Die Basis der professionellen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wird durch die Primärversorgung sichergestellt. Im medizinischen Bereich betrifft dies die Fachgebiete der Allgemein- und Familienmedizin sowie der Kinder- und Jugendheilkunde, wobei die Einbindung nichtärztlicher Gesundheitsberufe sowie die Einbettung in regionale Strukturen notwendig und wichtig ist. In Österreich ist der Begriff der Primärversorgung in der Wahrnehmung stark mit dem gleichnamigen Gesetz verbunden. Das klassische Hausarztmodell wird sowohl von den praktizierenden Ärzt:innen als auch im öffentlichen Bewusstsein oft nicht als Primärversorgung wahrgenommen.
Aus diesem Grunde hat die ÖGAM, die Österreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin, einen Prozess gestartet mit dem Ziel, die Notwendigkeit und Wichtigkeit einer vielgestaltigen hausarztzentrierten Primärversorgung aufzuzeigen.
Als Ergebnis besteht nun seit einem Jahr das ÖGAM-Praxissiegel. Basierend auf internationalen Definitionen, nationalen Vorgaben an die Primärversorgung und gesetzlichen Erfordernissen werden mit dem ÖGAM-Praxissiegel eine Vielzahl an Kriterien abgefragt, die zusätzlich zu bereits bestehenden verpflichtenden Qualitätskriterien wie etwa dem DFP-Fortbildungsdiplom oder der ÖQMed-Zertifizierung gefordert werden. Unter den Kriterien sind Pflichtpunkte (z.B. Vertrag mit allen Krankenkassen, Anwendung von Disease-Management-Programmen etc.) zu finden, die unbedingt erfüllt werden müssen. Andere Punkte wie z.B. eine Lehrpraxis sind nicht verpflichtend. Es ist wichtig, zu betonen, dass alle Organisationsformen der Primärversorgung, also auch Einzelordinationen und Gruppenpraxen, das ÖGAM-Praxissiegel beantragen können! Nach Einreichung des Antrages werden die Siegel im Rahmen einer Jurysitzung vergeben und nach Möglichkeit und Wunsch in einem würdigen Rahmen verliehen. Bei Einverständnis der Ausgezeichneten werden diese auch auf der Primärversorgungslandkarte der Plattform Primärversorgung präsentiert.
In den Reihen der Hausärzt:innen soll Bewusstsein geschaffen werden, dass wir alle Primärversorger:innen sind. Es soll zudem aufgezeigt werden, was qualitätsvolle Primärversorgung ausmacht. Es soll dazu motivieren, vielleicht den einen oder anderen Punkt aus dem Antrag zum Praxissiegel selbst in der eigenen Einrichtung umzusetzen, falls dieser noch nicht etabliert sein sollte. Negativ beurteilte Antragsteller:innen bekommen ein ausführliches Feedback seitens der ÖGAM, um eine wertschätzende Hilfestellung in der Umsetzung vielleicht noch nicht erfüllter Pflichtkriterien zu erfahren.
Nach außen hin soll das ÖGAM-Praxissiegel qualitativ hochwertige Primärversorgung in all ihren Umsetzungsmöglichkeiten sichtbar machen. Die Aufnahme in die PV-Landkarte ist hierzu ein wesentlicher Schritt. Die ÖGAM möchte mit der Etablierung des Praxissiegels unterstreichen, dass jede Form von hausärztlicher Primärversorgung gestärkt, unterstützt und gefördert werden muss, wenn das Ziel einer gerechten, guten und sichtbaren Primärversorgung für alle Menschen in Österreich erreicht werden soll.