RHEUMA: Gicht: alte Erkrankung – neue Therapieoptionen

Bisher wurde der Einfluss der Natriumuratkristalle auf das Immunsystem wenig beachtet, und die Kristalle wurden eher als „innocent bystander“ gesehen. Durch die bahnbrechenden Arbeiten der Gruppe um Tschopp wurde die Rolle dieser Kristalle in der Induktion von Entzündung, vermittelt durch einen intrazellulären Sensor und dann in weiterer Folge durch Interleukin-1 (IL-1), entdeckt. Daraus ergeben sich interessante neue therapeutische Möglichkeiten in der Behandlung der Entzündung.

NALP3-Inflammasom: Inflammasome sind Multiproteinkomplexe, die, im Zytoplasma gelegen, die Aktivierung von inflammatorischen Caspasen mediieren. Diese intrazellulären Sensoren sind in der Lage, fremde und körpereigene „danger signals“ zu erkennen und eine Immunantwort zu induzieren. Ein wichtiger Vertreter ist das NALP3-Inflammasom. NALP gehören zusammen mit den NOD und anderen Proteinen zur Gruppe der NLR. Gemeinsam mit den membranassoziierten TLR sind die zytosolisch gelegenen NLR ein Teil des angeborenen Immunsystems und spielen eine wesentliche Rolle in der Erkennung und bei der Antwort auf körperfremde Signale. Caspase 1 kann sowohl vom NALP1- als auch vom NALP3-Inflammasom aktiviert werden. Caspase 1 spaltet das inaktive Pro-IL-1β zum aktiven IL-1β und aktiviert auch IL-18 und IL-33. NALP-3 erkennt eine Anzahl verschiedener Substanzen, z.B. bakterielle RNA, ATP sowie ultraviolettes Licht (UV-B). Nach der Bindung des Liganden und Freisetzung der NACHT-Domäne wird NALP3 aktiviert und rekrutiert dann zwei Adapterproteine (ASC und Cardinal) sowie die Caspase 1 und bildet Oligomere. Dieser „Inflammasom“ genannte Komplex aktiviert IL-1β und IL-18 über die im Oligomer zusammengeführten Caspase-1-Dimere.

Interleukin-1: IL-1 wird hauptsächlich von Monozyten als Antwort auf Infektion oder immunologische Reize produziert. Es verursacht Fieber (daher auch „endogenes Pyrogen“ als ein früherer Name von IL-1), niedrigen Blutdruck und die Induktion von anderen Zytokinen wie IL-6. IL-1 kommt in zwei verschiedenen Formen, nämlich IL-1α und -1β vor, zusätzlich besteht ein natürlicher IL-1-Rezeptor-Antagonist (IL-1RA).
Eine Reihe von systemischen inflammatorischen Erkrankungen, die durch Fieber, Anämie und erhöhte Spiegel von Akute-Phase-Proteinen charakterisiert werden, sind mit einer erhöhten Produktion und einer verstärkten biologischen Aktivität von IL-1β assoziiert. Zu diesen gehören das familiäre Mittelmeerfieber, die cryopyrinassoziierten Syndrome (CAPS) wie CINCA oder das Muckle-Wells-Syndrom.

Inflammasom und Gicht: Neben körperfremden Stimuli (z.B. Staphylococcus aureus, Listeria monocytogenes) aktivieren Natriumurat- und Kalziumpyrophosphatkristalle NALP in vitro und in vivo. In der ersten Phase sezernieren die durch NALP-3 aktivierten Monozyten IL-1β. In einer zweiten Phase werden wahrscheinlich Synoviozyten oder vielleicht auch andere Zellen aktiviert und durch Vermittlung vom IL-1-Rezeptor und MyD88 die Chemokine Interleukin-8 oder MIP-2 induziert.

