Von 9.–13. April 2014 fand in London der 49. International Liver Congress (ILC) statt. Dieser war die 49. Auflage der Jahrestagung der Europäischen Lebergesellschaft (EASL) und mit über 10.800 Teilnehmern der vermutlich größte internationale Hepatologenkongress des Jahres 2014. Das wissenschaftliche Programm, zusammengestellt vom Scientific Committee und der Leitung des EASL-Generalsekretärs Univ.-Prof. Dr. Markus Peck-Radosavljevic war dieses Jahr von einer bisher noch nie dagewesenen Anzahl von hochklassigen Phase-III-Studienergebnissen gekennzeichnet, deren klarer Schwerpunkt im Bereich der interferonfreien Therapieoptionen zur Hepatitis C lag. Darüber hinaus fanden sich neben einer Vielzahl an sehr guten Beiträgen aus der Grundlagenforschung auch wichtige Phase-III-Ergebnisse zu Studien im Bereich der cholestatischen Lebererkrankungen bzw. zur portalen Hypertension.
Die bahnbrechenden Ergebnisse, die auf dem heurigen ILC präsentiert wurden, sind vor allen Dingen den Medikamentenkombinationen zweier Pharmafirmen im Bereich der interferonfreien Therapie der chronischen Hepatitis C zuzuordnen.
Einerseits stellte AbbVie die Resultate des Phase-III-Programms ihres 3-D-Therapieprogramms vor, in welchem der Proteaseinhibitor ABT-450/r zusammen mit dem NS5A-Inhibitor Ombitasvir (ABT-267) und dem nichtnukleosidischen NS5B-Inhibitor Dasabuvir (ABT-333) in Kombination mit Ribavirin in unterschiedlichen Patientengruppen getestet wurde. So konnte in der SAPPHIRE-I-Studie im placebokontrollierten Setting gezeigt werden, da man mit dieser Vierfachkombination bei unbehandelten Genotyp-1-HCV-Patienten eine Heilungsrate von 96% durch eine zwölfwöchige, ausschließlich orale Therapie erzielt werden kann. In Analogie dazu konnte in der SAPPHIRE-II-Studie mit dem gleichen Therapieregime bei bereits vorbehandelten Genotyp-1-HCV-Patienten ebenfalls eine Heilungsrate von über 96% nach nur zwölf Wochen oraler Therapie erreicht werden. Ebenso konnte in der Pearl-III-Studie ebenfalls mit dem 3-D-Regime bei unbehandelten Genotyp-1b-HCV-Patienten eine Dauerheilungsrate von 99% nach einer zwölfwöchigen Therapie auch ohne den Zusatz von Ribavirin berichtet werden. Ebenso konnten in der Turquoise-II-Studie sogar bei Patienten mit Genotyp-1-HCV-assoziierter kompensierter Leberzirrhose mit und ohne Ribavirin über eine Heilungsrate zwischen 92 und 96% berichtet werden.
Andererseits wurden die Daten der von der Firma Gilead hergestellten Fixkombination des NS5A-Inhibitors Ledipasvir zusammen mit dem NS5B-Inhibitor Sofosbuvir, welche gemeinsam in einer einzigen Pille pro Tag verabreicht werden, berichtet. Dabei wurden die Resultate der Phase-III-Studien ION-I, ION-II und ION-III präsentiert. In der ION-I-Studie konnte bei unbehandelten Genotyp-1-HCV-Patienten gezeigt werden, dass eine zwölfwöchige Therapie mit Ledipasvir/Sofosbovir auch ohne Ribavirin ausreichend ist, um eine Dauerheilungsrate von 99% zu erzielen. Dies konnte weder durch die Zugabe von Ribavirin, noch durch eine Verlängerung der Therapiedauer auf 24 Wochen verbessert werden.
