Die neugewählte Ärztekammer Wien, mit ihrem Präsidenten MR Dr. Johannes Steinhart an der Spitze, sieht die Attraktivierung des Kassenvertrages als eine der größten Dringlichkeiten. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, sei die Öffnung der Primärversorgungseinheiten (PVE) für Fachärzt:innen. Dr. Erik Randall Huber, neuer Obmann der Kurie des niedergelassenen Bereiches und Vizepräsident der Ärztekammer Wien, fordert, das PVE-Modell auch für Kinderärzt:innen zu ermöglichen: „Das Konzept dafür haben wir entwickelt, es liegt an der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), es umzusetzen“, sagt Huber. Grundsätzlich solle es aber allen Sonderfächern offenstehen, eine PVE gründen zu können. „Lange Öffnungszeiten, eventuell auch am Wochenende“ würden helfen, die Spitäler zu entlasten. Es sei aber wichtig, auf einen „guten Mix“ zu setzen und darauf zu achten, die Einzelordinationen zu erhalten, die mit ihrer „familiären“ Herangehensweise ausschlaggebend für das Wohlbefinden der Patient:innen seien. Gleichzeitig brauche es „teure Geräte“, die sich Ordinationen oft nicht leisten können – in PVE für Fachärzt:innen wäre das möglich. Für die PVE für Allgemeinmedizin gebe es derzeit viele Bewerbungen in Wien.
Über die aktuelle Wahlarztdebatte zeigt sich die neue Führung der ÄK Wien „schockiert“. Ärzt:innen sollen gern arbeiten gehen, mit einer Zwangsverpflichtung erreiche man womöglich das Gegenteil. Steinhart ortet hier ein „Versagen der Politik“, es gebe „zu wenig Flexibilität und zu viel Einsparungen“. Flexibilität sei vor allem im Kassenvertrag wichtig: „Nur so können wir mehr junge Menschen für Gesundheitsberufe motivieren. Dazu gehören auch bessere Gehälter und Honorare, damit wir gerade in den schon jetzt bestehenden Mangelfächern die Engpässe wieder ausgleichen und für die Zukunft – bei steigender Bevölkerungszahl – noch mehr Ärzt:innen gewinnen können, um so nicht nur den Status quo der medizinischen Versorgung zu halten, sondern zu verbessern“, betont Steinhart.
Huber sieht auch Reformbedarf im Bereich der Ausbildung. Er wünscht sich eine duale Ausbildung, wo Nachwuchsärzt:innen zuerst zwei Jahre in einer Ordination verbringen sollen, gefolgt von vier Jahren im Spital.
Die Ausbildungsordinationen hätten viele Vorteile: „Die angehenden Ärzt:innen lernen dabei Krankheitsbilder kennen, die sie im Spital in dieser Vielfalt nicht erleben. Mit diesem umfangreichen Basiswissen ausgestattet, können sie danach im Spitalsbereich auch besser eingesetzt werden und erhalten so jene Aufmerksamkeit, die ihnen derzeit oft nicht gegeben wird“, erklärt Huber.
Auch die Oberösterreichische Ärztekammer meldet sich mit Vorschlägen zu Wort. Dort wurde bei den Kammerwahlen Dr. Peter Niedermoser als Präsident ebenso bestätigt wie die Kurienobmänner Dr. Harald Mayer (Angestellte Ärzte) sowie OMR Dr. Thomas Fiedler (Niedergelassene Ärzte). „Die Einstellung junger Kolleg:innen hat sich in den 17 Jahren meiner Präsidentschaft grundlegend geändert. Auf diese neuen Rahmenbedingungen und Wünsche muss künftig noch mehr eingegangen werden“, betonte Niedermoser. Fiedler wünscht sich eine Unterstützung bei Ordinationsgründungen: „Das Investment in eine Niederlassung von einigen Hunderttausend Euro darf für junge Ärzt:innen kein finanzieller Rucksack sein.“ Dazu brauche es neue Ansätze bei der Finanzierung von Praxen, etwa Leasing-Modelle, die eine Anfangsinvestition abfedern. „Dazu wäre es wichtig, dass Ordinationen von den täglichen organisatorischen und technischen Widrigkeiten einer Ordinationsführung freigespielt werden“, sagt Fiedler.