Psychosoziale Folgen von Krebs häufig unterschätzt

Eine optimale Versorgung in der Onkologie geht über die medizinischen bzw. pflegerischen Komponenten hinaus. Die soziale Dimension einer Krebserkrankung wird jedoch häufig kaum berücksichtigt, weshalb dieses Thema im Österreichischen Krebsreport2024 im Fokus steht. Expert:innen informierten in einem Pressegespräch über aktuelle Zahlen zu Krebs und Beruf sowie über notwendige volkswirtschaftliche Maßnahmen zur Abfederung der psychosozialen Auswirkungen von Krebserkrankungen.

V. l. n. r.: Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Univ.-Prof.in DDr.in Eva K. Masel, Priv.-Doz.in Dr.in Kathrin Strasser-Weippl, Mag.a Dr.in Monika Hackl, Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Walter Voitl-Bliem, MBA, Doris Kiefhaber; © Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Krebs schlägt mitten im Leben zu

Krebs ist keineswegs nur eine Erkrankung des Alters: Neue Daten zeigen, dass 2 von 5 Patient:innen in einem Alter zwischen 15 und 65 Jahren erkranken. In Österreich betrifft dies 15.100 Personen pro Jahr, wovon 8.500 die Krebsdiagnose während aufrechter Berufstätigkeit erhalten. Leider befanden sich 23 % der Menschen, welche die Diagnose mindestens 5 Jahre überlebt haben, nach 2 Jahren nicht mehr im Erwerbsleben. Die Alterskohorte der > 55-Jährigen sowie junge Erkrankte am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn sind in dieser Gruppe überproportional vertreten; ein niedriger Bildungsgrad sei ein zusätzlicher Risikofaktor, berichtet Priv.-Doz.in Dr.in Kathrin Strasser-Weippl, die wissenschaftliche Leiterin des Krebsreportes.

Zu den körperlichen Problemen im Umgang mit einer Krebserkrankung kommen bei Erwerbstätigen noch die Sorge um den Beruf sowie durch die Krankheit verursachte finanzielle Belastungen hinzu. „Wir erleben täglich in den Krebshilfe-Beratungsstellen, wie enorm die Herausforderungen für Betroffene und Angehörige sind“, erzählt Krebshilfe-Präsident Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda. Seit über 10 Jahren besteht ein Soforthilfe-Fonds der Krebshilfe, der bisher fast 4.000 Krebspatient:innen, die durch die Erkrankung unverschuldet in finanzielle Not geraten sind, mit 3.400.000 Millionen Euro unterstützt hat.

Forderungen an die Politik

Um Menschen mit Krebs vor der Armutsfalle zu schützen, wurden einige Forderungen an alle gesundheitspolitischen Verantwortlichen gerichtet. Eine komplette Finanzierung psychoonkologischer Betreuung durch die öffentliche Hand ist unabdingbar, um den Betroffenen ausreichend Unterstützung bei den Ängsten und Sorgen, die eine lebensbedrohliche Erkrankung mit sich bringt, zu bieten. Zudem wurde ein effektiver Kündigungsschutz im Krankenstand sowie eine verpflichtende Wiedereingliederungsteilzeit für Dienstgeber:innen gefordert. Nach einer Krebserkrankung fühlen sich die Wenigsten in der Lage, gleich wieder Vollzeit zu arbeiten. Obwohl die Möglichkeit zum schrittweisen beruflichen Wiedereinstieg bereits seit 2017 besteht, ist diese (freiwillige) Maßnahme bisher kaum bekannt. Darüber hinaus sollte das Angebot für onkologische Rehabilitation ausgebaut werden, wodurch sich erwiesenermaßen die Arbeitsfähigkeit deutlich steigern lässt.

Dringender Bedarf für Betroffene, bei denen eine Heilung nicht mehr möglich ist, bestehe auch beim Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung, worauf Univ.-Prof.in DDr.in Eva K. Masel, Vorstandsmitglied der Österreichischen Palliativgesellschaft und der Krebshilfe, hinweist: „Hospiz- und Palliativversorgung ist ein Zeichen der menschlichen Solidarität und ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Ihr Ausbau ist eine Investition in die Würde jedes/jeder Einzelnen.“