Die Vorsorgekoloskopie gilt als der Goldstandard in der Darmkrebs-prävention; das Ziel: Darmkrebs in einem kurativen Stadium bzw. bereits die Vorstufen (Adenome, Polypen) zu entdecken und im Rahmen derselben Untersuchung abzutragen. Eine Koloskopie kann jedoch nur dann effektiv vor der Entstehung von Darmkrebs schützen, wenn gewisse Qualitätsparameter erfüllt werden. Zu diesen zählen eine adäquate Darmvorbereitung, die Inspektion des gesamten Dickdarms inkl. Intubation des Coecums, die Fähigkeit, alle potenziell vorhandenen Polypen zu entdecken und mittels leitlinienkonformer Technik abzutragen sowie die Patient:innen zur Nachsorge wiederzubestellen.
Die Vorsorgekoloskopie ist seit 2005 Teil der Gesundenuntersuchung in Österreich. 2007 wurde das „Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsorge“ ins Leben gerufen. Niedergelassene sowie in Krankenhäusern oder Ambulatorien tätige Chirurg:innen und Fachärzt:innen für Innere Medizin, die Vorsorgekoloskopien durchführen, können sich für die Teilnahme an diesem Qualitätssicherungsprogramm auf freiwilliger Basis bewerben. Zahlreiche internationale Studien sowie Daten aus Österreich der letzten Jahrzehnte konnten die Wichtigkeit einer qualitativ hochwertigen Untersuchung untermauern.
Adenomentdeckungsrate: Der Parameter, der in der Qualitätssicherung als Goldstandard herangezogen wird, ist die sogenannte Adenomentdeckungsrate (ADR) von Endo-skopiker:innen. Diese ist definiert als prozentueller Anteil an Untersuchungen, bei denen mindestens ein Adenom in allen von En-doskopiker:innen durchgeführten Untersuchungen entdeckt wurde, und soll nach derzeitigen Leitlinien ≥ 25 % betragen. Entdecken Endoskopiker:innen durchschnittlich bei weniger als jeder vierten Vorsorgekoloskopie ein Adenom, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, ein Adenom übersehen zu haben. Die ADR korreliert invers mit dem Auftreten von Post-Screening-Karzinomen. Als solche werden Karzinome bezeichnet, die nach einer Vorsorgeuntersuchung und vor der geplanten Nachsorge entstehen. Ein Anstieg der ADR von Endoskopiker:innen um 1 % führt zu einer 3%igen Reduktion des Risikos für Patient:innnen, ein Post-Screening-Karzinom zu entwickeln.
Anhand österreichischer Daten konnte gezeigt werden, dass Patient:innen aller Risikogruppen (jene mit Niedrigrisikopolypen, Hochrisikopolypen sowie negativer Koloskopie) ein niedrigeres Risiko hatten, ein Post-Screening-Karzinom zu entwickeln bzw. daran zu versterben, wenn die Koloskopie mit einer leitlinienkonformen ADR durchgeführt wurde, wobei die Assoziation mit der Untersuchungsqualität bei Hoch-risikopatient:innen am stärksten war.
Die durchschnittliche ADR der Endo-skopiker:innen, die am „Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsorge“ teilnahmen, lag 2022 bei 25,9 %. Daten aus dem Qualitätszertifikat zeigen zudem, dass die Rate an adäquater Darmvorbereitung sowie die Rate an vollständigen Untersuchungen (inkl. Intubation des Coecums) ≥ 90 % betragen und somit den internationalen Leitlinien entsprechen. Verbesserungsbedarf gibt es hingegen bei der Polypektomietechnik von Polypen < 5 mm. Diese sollen mittels Schlinge abgetragen werden, da mit einer Zangenabtragung nur knapp 40 % dieser Polypen komplett abgetragen werden können.
Personen, bei denen einmal ein Adenom aufgetreten ist, haben ein erhöhtes Risiko, ein weiteres Adenom zu entwickeln bzw. an Darmkrebs zu erkranken. Das Risiko ist vor allem für Personen erhöht, die ≥ 5 Adenome oder Adenome ≥ 1 cm oder mit hochgradiger Dysplasie oder serratierte Polypen ≥ 1 cm oder serratierte Polypen mit Dysplasie hatten. Diese Patient:innen sollen bereits nach 3 Jahren zu einer Nachsorgekoloskopie bestellt werden. Für Patient:innen der Niedrigrisikogruppe sowie jene mit negativer Koloskopie ist eine Nachsorge nach 10 Jahren ausreichend. Wird die Indexkoloskopie internationalen Qualitätsrichtlinien entsprechend durchgeführt, ist der protektive Effekt im Fall einer negativen Koloskopie sogar bis zu 15 Jahren nachgewiesen.
Derzeit nehmen nur etwa 18 % der Zielbevölkerung am opportunistischen Darmkrebsscreening teil. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Teilnahmeraten bei einem populationsbezogenen Screening mit Einladung deutlich höher sind. In einem organisierten Screeningprogramm erhalten Personen, sobald sie in eine Risikogruppe fallen – im Fall von Darmkrebs, sobald das 45. Lebensjahr erreicht wurde – , eine Einladung, an einer Screeninguntersuchung teilzunehmen, idealerweise bereits mit einem vorgeschlagenen Termin. So könnten deutlich höhere Teilnahmeraten an dieser nachgewiesenermaßen sehr effektiven Vorsorgeuntersuchung erreicht werden. Seitens des Nationalen Screening-Komitees wird zur Einführung eines organisierten Darmkrebs-Screening-Programms eine Koloskopie ab 45 Jahren (bei negativem Befund alle 10 Jahre) oder ein FIT alle zwei Jahre empfohlen. Beide Screeningstrategien werden als gleichwertig angesehen.
Praxismemo