a. o. Univ.-Prof. Hauer: Prinzipiell unterscheidet man die akute von der chronischen Diarrhö, die per definitionem für mindestens 2 Wochen besteht. Im schlimmsten Fall handelt es sich um eine schwere angeborene Durchfallerkrankung mit wasserklarem Stuhl. Diese Kinder sind dann meist intensivpflichtig und benötigen eine parenterale Ernährung. Im Gegensatz dazu ist der akute Durchfall ein häufiges Problem bei Kindern. Akute Gastroenteritiden sind insofern von großer Relevanz, als sie weltweit die zweithäufigste Todesursache bei Kindern im Alter von bis zu 5 Jahren sind, v. a. in sog. Entwicklungsländern. Todesursache Nummer eins sind Infekte der Atemwege.
Die Therapie der Wahl ist seit mittlerweile Jahrzehnten unverändert die Gabe oraler Elektrolytlösung, zusammengestellt nach den Leitlinien der ESPGHAN, der European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition. Die WHO empfahl zunächst Lösungen mit einem für Industrienationen zu hohen Natriumgehalt, eben in Hinblick auf die Cholera, die in Europa jedoch keine Rolle spielt. Als orale Rehydrationslösungen stehen vorgefertigte Präparate verschiedenster Firmen zur Verfügung.
International besteht die Leitlinie, dass selbstgemachte „Lösungen“ wie Hühnersuppe, verdünnter Apfelsaft oder Cola nicht verwendet werden dürfen, da sie u. a. durch ihren hohen Zuckergehalt den Durchfall noch verschlimmern, was v. a. bei kleinen Kindern gefährlich ist. Das Kind soll 4 Stunden lang mit der vorgefertigten Lösung rehydriert werden und danach mit dem weiter ernährt werden, was es vorher vertragen hat: Das ist idealerweise eine schonende altersentsprechende Kost, z. B. gedämpfte Erdäpfel oder Reis. Wichtig ist zudem, den Eltern zu erklären, dass weicher, etwas übelriechender Stuhl noch kein Durchfall sein muss. Eine Diarrhö liegt dann vor, wenn das Kind wirklich viel Flüssigkeit mit dem Stuhl verliert – also quasi „ausrinnt“.
Probiotika ja oder nein – das ist inzwischen eine Geschmacksfrage. Es gibt einige Studien, die für bestimmte Probiotika einen Benefit zeigen konnten, beispielsweise eine um einen Tag verkürzte Gastroenteritis bei Rotavirusinfektion oder auch die Reduktion um einen Krankenhaustag. Das ist auch psychosozial gesehen von Vorteil und kann u. a. dazu beitragen, nosokomiale Infekte zu vermeiden, aber eine Probiotikagabe ist – auch laut Leitlinien – kein Muss und zudem nur für Kinder mit normaler Immunabwehr geeignet.
Der Grad einer Dehydration wird klinisch in drei Stadien eingeteilt. Bei milder Ausprägung kann das Kind schon trockenere Lippen haben, ist aber noch in stabilem Allgemeinzustand und eine orale Rehydration ambulant, z. B. auch zuhause, ist in der Regel ausreichend. Bei mäßiger Dehydration bleiben schon Hautfalten stehen und oft stellt man bereits eine erhöhte Herzfrequenz und oberflächlichere Atmung fest. Wenn die Kinder in diesem Zustand noch kooperativ sind und gut schlucken können, kann häufig noch oral rehydriert werden. Geht dies nicht mehr oder liegt bereits eine schwere Dehydration vor, ist eine Infusionstherapie notwendig. Diese ist auch dann erforderlich, wenn die Kinder zwar gut trinken, aber weiter erbrechen und somit keine Flüssigkeit behalten können.
Primär wird beim Durchfall keine Antibiotikatherapie angewandt. Bei Kindern in schlechtem Allgemeinzustand mit blutigem Durchfall wird die Entscheidung zur Antibiotikagabe in der Klinik immer individuell und abhängig vom Erreger getroffen.
Üblicherweise sistiert in diesem Fall der Durchfall nach Beendigung der Antibiotikatherapie wieder. Supportiv helfen orale Rehydrationslösung und Schonkost. Gelegentlich werden auch Probiotika eingesetzt.