In der ION-II-Studie konnte bei gleichem Studiendesign bei Patienten, die auf eine Vorbehandlung nicht angesprochen hatten, ebenfalls gezeigt werden, dass die Therapie mit Ledipasvir/Sofosbovir für zwölf Wochen eine Heilungsrate von 94% erbringen kann, was weder durch die Zugabe von Ribavirin noch durch die Verdopplung der Therapiedauer wesentlich verbessert werden konnte. In der ION-III-Studie wurde letztendlich bei unbehandelten Genotyp-1-HCV-Patienten ohne Vorliegen einer Leberzirrhose gezeigt, dass die Therapiedauer mit Ledipasvir/Sofosbovir sogar von zwölf Wochen noch auf acht Wochen reduziert werden und damit ebenfalls eine Dauerheilungsrate von 94% erreicht werden kann, was auch hier weder durch die Zugabe von Ribavirin noch durch eine Verlängerung der Therapiedauer verbessert werden konnte.
In einer weiteren interessanten Präsentation konnten in einer Phase-II-Studie mit Patienten mit HCV-Rezidiv nach orthotoper Lebertransplantation (OLT) durch Verwendung des 3-D-Regimes zusammen mit Ribavirin Dauerheilungsraten von über 95% erreicht werden, was für diese bisher sehr schwer zu behandelnden Patienten noch nie erreicht werden konnte.
Darüber hinaus wurden auch Phase-III-Daten zur Therapie der Genotyp-4-HCV-Infektion präsentiert, wobei die Kombination aus Simeprevir zusammen mit Peginterferon und Ribavirin Dauerheilungsraten von 65% bei Patienten mit diesem Genotyp zeigen konnte. Die Kombination von Sofosbovir mit Ribavirin erzielte bei Genotyp-4-Patienten nach 24-wöchiger Therapiedauer bei nicht vorbehandelten Patienten 100%, bei vergeblich vorbehandelten Patienten 87% Dauerheilungsrate. Bei HCV-Genotyp-4-Infektionen war die Reduktion auf die halbe Therapiedauer (zwölf Wochen) mit deutlich schlechteren Heilungsraten assoziiert und sollte daher zumindest mit den hier getesteten Medikamentenkombinationen nicht erwogen werden.
Für die primär biliäre Zirrhose (PBC), eine cholestatische Lebererkrankung, ist seit vielen Jahren die Therapie mit Ursodeoxycholsäure die einzig wissenschaftlich belegbare wirksame Therapie. Auf dem ILC wurden nun die Phase-III-Ergebnisse der POISE-Studie präsentiert, einer placebokontrollierten Phase-III-Studie des FXR-Agonisten Obeticholsäure. Hier konnte im Rahmen einer zwölfmonatigen Anwendung bei Patienten, welche zuvor auf Ursodeoxycholsäure unzureichend angesprochen hatten, eine signifikante Verbesserung der laborchemischen Veränderungen (alkalische Phosphatase, Bilirubin) im Vergleich zu Placebo gezeigt werden. Nachdem bei der PBC das biochemische Ansprechen mit dem transplantfreien Überleben korreliert, besteht somit berechtigt die Hoffnung, dass für diese nicht ganz seltene Lebererkrankung in Zukunft endlich eine weitere wirksame Therapieoption zur Verfügung steht und dies sogar für Patienten, die auf die bisherige Standardtherapie nicht angesprochen haben.
Außerdem wurden die Ergebnisse einer spanischen Phase-III-Studie zur Prävention einer Rezidivblutung nach erfolgreich überstandener Varizenblutung bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose (Child B und Child C) präsentiert. Hier wurde zur Standardtherapie mit nichtselektiven Betablockern zusätzlich Simvastatin verglichen mit Placebo getestet. Dabei konnte durch den Cholesterinsenker Simvastatin zwar keine Verbesserung in der Rezidivblutungsrate, jedoch eine signifikante Verbesserung im Gesamtüberleben verglichen mit Placebo gezeigt werden. Obwohl die Mechanismen für den beobachteten Effekt nicht völlig klar sind, so ist in Anbetracht der Sicherheit und der vergleichsweise geringen Kosten die Zugabe von Simvastatin zur Rezidivblutungsprophylaxe mit einem nichtselektiven Betablocker bei Patienten mit Child-B- oder Child-C-Leberzirrhose durchaus erwägenswert. Neben den Ergebnissen dieser Phase-III-Studie wurde eine Vielzahl von weiteren großartigen Daten präsentiert, was für Patienten mit Lebererkrankungen ein sehr positives Signal für die Zukunft darstellt. Wir warten schon gespannt auf die Datenpräsentation der nächstjährigen 50. Jahrestagung der EASL, welcher in Wien stattfinden wird.