Revolution im Management der Hepatitis C

Die Infektion durch das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Nach Schätzung der WHO sind etwa 190 Millionen Menschen mit dem HCV infiziert. Die Durchseuchung variiert geografisch und zwischen Bevöl­kerungsgruppen stark. Die Prävalenz liegt in Staaten Afrikas, in Südostasien und im östlichen Mittelmeerraum deutlich höher als in Nordamerika und Europa. Österreich gehört, wie vor Kurzem publiziert, mit einer Prävalenz von ca. 0,5% zu den Niedrigendemiegebieten. Obwohl die Neuinfektionen in den letzten Jahren stetig rückläufig waren, wird der Höhepunkt der Komplikationen der chronischen Infektion wie die Leberzirrhose und der Leberkrebs erst in ein paar Jahren erreicht werden. Unverändert stellt die HCV-assoziierte Leberzirrhose neben der Fettleberzirrhose in Europa und in den USA die Hauptindikation zur Lebertransplantation dar. Aus diesem Grund ist die komplette Viruselimination essenziell, um das Fortschreiten der Erkrankung in eine Leberzirrhose und deren Komplikationen zu verhindern.

Rasante Fortschritte in der Therapie

Die rasanten Fortschritte in der antiviralen Therapie der chronischen Hepatitis C haben im letzten Jahr die internationalen Top-Journale und die internationalen Kongresse ganz wesentlich geprägt. Die Entwicklung direkter antiviraler Substanzen (direct acting antivirals – DAA) hat die Therapie in den letzten Jahren revolutioniert. Im Jahre 2012 kam es zur Markteinführung der ersten DAA, den Protease-Inhibitoren der 1. Generation Telaprevir und Boceprevir, und zur Etablierung der Tripeltherapie pegyliertes Interferon (IFN) in Kombination mit Ribavirin (RBV) und Telaprevir/Boceprevir als neuen Therapiestandard für Genotyp-1-Patienten. Im Vergleich zu den Genotypen 2 und 3 zeigte der Genotyp 1 unter der bisherigen Standardtherapie Peg-IFN und RBV deutlich schlechtere Ansprechraten. Wie große Phase-III-Studien dokumentierten, führte die Tripletherapie bei Genotyp-1-Patienten zu einer Verbesserung der Ansprechraten von bisher 40–50% auf 70–80%.
Erste Ergebnisse aus dem klinischen Alltag zeigten jedoch, dass die Dreierkombinationstherapie gerade bei schwer zu behandeln­den Patientengruppen, insbesondere Patienten mit fortgeschritte­ner Lebererkrankung, bei denen wiederum die höchste Dringlich­keit einer Heilung besteht, nicht den erhofften durchschlagenden Effekt aufweist und zudem durch ein hohes, potenziell lebensbe­drohliches Nebenwirkungsprofil limitiert ist.
Im weiteren Verlauf kam es zur rasanten Entwicklung zahlreicher weiterer DAA, wobei drei verschiedene Kategorien von DAA unterschieden werden müssen: NS3/4 Protease-Inhibitoren (PI), NS5a-Hemmer und NS5b-Polymerase-Inhibitoren.
Neben den zwei bereits verfügbaren und oben erwähnten PI Telaprevir und Boceprevir stehen zwei Substanzen der so genannten 2. Welle (second wave) wie Simeprevir und Faldaprevir kurz vor der Zulassung, die ein deutlich besseres Nebenwirkungsprofil aufweisen. Allerdings müssen diese Präparate ebenfalls entweder mit Peg-IFN und RBV oder mit anderen DAA kombiniert werden. Im Gegensatz zu den PI der 1. Generations sind diese Substanzen auch beim Genotyp 4 wirksam. Pangenotypische PI sind in Ent­wicklung.

