Im Vergleich zu anderen internen Fächern hat die Pneumologie im letzten Jahrzehnt wesentlich an Bedeutung gewonnen. Während Prävalenz, Inzidenz und Mortalität vieler interner Erkrankungen sinken, nehmen die pulmologischen Erkrankungen massiv zu. Das klassische Beispiel ist die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (Chronic Obstructive Pulmonary Disease – COPD), die bald die dritthäufigste Todesursache in der westlichen Welt sein wird. Der Lungenkrebs nimmt bei Frauen weiter rasant zu, während bei Männern zwar schon ein Plateau erreicht wurde aber wir trotzdem in den nächsten Jahren auch bei Männern mit einer Zunahme in Österreich rechnen müssen. Schließlich muß mit einer deutlichen Zunahme von Pneumonien (vor allem durch die zunehmende Überalterung) gerechnet werden. Daher wird die Pneumologie auch in der Zukunft eine immer größere Bedeutung haben.
Seit mehr als zehn Jahren galten die internationalen GOLD-Guidelines (Global Initiative of Chronic Obstructive Pulmonary Disease). In den letzten Monaten haben sie eine komplette Neuüberarbeitung erfahren, weil festgestellt wurde, dass die COPD-alte Schweregrad-Einteilung (leicht, mittelschwer, schwer und sehr schwer) nach der Lungenfunktion nicht ausreicht, um diese Erkrankung richtig zu beurteilen, und dass die Symptome des Patienten und die Häufigkeit der Exazerbationen mindestens genau so wichtig sind. Daher sind in den neuen Guidelines neben der Lungenfunktion auch die Symptome des Patienten quantitiativ zu erfassen (CAT-Test) und die Häufigkeit von Exazerbationen abzufragen, da diese beiden Faktoren einen signifikanten Einfluss auf Prognose und Verlauf der Erkrankung haben. Die dritte wesentliche Aufgabe, die die Guidelines von uns fordert, die meiner Meinung nach einen Paradigmenwechsel darstellt, ist die Verpflichtung bei Patienten mit COPD obligatorisch nach Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) zu fahnden, da gezeigt wurde, dass diese einen ganz wesentlichen Einfluss auf den weiteren Verlauf dieser Erkrankung haben. Daher muss man bei jedem Patienten mit COPD nach verschieden häufigen Komorbiditäten fahnden und diese auch einer Behandlung zuzuführen. Die häufigsten Komorbiditäten sind: kardiovaskuläre Erkrankungen (koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Schlaganfall), Diabetes mellitus, Osteoporose, metabolische Syndrom, Angst, Depression und kognitive Defizite. Ebenfalls neu im Verständnis ist die Tatsache, dass es Patienten mit COPD gibt, die offensichtlich, ähnlich wie bei der rheumatoiden Arthritis, eine systemische Inflammation aufweisen. In den letzten Jahren haben sich einige inflammatorische Biomarker verstärkt als relevant dargestellt: Fibrinogen, die Leukozytenzahl und Interleukin-6. Systemische Inflammation ist bei mindestens 30% der COPD Patienten zu finden, und dann tatsächlich prognostisch bedeutsam.
In den letzen Jahren hat sich bei der medikamentösen Therapie der COPD sehr wenig geändert. Im Wesentlichen kann man sagen, dass die langwirksamen Bronchodilatatoren die Basistherapie der COPD darstellen – und zwar in jedem Stadium. Als Add-on in den späteren Stadien mit schlechter Prognose sind inhalative Kortikosteroide indiziert, und nur in den sehr schweren und symptomreichen Fällen mit vielen Exazerbationen hat der neue Phosphodiesterase-Inhibitor Roflumilast einen Stellenwert. Aus noch nicht publizierten Daten, die den Vergleich zwischen der Kombination langwirksamer Bronchodilatatoren, sprich LAMA und LABA vs. LABA plus inhalatives Kortison, angestrebt haben, geht ganz klar hervor, dass die Kombination der beiden Bronchodilatatoren wesentlich wirksamer ist. Die Zukunft in der medikamentös inhalativen Therapie der COPD wird die Kombination von Bronchodilatatoren sein. Im Wesentlichen wird es die Kombination von LAMA und LABA sein, die in Zukunft einmal am Tag zu geben sein wird – also die ultralangen, 24 Stunden lang wirksamen Medikamente. Weiters glaube und hoffe ich, dass andere Therapieansätze (z.B. antiinflammatorische Wirkprinzipien, wie z.B. Roflumilast), eine größere Bedeutung gewinnen werden.
Das in 13 europäischen Ländern durchgeführte COPD-Audit der Europäischen Lungengesellschaft (ERS) über das Management der akuten Exazerbationen bei COPD hat für Österreich einige Ergebnisse zu Tage gebracht, die nachdenklich stimmen und einer strukrurellen und organisatorischen Verbesserung bedürfen.