Von den Allergien im Kindesalter ist die Kuhmilchallergie die häufigste. Sie betrifft mit 2–10 Prozent zwar sehr viele Säuglinge, heilt aber meist innerhalb der ersten drei Lebensjahre aus. Da die Kuhmilch auch über die Muttermilch an die Säuglinge weitergegeben wird, hilft nur eine völlige Vermeidung von Kuhmilchprodukten von Mutter und Kind. Hypoallergene Ernährung ist in diesem Szenario nicht die Therapie der Wahl, vielmehr ist der Ersatz, wie z. B. eine kuhmilchhältige Milchfertignahrung, immer ein sog. „extensives Hydrolysat“ oder eine auf Aminosäuren basierende Formula. Da die Kuhmilchallergie am Anfang des sog. „allergischen Marsches“ steht, kann es später zur Entwicklung weiterer atopischer Manifestationen wie atopisches Ekzem oder Rhinokonjunktivitis kommen. Zeitlich gesehen ist der Magen-Darm-Trakt häufig als Erstes betroffen, gefolgt von der Haut und – je älter das Kind wird – den Atemwegen.
Die Laktoseunverträglichkeit ist weltweit eine sehr häufige Nahrungsmittelunverträglichkeit und genetisch verankert. Während in Norwegen nur 1 Prozent der Bevölkerung von dieser speziellen Unverträglichkeit betroffen ist, sind es in China 100 Prozent, also „je südöstlicher das Land, umso höher die Prävalenz“. Zwar ist die genetische Prädisposition schon ab Geburt vorhanden, symptomatisch wird die Unverträglichkeit jedoch in der Regel erst in der Adoleszenz, was daran liegt, dass die Laktaseproduktion im Laufe des Lebens zurückgeht. Es gibt aber auch sekundäre Varianten, die durch Schleimhautschädigungen verursacht werden – beispielsweise im Rahmen einer unbehandelten Zöliakie oder nach einer längeren Gastroenteritis. In diesen Fällen ist die Laktoseintoleranz jedoch reversibel.
Weißer Stuhl ist Leitsymptom einer Anlagestörung der Gallengänge. Diese sollte spätestens innerhalb der ersten 8 Lebenswochen operiert werden, da dies die weitere Prognose, v. a. in Hinblick auf evtl. nötige Lebertransplantation, entscheidend verbessert. Um das Bewusstsein für diese Situation zu verbessern, möchten wir europaweit mit Einsatz von „Stuhlkarten“ die Bilder unterschiedlich gefärbter Stühle mit Erklärung zeigen und das Gesundheitspersonal und die Eltern auf diese Blickdiagnose schulen.
Es gibt Daten, die zeigen, dass auch in wohlhabenderen EU-Staaten im stationären Bereich bei bis zu 40 Prozent der Kinder eine Gedeihstörung zumindest als Nebendiagnose gestellt wird. Hierbei muss man aber berücksichtigen, dass es sich natürlich zu einem großen Teil um Kinder mit chronischen und onkologischen Erkrankungen handelt, bei denen die Gedeihstörung auf die Grunderkrankung zurückzuführen ist. In Österreich kann die Ernährungssituation eines Kindes mittels Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gut kontrolliert werden. Ich persönlich empfehle Eltern, ihre Kinder – falls möglich – von Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendheilkunde kontrollieren zu lassen.
Wir mussten fast 20 Jahre darum kämpfen, eine Spezialisierung in pädiatrischer Gastroenterologie und Hepatologie zu erlangen, also eine „Zertifizierung als Zusatzfach“. Dies erfolgte im Jahr 2019: Vor allem im Einzugsbereich der großen Universitätskliniken, der akademischen Lehr- und Landeskrankenhäuser wird Fortbildung in diesem Fachgebiet durch entsprechendes Weiterbildungsangebot kontinuierlich durchgeführt. Aktuell gibt es in Österreich etwa 20 Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendheilkunde mit dieser Zusatzausbildung – in Anbetracht der aufwendigen Ausbildung nicht schlecht, aber durchaus noch ausbaufähig!
Vielen Dank für das Gespräch!