Heiße Debatte: Immer wieder wird beklagt, wie wenig in Österreich in die Prävention investiert wird und wo Lücken im System der Rehabilitation vorhanden sind. 1.660 Milliarden Euro gaben die Versicherungsträger im Jahr 2011 für „Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge“ aus. Doch speziell der Reha-Effekt verflacht mit der Zeit. Was sollte geschehen?
„Es gibt eindeutige Empfehlungen für eine Rehabilitation bei COPD-Patienten. Alle Studien zeigen, dass Patienten nach einer Exazerbation von solchen Maßnahmen profitieren. An die 40% werden ja innerhalb von drei Monaten wieder ins Spital aufgenommen. Das gilt es zu verhindern“, sagte OÄ Dr. Sylvia Hartl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖPG), im Gespräch mit der Ärzte Krone.
COPD-Erkrankte sind in diesem Zusammenhang „Klassiker“. Die Spezialistin: „Der Effekt der Rehabilitation ist sowohl bei Patienten gegeben, die im Stadium I–II der COPD sind und noch eine gute Lungenfunktion haben, als auch im Wesentlichen für die Stadien II und III.“
Das Problem: Einrichtungen für die stationäre Rehabilitation von COPD-Patienten gibt es in Österreich – in Zentren. Mit der ambulanten Rehabilitation tut sich das österreichische Gesundheitssystem da schon merklich schwerer. Hartl: „Einerseits sollte es in Zyklen zur Wiederholung solcher Rehabilitationsmaßnahmen kommen. Das könnte auch in ambulanten Einrichtungen erfolgen. Andererseits können Patienten mit leichter bzw. milder COPD durchaus selbst trainieren.“
Doch da würden eben die Strukturen fehlen. Und, so die ÖGP-Präsidentin: „Nicht alles, was Training ist, muss sofort ‚medizinisch‘ sein bzw. bedarf eines großen Aufwandes der Sozialversicherung. Wir haben in unserer ‚Nordic Walking‘-Studie (Marie-Kathrin Breyer et al., Respiratory Research 2010; 11:112) gezeigt, dass man mit dreimal einer Stunde Walken binnen drei Monaten (FEV1 am Beginn: 48%; Anm.) Aktivität und Leistungsfähigkeit signifikant erhöhen kann (z.B. im Sechs-Minuten-Gehstreckentest um fast 80 m, p < 0,01 im Vergleich zu einer Kontrollgruppe; Anm.). In Deutschland gibt es schon solche Trainingsgruppen.“ In Österreich – eine Lücke.
Die Gesundheit Österreich GmbH hat sich mit ihrem „Rehabilitationsplan 2012“, einer Bedarfsabschätzung zur „Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen“ (2010) und auch mit einer Literaturstudie zur „Wirksamkeit der stationären Rehabilitation“ (November 2011, im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt) intensiv mit diesem Fachgebiet auseinandergesetzt.
GÖG-Chef Mag. Georg Ziniel: „Prinzipiell macht es bei einer qualitätsgesicherten Rehabilitationsmaßnahme keinen Unterschied, ob diese stationär oder ambulant erfolgt.“ Im ambulanten Sektor sei in Österreich ein zusätzlicher Bedarf an Reha-Kapazitäten gegeben. Man werde insgesamt ein gut abgestimmtes System benötigen, das die von Indikation zu Indikation und von Fall zu Fall verschiedenen Anforderungen erfülle.
Nachhaltigkeit? Dr. Alexander Eisenmann von der GÖG hat dazu mit Koautoren eine Literaturstudie durchgeführt. Einige Daten:
„Eine systematische Übersichtsarbeit (2012; Anm.) zeigte gute und lang anhaltende Effekte (über zwölf Monate; Anm.) der Rehabilitation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates und in der neurologischen Rehabilitation. So konnten kardiovaskuläre Risikofaktoren wie systolischer und diastolischer Blutdruck, Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, Triglyzeride, Übergewicht und Zigarettenkonsum sowohl kurzfristig als auch langfristig (zwölf Monate nach Rehabilitationsende) verbessert werden, wenn auch mit Abschwächung über die Zeitachse. Ebenso wurde auch die körperliche Leistungsfähigkeit positiv beeinflusst, dies gilt auch für Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates und für neurologische Krankheiten. Nicht ganz so stark waren die Resultate bei Stoffwechsel- und Lungenerkrankungen“, erklärte PVA-Chefarzt Prof. Dr. Rudolf Müller im Gespräch mit der Ärzte Krone.
