Auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit steht im Kapitel Vorsorge unter anderem zu lesen, dass sich durch die Früherkennung von Krankheiten bessere Heilungschancen ergeben. Trotzdem ist der PSA-Test als wichtigste Früherkennungsmaßnahme betreffend das Prostatakarzinom nicht fixer Bestandteil des Vorsorgeprogramms. Die altersstandardisierte Rate der Neuerkrankungen stieg von Anfang der 1990er-Jahre bis 2003 stark an – doch in erster Linie durch die zunehmend breitere Anwendung des PSA-Tests –, während die Sterberate kontinuierlich seit 2003 um 33 % zurückging (Abb.).
Der Verlauf der Neuerkrankungen spiegelt sehr gut die Diskussion um den PSA-Wert wider. Anfangs als neue Errungenschaft sehr breit und unkritisch eingesetzt, kam es zu einer Phase sehr aggressiver Diagnostik und (Über-)Therapie bei einer in der Mehrzahl der Fälle relativ langsam verlaufenden Tumorerkrankung. Die nicht unwesentlichen potenziellen Nebenwirkungen v. a. der operativen Therapie führten zu heftigen und andauernden Diskussionen um die Sinnhaftigkeit der Früherkennung.
Die urologische Welt musste erst lernen, mit dem PSA-Wert als eigentlichem Organ- und nicht reinem Tumormarker richtig umzugehen.
Das Ziel der Früherkennung darf nicht sein, jedes Prostatakarzinom um jeden Preis zu finden und zu therapieren bzw. radikal zu eradizieren, sondern jene zu erkennen, die zum richtigen Zeitpunkt eine aktive Therapie erfordern, um ein Fortschreiten zu einer metastasierten und damit derzeit noch nicht heilbaren Erkrankung zu verhindern.
Das Problem ist, dass die Studien zum Thema Screening und zur Früherkennung, die teilweise auch von fragwürdiger Qualität sind, unterschiedliche und vereinzelt widersprüchliche Daten liefern und aufgrund des langsamen natürlichen Verlaufs der Erkrankung eine lange Beobachtungszeit erfordern. Die letzte Auswertung der größten diesbezüglichen Studie, der ERSPC (European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer), die 182.160 Männer umfasste, zeigt aber mit Fortdauer der Beobachtungszeit ein immer günstigeres Verhältnis, wobei die Zahlen schon positiver als bei vergleichbaren Mammakarzinomstudien sind. War nach 11 Jahren die Number Needed to Screen noch bei 979 und die Number Needed to Treat bei 35, so betrug die Anzahl der Männer, die zum Screening eingeladen werden mussten, um einen Todesfall an Prostatakarzinom zu verhindern, nach 13 Jahren 742 und nach 16 Jahren nur noch 570, die zur Diagnose erforderliche Anzahl wurde auf 26 bzw. 18 reduziert.
Versuche, die Spezifität des PSA durch zusätzliche Parameter, wie PCA-3 oder PHI (Prostate Health Index) zu verbessern, konnten sich im klinischen Alltag nicht wirklich etablieren. Der freie PSA-Anteil und zuletzt wieder die PSA-Dichte können allerdings ohne großen Aufwand limitierte Zusatzinformationen liefern. Es ist allgemein anerkannt, dass der PSA-Wert im zeitlichen Verlauf, also die PSA-Dynamik, eine wichtigere Rolle spielt als der absolute PSA-Wert.
Daher lautet auch die allgemeine Empfehlung, bereits mit 45 Jahren (bei Vorliegen von familiären Risikofaktoren bereits mit 40) mit regelmäßigen PSA-Bestimmungen zu beginnen und diese in regelmäßigen (risikoadaptierten) Zeitabständen zu wiederholen.
Der früher sicher zu häufige bzw. oft zu frühe Einsatz der Prostatabiopsie konnte durch die breitere Anwendung und zunehmende Erfahrung mit der multiparametrischen MRT in der präinvasiven Diagnostik deutlich reduziert werden. Die Angst vor einer Übertherapie – auch in Zeiten der scheinbar minimalinvasiven roboterassistierten chirurgischen Therapie – konnte durch die zunehmende Erfahrung mit der aktiven Überwachung (Active Surveillance) und Anwendung des MRT statt regelmäßiger Follow-up-Biopsien ebenfalls reduziert werden.
Sicher ist PSA kein idealer Tumormarker, nach wie vor aber der beste Marker, den wir für die Früherkennung des Prostatakarzinoms haben. Wesentlich ist ein verantwortungsvoller und kompetenter Umgang mit dem PSA-Wert als eines der wesentlichsten Steinchen in der einem Mosaik gleichenden Diagnostik des Prostatakarzinoms. Je mehr Steinchen in diesem Mosaik zusammenpassen, desto klarer wird das Bild, mit welcher Art von Prostatakarzinom man es zu tun hat und welche Art der Therapie daraus abgeleitet werden kann.
Es ist der Hintergrund der vor 5 Jahren ins Leben gerufenen „Loose Tie“-Kampagne, die Männer über die Bedeutung und Sinnhaftigkeit einer Früherkennung der häufigsten Tumorerkrankung des männlichen Geschlechts im Sinne eines opportunistischen Screenings aufzuklären, um die in der urologischen Praxis leider noch regelmäßig gesehenen tragischen Fälle von über Rückenschmerzen diagnostizierten, massiv metastasierten Prostatakarzinomen im besten Mannesalter zwischen 50 und 70 Jahren in der Zukunft zu verhindern.
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Originalversion des Artikels ist in krebs:hilfe! 4/2020 erschienen.