Juckreiz und atopische Dermatitis haben in letzter Zeit zunehmende Aufmerksamkeit in der Fachwelt und der Bevölkerung erfahren. Die ersten vielversprechenden systemischen Behandlungen, die gerade eingeführt wurden (z. B. Dupilumab) oder noch als „Leuchtstreifen am Horizont“ in Entwicklung sind, haben eine Aufbruchstimmung ausgelöst, insbesondere bei atopischer Dermatitis (AD), aber auch bei chronischem Pruritus (CP) und der chronischen Prurigo (CPG).
Juckreiz (Pruritus) ist ein sehr häufiges und bei Hauterkrankungen wie AD sehr belastendes Symptom. Während bei akutem Juckreiz (Dauer < 6 Wochen) in vielen Fällen (z. B. akuter Urtikaria) Histamin ein wichtiger Mediator ist und Antihistaminika in der Behandlung erfolgreich sind, ist die Situation bei chronischem Juckreiz (Dauer > 6 Wochen) viel komplexer und die Behandlung daher wesentlich schwieriger.1 Antihistaminika sind bei CP daher auch oft wirkungslos oder bringen nur geringe Linderung.
CP kann im Extremfall bei den Betroffenen durch „Sensibilisierung“ gegenüber Juckreiz und Entwicklung eines „Juck-Kratz- Zyklus“ zu einer eigenständigen Erkrankung, der sogenannten chronischen Prurigo (CPG), führen (Abb. 1). Der CPG kann eine Vielzahl von weiteren dermatologischen, internistischen, neurologischen oder psychisch-psychosomatischen Ursachen zugrunde liegen; in manchen Fällen kann die Ursache auch trotz intensiver Durchuntersuchung unbekannt bleiben. Die pruriginösen Hautveränderungen (derzeit 5 Formen: papulös, nodulär, plaqueförmig, ulzeriert, linear)2, 3 führen zusammen mit dem oft intensiven Juckreiz zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität bei den Betroffenen. Bis heute gibt es aber noch keine zugelassenen Medikamente gegen CP oder CPG.
Bei der AD (Abb. 2), der häufigsten entzündlichen Hauterkrankung mit einer Prävalenz von 15–30 % im Kindesalter und 2–10 % bei Erwachsenen4, Tendenz weiter steigend, ist der chronische Juckreiz ebenfalls ein äußerst wichtiges und diagnosebestimmendes Symptom.5 Für die Patienten ist der chronische und oft unerträgliche Juckreiz, der zu regelrechten Kratzattacken und Verletzungen der Haut führt, noch vor Ekzem und Schuppung das am meisten belastende Symptom.6 Durch den intensiven CP kann auch die AD entsprechend den oben beschriebenen Mechanismen in eine CPG übergehen. So findet man in 30–50 % der Fälle von CPG eine AD oder atopische Disposition in der Anamnese.
Die große Zahl an Betroffenen, der meist frühe Beginn im Kindesalter und die oft lange Krankheitsdauer, die bis ins Erwachsenenalter reichen und weiter andauern kann, machen die AD zu einer besonderen Hauterkrankung, die für viele zum bestimmenden Einflussfaktor in ihrem gesamten privaten und beruflichen Leben wird. Neben den physischen und psychischen Belastungen durch die Erkrankung treffen die Patienten hohe zeitliche Aufwendungen für die tägliche Behandlung mit topischen Therapeutika (Emollienzien, Kortikosteroiden, Calcineurininhibitoren etc.) und durch unvollständige Kostenübernahme durch die Gesundheits- bzw. Krankenkassen zusätzliche finanzielle Belastungen.
Die letzten Jahre brachten nun erstmals Hoffnung für Patienten mit AD und CPG. Durch die intensive Forschung auf dem Gebiet der AD und des CP wurden trotz der komplexen Materie signifikante Fortschritte gemacht.
Durch die Einführung von Dupilumab, dem ersten Biologikum, das durch Blockade des Interleukin-4-Rezeptors-A die Wirkung von IL-4 und IL-13 hemmt und im Stande ist, die ekzematösen Hautveränderungen und Juckreiz bei der AD zu bessern7, wurde „ein Tor aufgestoßen“, durch das immer weitere neue Substanzen in die Behandlung der AD nachdrängen. So sind allein für die topische und systemische Behandlung bei der atopischen Dermatitis mehr als 70 Substanzen in Entwicklung und/oder klinischer Prüfung.8
Auch bei der CPG und dem CP, für die es derzeit überhaupt keine zugelassenen systemischen Therapien gibt, zeigen sich Lichtblicke für effektive Therapieansätze mit den in klinischen Studien befindlichen Neurokinin-1-, Opiat-Rezeptor- und Interleukin-31-Rezeptor-Antagonisten.9, 10
In dieser therapeutischen Aufbruchstimmung ist es für unsere Hautklink in Graz von entscheidender Bedeutung, an der Entwicklung neuer, wirksamer und hoffentlich nebenwirkungsarmer Medikamente für AD sowie CP und CPG teilzunehmen. Ausgehend von meinem Interesse an Juckreiz im Allgemeinen und der CPG im Speziellen und dem Betreiben einer Sprechstunde für CP („Pruritusambulanz“) an der Grazer Hautklinik seit mehr als 10 Jahren, haben sich durch Kontakte mit Pharmafirmen Beteiligungen an internationalen, multizentrischen Studien bei CPG ergeben. Nachdem Juckreiz auch ein zentrales Symptom der AD ist, war es naheliegend, auch bei internationalen multizentrischen Studien zum Thema „atopische Dermatitis“ teilzunehmen.