So wird das Thema der nichtinvasiven Beatmung bei der akuten Exazerbation in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Es sollte eigentlich in jedem Spital die Möglichkeit der nichtinvasiven Beatmung zur Verfügung stehen; wir wissen aber, dass nicht in allen Österreichischen Spitälern die entsprechenden Resourcen zur Verfügung stehen bzw. die notwendige Experise besteht. Als das gravierenste Ergebnis des COPD-Audits ist die exorbitant hohe Wiederaufnahmerate nach Spitalsaufenthalt wegen einer COPD-Exazerbation. Die Studie zeigt, dass knapp 40% der Patienten nach drei Monaten wieder im Spital aufgenommen werden müssen. Bisher wissen wir nicht, wie wir das verhindern können. Eine wesentliche Maßnahme, die Wiederaufnahme zu verhindern, wäre die Etablierung der Frührehabilitation und vieler anderer Maßnahmen, die wir im Sinne eines „Bundle of Care“ darzustellen versuchen, wie z.B. eine intensivere Aufklärung über die Krankheit COPD, die lückenlose Etablierung von Raucherentwöhnungsprogrammen, noch intensivere Kontakte mit den niedergelassenen Fachärzten, damit diese Patienten in den ersten Wochen nach der Exazerbation besonders intensiv betreut werden. Wir müssen versuchen, „Homecare“ zu etablieren, d.h. Pflegepersonen bis zum Patienten nach Hause zu bringen und die Schulung und Betreuung zu verbessern, um damit hoffentlich die Häufigkeit der Exazerbationen und auch die Häufigkeit der Spitalsaufenthalte und Wiederaufnahmerate zu vermindern. Hier haben wir wesentliche Verbesserungspotenziale, die nur durch gemeinsame Anstrengungen von Politik, Ärzteschaft, assoziierten medizinischen Berufe und Laien erreicht werden können.
Bei weit fortgeschrittener COPD und Emphysem, vor allem wenn das Emphysem inhomogen und oberlappenbetont sind, kann man durch operative Resektion der am stärksten befallenen Emphy-semanteile eine Verbesserung erzielen, weil sich dadurch die weniger betroffenen Lungenanteile besser ausdehnen können und sich dadurch die Lungenfunktion verbessert. Diese lungenvolumenreduzierende Operation hat sich aber nicht durchgesetzt, da sie einen riesigen Aufwand darstellt, viel kostet und letztlich auch mit hoher Morbidität und Mortalität einhergeht.
Jetzt gibt es verschiedene neue Methoden, diese Volumenreduktion durch einen bronchoskopischen Eingriff zu machen. Man geht mit dem Bronchoskop ein und platziert, z.B. in den Oberlappen bzw. seinen Segmenten, ein Einwegventil, das verhindert, dass Luft in den Lappen bei Inspiration eindringt, bei Exspiration jedoch die Luft aus dem Lappen entweichen lässt. Dadurch schrumpft der entprechende Lappen. Allerdings ist dieser Eingriff nur dann erfolgreich, wenn der gesamte Lappen schrumpft. Dabei sind zwei Dinge ganz wichtig: Erstens muss die sogenannte Fissur komplett sein, also zwischen dem Ober- und Unterlappen bzw. dem Ober- und Mittellappen muss eine vollständige anatomischeTrennung vorliegen. Zweitens muss erreicht werden, dass der Lappen durch ein (mehrere) Ventil(e) komplett verschlossen wird. Wenn diese beiden Punkte erfüllt sind, wird eine Verbesserung des FEV1 von mehr als 25% erreicht, was deutlich besser ist als mit jedem bislang verfügbaren Medikament. Hierzu gibt es nun eine Fülle von Arbeiten, die zeigen, dass es bei Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome und der Lungenfunktion bei diesen Patienten kommt. Das Prinzip, besonders schlechte Areale zu schrumpfen und dem Rest der Lunge
mehr Platz zu geben, funktioniert nicht nur mit Ventilen, sondern auch mit sogenannten Coils. Dabei werden schraubenzieherartige Gebilde eingepflanzt, um die kranken Anteile der Lunge zum Schrumpfen zu bringen. Weiters kann man auch mit Kälte oder heißem Dampf die am stärksten betroffenen emphysematösen Lungenanteile chemisch schädigen und zum Schrumpfen bringen.
Einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine Pneumonie ist ein Alter > 65 Jahren. Mit einem einfachen Score kann die Prognose der Pneumonie bei einem individuellen Patienten rein klinisch festgestellt werden und abgeschätzt werden, welcher Patient stationär und welcher ambulant behandelt werden muss (CRB-65-Score). Dieser setzt sich zusammen aus dem Grad der Verwirrtheit (Confusion), aus der Atemfrequenz (Respiratory Rate), dem Blutdruck (Blood Pressure) und dem Alter. Dieser Score ist besser in der Risikoabschätzung als die Messung der Blutgase, die Bestimmung der Größe des Infiltrats im Röntgen etc. und sollte bei jedem Patienten mit Pneumonie bestimmt werden.
