Im Rahmen der Jahrespressekonferenz1 der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), die dem Thema „Innere Medizin und Klimawandel“ gewidmet war, wurde im Februar eine Studie präsentiert, die auch einen Zusammenhang zwischen Jahreszeit und Wundinfektionsrate zeigt.
Die Rate für postoperative Wundinfektionen liegt, wie die Daten des deutschen „Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems“ (KISS) zeigen, bei durchschnittlich 1,6 %. In den Jahren 2000 bis 2016 wurden über KISS zwei Millionen Operationen dokumentiert, in deren Folge kam es zu mehr als 32.000 postoperativen Wundinfektionen.2 Durch ein Bündel von Maßnahmen konnte das Risiko im Laufe der Jahre gesenkt werden. Wie Mediziner der Berliner Charité anhand der KISS-Studiendaten zeigen konnten, treten Wundinfektionen in wärmeren Monaten häufiger auf als in kühleren. An KISS sind Krankenhäuser aus ganz Deutschland angeschlossen – verwaltet wird das System über die Charité, wo Dr. Seven Johannes Sam Aghdassi und seine Kollegen die Daten von mehr als 2 Millionen Operationen mit 32.000 Wundinfektionen im Verlauf von 17 Jahren auswerteten.1, 2
Die Angaben zur Wundheilung aus dem KISS verknüpften die Mediziner mit meteorologischen Messdaten des Deutschen Wetterdienstes. Wie sich zeigte, stand die monatliche Durchschnittstemperatur in einem deutlichen Zusammenhang mit der Zahl der dokumentierten Wundinfektionen: „Grob gesagt, nahm mit jedem Grad, um das die Außentemperatur anstieg, das Risiko für eine postoperative Wundinfektion um ein Prozent zu“, so Aghdassi. Bei der Analyse definierter Temperaturbereiche ergab sich zwischen der kältesten Kategorie (weniger als 5 °C Außentemperatur) und der wärmsten (20 °C oder mehr) ein Risikozuwachs von 13 %. Während sich die Zahl der Infektionen mit grampositiven Erregern nur wenig änderte, nahmen Infektionen mit gramnegativen Keimen – wie etwa Escherichia coli – mit steigenden Temperaturen deutlich zu. Auch waren oberflächliche Wundinfektionen deutlich stärker temperaturabhängig als Infektionen in tieferliegenden Wundbereichen. Die Analyse, an der auch Wissenschafter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung beteiligt waren, habe Aghdassi zufolge einen rein explorativen Charakter. Die Schlussfolgerungen aus seiner Analyse sind daher als Hypothese zu verstehen.1, 2
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch amerikanische und österreichische Studien (unter anderem aus der Orthopädie und der Plastischen Chirurgie), die zeigen, dass in den Sommermonaten signifikant mehr postoperative Wundinfektionen auftreten. In einer amerikanischen Studie lag die Wundinfektionsrate im August um 26,5 % höher als im Januar.3–5
Prinzipiell lässt sich der Ursprung von Wundinfektionen in exogene Infektion, bei der Erreger von außen eingebracht werden, und endogene, bei der die Infektion durch Mikroorganismen der patienteneigenen Hautflora ausgelöst werden, unterscheiden. Wie Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian, Ärztlicher Direktor im Landesklinikum Neunkirchen, erläutert, kommt den Methoden der präoperativen Dekontamination bei der Vermeidung endogener Wundinfektionen große Bedeutung zu. Idealerweise sollte die Operationsvorbereitung mit täglicher antiseptischer Dusche und antiseptischem Nasengel über 3–5 Tage erfolgen. Assadian: „90 Prozent der Mikroflora sitzt nicht an der Hautoberfläche, sondern in den Schweiß-und Talgdrüsen der Epidermis.“ Für ihn erklärt sich ein Zusammenhang mit dem Infektionsrisiko während der Sommermonate zum Teil auch über das Schwitzen: „Mit dem Schweiß werden die Mikroorganismen vermehrt auf die Hautoberfläche und damit auch zu einem frischen Wundrand ausgeschwemmt.“
Die Methoden der präoperativen Dekontamination über 3–5 Tage sind insbesondere vor orthopädischen und viszeralchirurgischen Eingriffen von großer Bedeutung, so Assadian: Personen, die stark schwitzen, und solche mit vorbestehender Follikulitis würden von der präoperativen Hautantiseptik ganz besonders profitieren. Da durch die zur präoperativen Antiseptik verwendeten Wirkstoffe auch eine gewisse zeitlich befristete Ablagerung auf der Haut gewährleistet werde, sei von einem länger anhaltenden antimikrobiellen Effekt – auch nach dem Verdunsten – auszugehen. Die Herausforderung sieht Assadian darin, dass sich durch den Trend zu tagesklinischen Eingriffen die Durchführungsverantwortung für die präoperative Antiseptik zunehmend in den extramuralen Bereich verlagert.
Literatur:
1 Jahrespressekonferenz der DGIM. Februar 2020;
2 Aghdassi S et al., The Association of Climatic Factors with Rates of Surgical Site Infections: 17 years’ data from hospital infection surveillance. Dtsch Arztebl Int 2019; 116:529–36. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0529
3 Roof M et al., Infection Control & Hospital Epidemiology 2020; 41, 127–129
4 Duscher D et al., 2018; DOI: 10.1097/PRS.0000000000004677
5 Anthony C et al., Infect Control Hosp Epidemiol 2017 July; 38(7):809–816. DOI: 10.1017/ice.2017.84.