Das Kernteam: Aus einem Ein-Mann- (Franz J. Legat) und Ein-Frau-Team (Klara Waltner) ist durch die sehr engagierte Mitarbeit von Kolleginnen und Kollegen an der Grazer Hautklinik (Birgit Sadoghi, Wolfgang Weger), aber auch durch die Förderung der Klinikleitung (Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer, Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf) etwas Größeres entstanden. Durch die Teilnahme an mehreren multizentrischen klinischen Studien auf dem Gebiet der CPG und AD konnten weitere ärztliche Kolleginnen (Romana Kupsa und Eva Narro-Bartenstein) für eine Zeitlang finanziert und in die Betreuung der Studienpatienten eingebunden werden. Schließlich hat sich ein Kernteam (Foto) aus Klara Waltner (Studienkoordinatorin), Maria-Lisa Repelnig und Urban Cerpes (Investigatoren) um mich als „Principal Investigator“ gebildet, auf das ich außerordentlich stolz bin und das unsere Patienten in den klinischen Studien der CPG und AD hervorragend betreut (Abb. 3).
Viele Unterstützer: Auch wenn das Kernteam natürlich die Hauptaufgaben erfüllt, so sind es darüber hinaus viele Personen, die uns unterstützend zur Seite stehen. So ist Isabella Perchthaler immer wieder mehr als ein „Back-up“ für unsere Studienkoordinatorin Klara Waltner. Tanja Schug und Hannes Pilic unterstützen uns, wenn Studien „unblinded Pharmacists“ benötigen, damit bei der Vorbereitung der Studienmedikation keine „Entblindung“ des Studienpersonals eintreten kann, wenn das Studienmedikament von Placebo unterscheidbar wäre. Medizinische Dokumentation ist in klinischen Studien von großer Bedeutung und fotografische Dokumentation oft sehr wichtig. Hier sind wir an der Grazer Hautklinik in der glücklichen Lage, gleich 3 professionelle Fotografen (Almuth Kunrath, Silke Schweighart und Werner Stieber) zu haben, die unsere Studienpatienten bestmöglich „ablichten“ können.
Klinische Studien können heute nicht mehr allein von einer Person oder einem kleinen Kernteam durchgeführt werden. Es braucht viele unterstützende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einer Klink. Dies fängt beim Vorstand (Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf) an und umfasst alle ärztlichen Mitarbeiter (v. a. in den Bereichen der Allergieambulanz, Photodermatologie, Allgemeinambulanz und den Stationen), das gesamte Personal der Pflege (für unsere Studien von unschätzbarem Wert ist das Pflegeteam der Photodermatologie, die „PUVA-Schwestern“) und der Administration, in der Frau Alexandra Rodlauer-Kriegl mit der Abrechnung der studienbezogenen Leistungen eine Schlüsselposition innehat. Von großer Bedeutung sind natürlich auch die niedergelassen Fachärztinnen und Fachärzte außerhalb der Klinik, die oft den ersten Kontakt mit den Patienten haben und erkennen, welche Patienten für eine klinischen Studie geeignet wären, und an uns weiterleiten.
Für die Abwicklung von klinischen Studien braucht es aber auch die Unterstützung mehrerer Einrichtungen der Medizinischen Universität Graz (MUG), allen voran das Team des Forschungsmanagements, das die Drehscheibe der Studienabwicklung auf universitärer Ebene darstellt. Eine sehr fruchtbringende Zusammenarbeit mit der Rechts-, Finanz- und Personalabteilung der MUG macht die Durchführung von klinischen Studien für unser Team überhaupt erst möglich. Eine besondere Bedeutung kommt unserer Ethikkommission zu: Unter der Leitung von Univ.-Prof. DI Dr. Josef Haas ist sie eine Partnerin geworden, die mit hohem persönlichen und zeitlichen Einsatz und Expertise ihrer Mitglieder alle von uns eingereichten Studien kritisch auf ihren Nutzen und den Schutz der Studienpatienten prüft und damit klinische Studien sicherer und besser macht.
Die beste Qualität der Mitarbeiter und die besten logistischen Voraussetzungen einer Klinik und Universität für die Durchführung von klinischen Studien sind aber ohne Wert, wenn es nicht neugierige und mutige Patienten gibt, die bereit sind, durch ihre Teilnahme an klinischen Studien aktiv den Fortschritt in der Medizin zu unterstützen. Allen teilnehmenden Patienten gebührt daher unser größter Dank!
Klinische Studien für CPG und AD brauchen ein Kernteam zur qualitätsvollen Durchführung, es braucht aber ein Umfeld des „Wohlwollens für klinische Studien“ und viele helfende Hände und Köpfe, damit daraus ein „Studienzentrum“ entstehen kann. Diese Voraussetzungen für ein Studienzentrum sind an unserer Grazer Hautklinik in vollem Umfang gegeben. Im Interesse unserer Patienten, unserer Hautklinik und unserer Medizinischen Universität in Graz werden wir auch in Zukunft versuchen, das „Studienzentrum für chronische Prurigo und atopische Dermatitis“ weiter auszubauen, über die Grenzen des Landes bekannt zu machen, und so unseren Beitrag zum medizinischen Fortschritt in diesen Bereichen zu leisten.