Die Therapie der Pneumonie ist nach wie vor empirisch, da wir sehr selten den für die Pneumonie verantwortlichen Keim detektieren. Die häufigsten Keime, die eine Pneumonie verursachen sind der Pneumokokkus und der Haemophilus influenzae. Die Resistenzentwicklung von Pneumokokken, dem mit Abstand wichtigsten Keim bei der ambulant erworbenen Pneumonie, gegenüber Penicillinen ist in Österreich glücklicherweise stabil niedrig. Mit der neuen Vakzine Prevenar® können wir nun eine Impfung durchführen, die einen wesentlich besseren Schutz bietet. Daher ist nicht nur die Grippe-, sondern auch die Pneumokokkenvakzination zu empfehlen.
Wir behandeln in unserer Abteilung die meisten Bronchuskarzinome österreichweit. In diesem Bereich hat sich sehr viel in Richtung personalisierter Therapie geändert. Wir kennen beim nichtkleinzelligen Bronchuskarzinom (NSCLC) zunehmend verschiedene molekularbiologische Besonderheiten, die es uns ermöglichen, eine personalisierte Therapie durchzuführen. Wir können heute routinemäßig mehrere Mutationen an der Oberfläche von NSCLC-Tumorzellen detektieren, die eine therapeutische Implikation haben.
In erster Linie sind es Tyrosinkinase-Inhibitoren, die ein wesentlich anderes und günstigeres Nebenwirkungsprofil haben und Langzeitemissionen bei Patienten induzieren können, die jene Mutationen aufweisen. In der Zwischenzeit kommen auch duale Tyrosinkinase-Inhibitoren auf den Markt, die offensichtlich auch noch wirken, wenn die Tyrosinkinase-Inhibitoren der ersten Generation Resistenzen entwickelt haben. Weiters gibt es inzwischen ein Medikament gegen die ALK-4-Mutation (Crizotinib). Diese Mutation kommt allerdings nur in etwa 4% der Bronchuskarzinome vor und ist daher von bescheidener praktischer Bedeutung. Schließlich wurde in den letzten zehn Jahren auch die Therapie mit Medikamenten vorangetrieben, die gegen die Tumorangiogenese gerichtet ist (Antiangiogenesetherapie), und bei bestimmten Patienten und Tumorentitäten eingesetzt werden. Schließlich gibt es jetzt Parameter, die Resistenzen gegenüber Medikamenten anzeigen können.
Bei der Chemotherapie ist eine platinhältige Dublette noch immer Mittel der ersten Wahl bei den metastasierten Karzinomen. Mit dem neuen Antimetaboliten (Antifolinat) Pemetrexed haben wir eine Substanz mit sehr viel weniger Nebenwirkungen zur Verfügung.
Die Wertigkeit des Screening des Bronchuskarzinoms ist erstmals in einer prospektiven Arbeit positiv bewertet worden. In einer Arbeit im New England Journal, in der High-Risk-Patienten – über 30 packyears und über 55 Jahre alt – jährlich mittels „low dose CT“ gescreent wurden, konnte eine um 20% geringere Mortalität beschrieben werden im Vergleich zu einem Screening mit Thoraxröntgen. Der Nachteil dieser Screening-Untersuchungen besteht allerdings darin, dass bis zu 96% falsch positive Befunde erhoben wurden, die dann häufig interventionelle Maßnahme induzierten, und eine hohe Verunsicherung bei den Patienten hervorriefen. Somit kann dieses Screeningverfahren noch nicht allgemein empfohlen werden. Faktum ist aber, dass bei Hochrisikopatienten das „Low dose screening“ die Mortalität senken kann.
Es gibt beim Bronchuskarzinom eine neue Stadieneinteilung, die eine noch bessere Diskriminierung für die Prognose bringt. In der Diagnostik und im Staging hat sich mit der Etablierung des endobronchialen Ultraschalls (EBUS) sehr viel getan. Mit dieser Methode können fast alle Lymphknotenstationen des Media-stinums erreicht werden, was ist mit der Mediastinoskopie nicht möglich ist. Hier sieht man im Ultraschall den Lymphknoten und sticht in diesen unter Sicht. Das ist eine revolutionierende Methode. Das Staging des Lungenkrebses wird dadurch wesentlich verbessert, weil wir wissen, dass sowohl CT also auch PET-CT eine nicht ausreichend hohe Sensitivität und Spezifizität haben und die genaue Abklärung mittels Gewebsbiopsie nie ersetzen können.
Wir haben palliativmedizinische Maßnahmen fix in unser Management des Patienten mit Lungenkrebs eingeplant. In dem Augenblick, in dem die Diagnose Bronchuskarzinom gestellt wird, beginnen wir mit anerkannten Methoden der Palliativmedizin. Wir klären auf, wir nehmen Angst und Unsicherheit, wir schließen Angehörige in diesen Prozess mit ein, wir induzieren sozialmedizinische Hilfe etc. Dafür stehen uns Sozialarbeiter, Diätologen, Psychologen, empathische, palliativ gut ausgebildete Ärzte und Schwestern zur Verfügung. Es konnte gezeigt werden, dass diese Maßnahmen trotz weniger applizierter Chemotherapie zu längeren Überleben führen.