Ansprechrate über 90%

Die Einführung von NS5b-Polymerase- und NS5a-Inhibitoren führte zu einer weiteren Revolutionierung der HCV-Therapie. Ergebnisse zu IFN-freien, oralen Therapien wurden erstmals 2010 präsentiert. In den darauffolgenden Jahren konnte gezeigt werden, dass Kombinationstherapien verschiedener DAA-Gruppen in der Behandlung der chronischen Hepatitis C hocheffizient sind. Zahlreiche Studien mit ausschließlich IFN-freien Therapiearmen mit zwei bis drei unterschiedlichen DAA, teilweise in Kombination mit RBV, wurden präsentiert, die bei nichtzirrhotischen Genotyp-1-Patienten unabhängig vom Therapiestatus (unbehandelt oder Null-Responder), Therapiedauer (zwölf oder 24 Wochen) und IL28B-Genotyp virologische Heilungsraten von > 90% erreichten. Allgemeine Schwäche, Kraftlosigkeit (Asthenie) und Erschöpfung (Fatigue) waren die häufigsten Nebenwirkungen, die jedoch äußerst selten zum Therapieabbruch führten. Die Ergebnisse zweier IFN-freier Studien bei Genotyp-2- und -3-Patienten mit dem NS5b-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir in Kombination mit RBV ergaben beim Genotyp 2 bei über 90% der Patienten eine anhaltende Viruselimination. Der Genotyp 3 sprach signifikant schlechter an, jedoch bewirkte bei diesen Patienten eine Therapieverlängerung von zwölf auf 16–24 Wochen eine deutliche Verbesserung des Ansprechens. Aber auch für bisher schwer zu behandelnde Patientengruppen, insbesondere Leberzirrhotiker, geben die rezent vorgestellten Studien zunehmend Hoffnung auf eine erfolgreiche Heilung. Im letzten Jahr wurden auch erstmals Daten zur IFN-freien Therapie bei Leberzirrhotikern und Patienten mit einem HCV-Rezidiv nach Lebertransplantation vorgestellt, welches eine große medizinische Herausforderung darstellt. Die Behandlung mit Sofosbuvir in Kombination mit dem NS5a-Inhibitor Ledipasvir führte bei Patienten mit Leberzirrhose zu Ansprechraten von > 90%. Auch bei Patienten mit einem HCV-Rezidiv konnten mit Sofosbuvir und Lidipasvir ausgezeichnete Ergebnisse ohne wesentliche Nebenwirkungen und Interaktionen mit der Abstoßungsmedikation erzielt werden. Hervorzuheben ist, dass beide Substanzen in einer Tablette kombiniert werden konnten, sodass die sogenannte „one pill strategy“ Wirklichkeit wurde. Sofosbuvir zusammen mit entweder dem NS5a-Inhibitor Daclatasvir oder PI Simeprevir führte auch in dieser Kombination wiederum zu Ansprechraten von > 90%, unabhängig von Genotyp, Zirrhose und früherem Therapieansprechen.

Neue Ergebnisse vom EASL

Im Rahmen des diesjährigen Europäischen Leberkongresses (EASL) in London Mitte April wurden die Ergebnisse der bisher größten Phase-IIb- bzw. -III-Studien zu IFN-freien Therapien vorgestellt. Die Resultate für die Kombination Sofosbuvir und Ledipasvir der Firma Gilead, als auch für die Kombinationstherapie ABT-450/r+Ombitasvir+Dasabuvir+RBV der Firma AbbVie wurden zuvor bereits in Presseaussendungen mitgeteilt und kurz nach den jeweiligen Präsentationen in London im renommierten Journal New England Journal of Medicine offiziell veröffentlicht. Die Ansprechraten lagen durchwegs zwischen 93 und 100% mit vernachlässigbaren Nebenwirkungsprofilen.
Wie bereits erwähnt, stellt das HCV-Rezidiv nach Lebertransplantation eine große medizinische Herausforderung dar. Daher wurden Ergebnisse zu IFN-freien Therapien bei Patienten vor und nach Lebertransplantation in London mit Spannung erwartet. Erfreulicherweise wurde über Ansprechraten von ≥ 60–70% ohne wesentliche Nebenwirkungen und Medikamenteninteraktionen mit daraus resultierenden Verbesserungen der Leberfunktionen berichtet. Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass die Fallzahlen in diesen Studien klein waren und zumeist nur Interimsresultate berichtet wurden. Unabhängig von dieser Ergebnislimitation kann in den nächsten Jahren jedoch davon ausgegangen werden, dass sowohl die HCV-assoziierte Leberzirrhose als Indikation zur Lebertransplantation zurückgehen als auch das HCV-Rezidiv keine wesentliche prognostische Bedeutung im Langzeitverlauf nach LT darstellen wird.
Wie in einem rezenten Editorial im New England Journal diskutiert, müssen auch ökonomische Faktoren im Zusammenhang mit den neuen Therapiestrategien ins Kalkül gezogen werden. Die derzeitigen Therapiekosten für eine zwölfwöchige Sofosbuvir-Therapie belaufen sich in den USA auf etwa 84.000 Dollar bzw. 1.000 Dollar pro Tablette. Die Kombination mit Ledipasvir erhöht diese Kosten, wie auch anzunehmen ist, dass Kombinationen mehrerer DAA noch teurer sein werden.

Fazit

Die neuen Therapiestudien der letzten Jahre zeigten, dass Patienten mit chronischer Hepatitis C mit IFN-freien Therapieregimen erfolgreich behandelt werden können. Die Genehmigung eines dieser Therapiekonzepte wurde bereits erteilt. Weitere Therapiekombinationen werden in den nächsten Monaten die Zulassung bekommen. Damit wird die Therapie der chronischen Hepatitis C kürzer (acht bis 24 Monate), einfacher, besser verträglich und mit Ansprechraten von ≥ 90% wesentlich effektiver als der bisherige Standard pegyliertes IFN und RBV sein. Auch Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose, die den höchsten Bedarf an einer Viruselimination haben, können mit diesen Therapiestrategien äußerst effizient behandelt werden. Es ist davon auszugehen, dass diese Revolution im Management der chronischen Hepatitis-C-Infektion auch mit einer Reduktion der HCV-assoziierten Morbidität als auch Mortalität einhergehen wird.