von 6 Monaten oder 4 oder mehr Episoden pro Jahr auftreten. Ursachen sind meist prädisponierende Faktoren wie eine Tubenventilationsstörung oder Immundefekte.
Zu den therapeutischen Allgemeinmaßnahmen zählen viel Flüssigkeit zu trinken und Bettruhe. Die Medikation umfasst abschwellende Nasentropfen, also Alpha-Sympathomimetika wie beispielsweise Xylometazolin, zur Verbesserung der Mittelohrbelüftung und eine analgetische Therapie mit NSAID (Ibuprofen, Paracetamol etc.).Die akute Otitis media ist bei Kindern unter drei Jahren einer der Hauptgründe für die Verschreibung von Antibiotika. Eine zusätzliche Antibiotikatherapie soll bei klinisch schweren Verläufen, bei bilateraler Otitis media und in allen Fällen mit Otorrhö eingeleitet werden. Darüber hinaus auch bei Kleinkindern und bei allen Patient:innen mit Immundefekten. Wenn beim Kind auf eine Antibiotikagabe verzichtet wird, sollte es engmaschig kontrolliert werden und eine Symptomverbesserung innerhalb der ersten 48 h festgestellt werden.
Anmerkung: Die WHO empfiehlt bei akuter Otitis media immer die Gabe von Antibiotika, derzeit wird allerdings die verkürzte Gabe von 3 statt 5 Tagen diskutiert.
Typische Antibiotika bei akuter Otitis media:
Eine lange bestehende Otorrhö kann Hinweis auf eine chronische Otitis media sein. Hier besteht eine chronische Entzündung der Mittelohrschleimhaut aufgrund einer in der Kindheit unbehandelten Tubenventilationsstörung und einer damit einhergehenden Minderpneumatisation des Mastoids und einer permanenten Trommelfellperforation. Es werden zwei Formen der chronischen Otitis media unterschieden:
die chronisch mesotympanale Otitis media mit einer zentralen Trommelfellperforation und schleimig-eitriger Otorrhö und die chronisch epitympanale Otitis media, das sogenannte „Cholesteatom“.
In der Ohrmikroskopie zeigen sich hier weißliche Cholesteatommassen im Epitympanon.
Für die chronische Otitis media jeglicher Ausprägung gibt es als einzige Therapieoption die chirurgische Sanierung in Form der Tympanoplastik. Vor einer Operation muss in jedem Fall die Otorrhö behandelt werden, d. h., das „laufende Ohr“ muss mit konservativen Maßnahmen (antibiotische Ohrentropfen, Ohrenspülungen) trockengelegt werden.