Im Rahmen des ICD-10 sind die organischen Schlafstörungen insgesamt dem neurologischen Spektrum zuzuordnen, wohingegen die nichtorganischen Schlafstörungen dem Fachgebiet der Psychiatrie zugerechnet werden. Ungefähr 10 % der Bevölkerung sollen von der sogenannten primären Insomnie betroffen sein, die durch zu wenig Schlaf charakterisiert ist. Diese tritt in diesem Fall nicht als Symptom einer psychischen oder organischen Erkrankung auf, sondern ist als eigenständiges Krankheitsbild zu werten.
Ein- und Durchschlafstörungen bzw. das Gefühl des nichterholsamen Schlafs kommen bei zahlreichen psychischen Erkrankungen vor. Sie gelten als besonders belastendes Symptom und treten am häufigsten bei affektiven Erkrankungen auf. Anhaltende Schlafstörungen bedeuten vor allem für depressive Patient:innen einen sehr quälenden Zustand und können in diesem Zusammenhang einen relevanten Risikofaktor für Suizidalität darstellen. Auch im Rahmen einer Alkoholabhängigkeit verursacht vor allem in fortgeschrittenen Fällen die damit einhergehende Tiefschlafreduktion eine Beeinträchtigung der Schlafqualität. Ein relevantes klinisches Problem stellen Schlafstörungen bei Demenzen dar, wobei es mit dem Fortschreiten der Erkrankung letztendlich zu einer vollständigen Auflösung des monophasischen Schlafzyklus und damit des Tag-Nacht-Rhythmus kommen kann. Die meist begleitende nächtliche Unruhe und Verwirrtheit stellt einen gravierenden Belastungsfaktor für Angehörige und Pflegepersonen dar.
Der wichtigste diagnostische Schritt ist das Erheben einer umfassenden Anamnese, die nicht nur den Schlaf, sondern auch die Tagesbefindlichkeit erfassen soll. Neben dem Schlafverhalten, eventuellen Belastungsfaktoren sowie biorhythmischen Besonderheiten ist auch das Erfassen von Begleiterkrankungen und nicht zuletzt ungünstiger Lebensgewohnheiten – wie der Gebrauch von Genuss- oder Suchtmitteln (Koffein, Alkohol), unregelmäßige Bettzeiten sowie übermäßiger Medienkonsum – von Relevanz. Auch Medikamente können hier eine Rolle spielen.
Ergänzend sind das Erheben der Anamnese körperlicher Erkrankungen sowie die sorgfältige somatische Untersuchung und der psychopathologische Status relevant. Serologisch sind neben dem Blutbild in erster Linie Schilddrüsenparameter und Leberenzyme abzuklären. Apparative Untersuchungen wie die Polysonografie im Schlaflabor spielen nur im Rahmen gezielter Indikationsstellungen eine Rolle. Dazu zählt neben dem Verdacht auf eine organische Schlafstörung auch die Abklärung von Risikogruppen (z. B. von Berufskraftfahrern).
Den ersten Schritt stellen nicht medikamentöse Maßnahmen dar. Dazu gehören Beratungen zur Schlafhygiene und zum Stressbewältigungsmanagement. Regelmäßige Schlafzeiten, ein ruhiger Schlafplatz sowie die individuelle Gestaltung von Einschlafritualen sind empfehlenswert. Auch das Erlernen von Entspannungstechniken kann eine nicht zu unterschätzende Hilfestellung für die Patient:innen sein. Bei Schlafstörungen im Rahmen psychiatrischer Erkrankungen ist die Behandlung der Grunderkrankung entscheidend, wobei Benzodiazepine aufgrund des Abhängigkeitsrisikos nur kurzfristig angewandt werden sollen. Eine Sonderstellung nehmen die Nicht-Benzodiazepin-Agonisten (sogenannte Z-Substanzen wie Zolpidem, aber auch Eszopiclon) ein. Diese sind zur Kurzzeitbehandlung über 3–4 Wochen zugelassen, bei längerer Einnahme ist das Abhängigkeitspotenzial zu beachten.
Sowohl bei symptomatischer Schlafstörung als auch bei der primären Insomnie haben sich sedierende Antidepressiva wie Mirtazapin und Trazodon in der längerfristigen Behandlung am besten bewährt. Bei Mirtazapin ist allerdings auf eine mögliche Gewichtszunahme zu achten. Dem gegenüber sollten sedierende Antipsychotika wenn überhaupt nur sehr kritisch und unter Beachtung des Nebenwirkungsprofils eingesetzt werden. Es ist zu betonen, dass es sich dabei durchwegs um einen „Off-Label Use“ handelt, sodass deren Einsatz nur beim Versagen anderer Optionen und unter Beachtung der entsprechenden Dokumentationspflicht zu rechtfertigen ist.
Nach neueren Untersuchungsergebnissen kann eine bestehende Insomnie als Prädiktor für eine später auftretende Depression gewertet werden. Auch für Angststörungen, Alkoholmissbrauch und psychotische Symptome scheint ein erhöhtes Risiko vorzuliegen. Es wird daher empfohlen, Patient:innen mit Insomnie im Hinblick auf psychiatrische Erkrankungen regelmäßig zu screenen.
Praxismemo