Man müsse – so Müller – die Patienten vermehrt dort „abholen“, wo sie sich in ihrer Lebenssituation befinden. Vorstellbar sei durchaus, dass man nach drei bis vier Wochen intensiver Phase-II-Rehabilitation mit Lebensstiländerung die Betroffenen auch über eine längere Phase hinweg – zum Beispiel zweimal pro Woche ambulant – in einer Phase-III-Rehabilitation betreue: „Dann bleibt auch mehr hängen.“
Doch irgendwann ist Schluss. Der PVA-Chefarzt: „Die Menschen sollten auch selbstständig etwas tun und Mitverantwortung für ihre ‚Gesundheit‘ übernehmen. Wichtig ist die Vernetzung mit dem niedergelassenen Bereich, um so die Möglichkeiten von Akutmedizin, Rehabilitation und niedergelassenen Ärzten abzustimmen und bestmöglich zu nutzen. Da hoffe ich schon, dass die Gesundheitsreform auch zu einem stärkeren Zusammenrücken führt.“
Die PVA hat 2012 für „Medizinische Rehabilitation“ (ohne Hilfsmittel) rund 221 Millionen Euro ausgegeben. Es gab rund 91.000 genehmigte Anträge für „normale Heilverfahren“, fast 49.000 für Anschlussheilverfahren, rund 38.000 für Reha-Heilverfahren und mehr als 8.000 für ambulante medizinische Rehabilitation.
Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), Dr. Reinhold Glehr, will Wohnortnähe, Multiprofessionalität und die Möglichkeit zu wiederholter Nachbetreuung in der Rehabilitation kombiniert sehen: „Ich bin momentan von der tagesklinischen Rehabilitation sehr angetan. In Klagenfurt mit dem dortigen Schmerzzentrum gibt es das. Dort arbeiten Vertreter verschiedener Professionen zusammen, also nicht nur Physiotherapeuten. Es gibt eine hohe Betreuungsintensität durch Ärzte.“
Die Grundproblematik, so Glehr: „Wir haben ja beispielsweise gerade bei der Physiotherapie das Problem, dass die Betreuung pro Behandlungseinheit aus Kostengründen kurz und die ärztliche Aufsicht sehr ausgedünnt ist, zusätzlich wechseln die Therapeuten sehr häufig.“
Am PVA-Rehazentrum (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) in Großgmain in Salzburg will man die Telemedizin einsetzen. Kardiologe Prim. Dr. Johann Altenberger (PVA-Rehazentrum Großgmain): „Wir haben zwei Probleme: Erstens kommen nur 40% der Patienten in eine Reha-Einrichtung. Zweitens ließe sich die Nachhaltigkeit des Effektes der Rehabilitation noch steigern. Die ‚Engstelle‘ ist behoben, die Spitze des Eisberges ist weg, aber die Probleme mit dem Lebensstil und der Compliance kommen wieder.“
Das Projekt, so Altenberger: „OA Dr. Kurt Wallner hatte die Idee, die stationäre Rehabilitation auf zwei Wochen zu verkürzen und dann eine teleüberwachte Bewegungstherapie mit dem Ergometer über zehn Wochen hinweg anzuschließen. Die Patienten bekommen an Schulung und Therapie bei uns sozusagen einen Crashkurs und erhalten dann für die weiteren Wochen ein Ergometer für zu Hause.“
Das Ganze funktioniert mit einer vom deutschen Telemedizin-Unternehmen EvoCare bereitgestellten Ausrüstung. Der Kardiologe: „Der Patient bekommt ein Trainingsprogramm, bei dem die Steuerung über die Pulsfrequenz läuft. Die Daten gehen zur Auswertung an EvoCare. Der Patient kann bei Bedarf auch gleich direkt kontaktiert und beraten werden.“ Die Effekte sollen im Rahmen der Studie (TeleRehabilitation In Corornary Artery Disease, TRIC) im Salzburger Zentrum belegt werden: Mit 150 Patienten, die entweder eine herkömmliche Rehabilitation bekommen oder mit dem neuen System versorgt werden. Die Nachuntersuchungen erfolgen nach 12, 26 und 52 Wochen. Die Studie ist laut Altenberger recht gut angelaufen, man benötige aber noch weitere Patienten, sagte er vor wenigen Tagen.
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