Derzeitige Therapie

Chronische Gicht: Neben diätetischen Maßnahmen, einer strikten Alkoholkarenz und einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr ist bei entsprechender Symptomatik die Gabe eines harnsäuresenkenden Medikaments indiziert. Am häufigsten wird derzeit Allopurinol verwendet. Allopurinol („Allohypoxanthin“) ist strukturell dem Hypoxanthin sehr ähnlich und ist ein kompetitiver Hemmer des Enzyms Xanthinoxidase. Dieses Purin-Analogon hat aber ein nicht geringes Nebenwirkungspotenzial (z.B. Stevens-Johnson-Syndrom und toxisch epidermale Nekrolyse).
Es wurde daher nach Alternativen für dieses Purin-Analogon gesucht. Febuxostat ist ein selektiver, nicht purinanaloger Xanthinoxidase-Inhibitor und senkt in einer Studie die Serumharnsäure effektiver als 300 mg Allopurinol. Es kann unabhängig von der Nahrungsaufnahme eingenommen werden. Laut Regeltext kann Febuxostat bei chronischer Hyperurikämie mit Uratablagerungen verschrieben werden, wenn eine Allopurinol-Intoleranz oder eine Kontraindikation gegen diese Substanz vorliegt. Außerdem kann es gegeben werden, wenn trotz ausreichender Therapie die Zielharnsäurewerte von < 6 mg/dl nicht erreicht werden. Es bedarf laut Herstellerangaben keiner Dosisanpassung bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Niereninsuffizienz und ist auch bei älteren Patienten einsetzbar. Es sollen keine Wechselwirkungen mit Colchicin, Indomethacin, Naproxen, Hydrochlorothiazid sowie Warfarin bestehen. Bei Patienten mit bekannter ischämischer Herzkrankheit oder dekompensierter Herzinsuffizienz wird die Behandlung mit Febuxostat nicht empfohlen, ebenso bei Patienten, die mit Mercaptopurin oder Azathioprin therapiert werden.

Gichttophi: Die Ausbildung von Harnsäureablagerungen in Form von Tophi ist typisch für die chronische Form der Erkrankung und kann so ausgeprägt sein, dass der Patient in seiner Aktivität behindert ist. Eine operative Sanierung gestaltet sich grundsätzlich schwierig und ist mit Komplikationen wie Wundheilungsstörungen behaftet.
Alternativ bietet sich in solchen Fällen der Versuch mit Rasburicase an. Rasburicase ist eine rekombinante Aspergillus-Uricase und wandelt Harnsäure in das besser wasserlösliche Allantoin um. Diese Uraturicase wird bereits erfolgreich bei der Behandlung des Tumorlysesyndroms eingesetzt. Prinzipiell eignet sich diese Option auch für die Behandlung der Gicht, wiewohl sie für diese Indikation derzeit noch nicht zugelassen ist. Der Einsatz einer pegylierten Form von Rasburicase zur Verlängerung der Halbwertszeit und zu einer Verminderung der Antigenität ist derzeit in Erprobung.

Akuter Gichtanfall: Die derzeitige Therapie beschränkt sich neben topischen Maßnahmen und einer intensiven physikalischen Therapie auf systemische Medikamente, wie NSAR, Colchicin und Glukokortikoide. Im Fall von Kontraindikationen aufgrund einer Niereninsuffizienz, einer Unverträglichkeit oder Nebenwirkungen wie Verschlechterung einer diabetischen Stoffwechsellage blieben die therapeutischen Möglichkeiten bisher beschränkt.
Durch die rezenten Entdeckungen ist die Behandlung eines akuten Gichtanfalles mit einem IL-1-Hemmer eine interessante therapeutische Option.

Abkürzungen:
ASC = Apoptosis-associated speck-like protein
CARD = Caspase recruitment domain
CINCA = Chronic infantile neurological cutaneous and
articular syndrome
IL-8 = Interleukin-8
MIP-2 = Macrophage inflammatory protein-2
MyD88 = Myeloid differentiation primary response protein 88
NACHT = NAIP (neuronal apoptosis inhibitory protein), CIITA (MHC class II transcription activator), HET-E (incompatibility locus protein from Podospora anserina and TP1 (Telomerase-associated protein)
NALP3 = NACHT, LRR, and pyrin domain-containing protein
NLR = NOD-like receptor
NOD = Nucleotide-binding oligomerization domain-containing protein
TLR = Toll-like receptor

Fact-Box

Die Gicht ist eine chronische Arthritis und kann zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität führen.
Die Ursache der Gicht ist schon lange bekannt und kann meist mit den herkömmlichen Medikamenten gut therapiert werden. In den letzten Jahren wurden neue Medikamente zur Behandlung der Gicht entwickelt. Als mögliche Alternative zu Allopurinol bietet sich Febuxostat an, ein nicht purinanaloges Urikostatikum. Insbesondere bei der Behandlung der tophösen Gicht könnte sich der Einsatz von Rasburicase, das Harnsäure in das besser wasserlösliche Allantoin umwandelt, bewähren.
Als ein gutes Beispiel der translationalen Forschung ist die Inhibierung von IL-1 zu sehen. Diese eröffnet neue Wege zur Therapie der Gicht, insbesondere wenn konventionelle Therapeutika entweder versagen oder eine Kontraindikation gegeben ist.