Rezidive leitliniengemäß und bestmöglich vermeiden

Die durchschnittliche Prävalenz von Harnwegsinfektionen wird mit 5,8% angenommen, wobei Frauen mit einer Häufigkeit von 9,2 % deutlich öfter betroffen sind als Männer (2,5 %). Eine Harnwegsinfektion kann dann als unkompliziert eingestuft werden, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien (z.B. Harntransportstörungen, Harnblasendivertikel), keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen (HIV, entgleister/schlecht eingestellter Diabetes mellitus, aktuelle immunsuppressive oder Chemotherapie) vorliegen, die eine Harnwegsinfektion begünstigen oder Risikofaktoren für gravierende Komplikationen darstellen. Eine klinisch symptomatische Harnwegsinfektion muss von einer asymptomatischen Bakteriurie unterschieden werden. Der Begriff „asymptomatische Harnwegsinfektion“ ist nicht mehr zu verwenden, da er missverständlich ist.

Die Einteilung in untere und obere Harnwegsinfektionen hat sich klinisch bewährt, auch wenn damit der Infektionsort nicht mit Sicherheit diagnostiziert werden kann. Von einer unteren Harnwegsinfektion (Zystitis) kann ausgegangen werden, wenn sich die akuten Symptome (z.B. Schmerzen beim Wasserlassen, Pollakisurie) nur auf den unteren Harntrakt beziehen. Kommen dazu Flankenschmerz, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (>38°C), ist eine obere Harnwegsinfektion anzunehmen.

Wann „rezidivierend“?

Unkomplizierte Harnwegsinfektionen können isoliert bzw. sporadisch oder aber rezidivierend auftreten. Von einer rezidivierenden Harnwegsinfektion wird gesprochen, wenn eine Rezidivrate von mindestens 2 symptomatischen Episoden innerhalb von 6 Monaten oder mindestens 3 symptomatische Episoden innerhalb von 12 Monaten vorliegen.

Wie Rezidiven vorbeugen?

Die 2024 veröffentlichte Version der Leitlinie empfiehlt eine Reihe zentraler Maßnahmen, die laut der aktuellen Evidenz dazu beitragen können, den Einsatz einer antibiotischen Langzeittherapie zu vermeiden.

Beratung und Verhaltensempfehlungen: u.a. auf eine ausreichende Trinkmenge achten; zu langes Sitzen (mehr als 2 Stunden), übertriebene Intimhygiene und Unterkühlung v.a. der Füße vermeiden; geeignetes Miktionsverhalten praktizieren (keine Unterdrückung/Rückhaltung).

An nichtantimikrobiellen Präventionsmaßnahmen können u.a. eine Immunprophylaxe bzw. -stimulation in unterschiedlichen Verabreichungsmodalitäten oder als kutane Immunstimulation in Form von Akupunktur empfohlen werden.

Als alternative Therapieoptionen zur antibiotischen Langzeittherapie bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen verweisen die Leitlinien auf aktuelle Evidenz zu positiven Effekten hinsichtlich Rezidivhäufigkeit durch die Hemmung der bakteriellen Adhäsion etwa mittels Cranberrys/Moosbeeren. Andere pflanzliche Präparate, z.B. eine Kombination von Liebstöckelwurzel, Rosmarinblättern und Tausendgüldenkraut oder anderer Pflanzen bzw. Pflanzenteile, wirken als Harnwegsdesinfizienzien und zeigten ebenfalls einen Zusatznutzen im Sinne einer Rezidivreduktion. Bei rezidivierender unkomplizierter Zystitis sollte nach Versagen von Verhaltensänderungen und nichtantibiotischen Präventionsmaßnahmen sowie bei hohem Leidensdruck eine kontinuierliche antibiotische Langzeitprävention über 3 bis 6 Monate angeboten werden.