Schon der Name weist auf jenen Teil des Körpers, der hauptsächlich von der axialen Spondyloarthritis betroffen ist: die Wirbelsäule – und hier in den allermeisten Fällen die Sakroiliakalgelenke. Und genau darin besteht auch eine der Herausforderungen einer frühen Diagnose. Die Patienten nehmen eine Sakroiliitis primär als „Kreuzschmerzen“ wahr, widmen dem Symptom, da bekannt häufig, nicht immer gleich die notwendige Aufmerksamkeit und suchen gar nicht selten erst nach einiger Zeit einen Arzt auf.
Derzeit beträgt die durchschnittliche Zeitspanne zwischen dem ersten Auftreten von Symptomen und der Diagnose der axialen Spondyloarthritis noch über 4 Jahre! Das liegt einerseits wie schon erwähnt daran, dass die klinischen Symptome der Erkrankung (Kreuzschmerzen) sehr häufig und unspezifisch sind, das liegt aber auch daran, dass es für Ärzte oft gar nicht so leicht ist, jene Patienten mit Kreuzschmerzen herauszufiltern, die unter Umständen an einer axiale Spondyloarthritis leiden.
Die Erkrankung (und damit die Kreuzschmerzen) beginnen in fast allen Fällen vor dem 45. Lebensjahr, mit einem Altersgipfel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Eine Manifestation nach dem 45. Lebensjahr macht die Diagnose einer axialen Spondyloarthritis unwahrscheinlich.
Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, dauern die Kreuzschmerzen meistens drei Monate oder länger an.
Im Gegensatz zu der großen Gruppe der degenerativen Kreuzschmerzen kommt es bei entzündlichen Kreuzschmerzen zu einer Besserung bei Bewegung und zu einer Verschlechterung in Ruhe. Oft berichten die Patienten, dass sie abends ohne Schmerzen einschlafen und dann wegen heftiger Kreuzschmerzen in der 2. Nachthälfte aufwachen. Die Patienten stehen dann oft auf, und die Schmerzen werden dann (durch Bewegung) besser.
Ungefähr 7 % der gesunden Bevölkerung sind HLA-B27 positiv. Wird die Bestimmung daher zu unspezifisch eingesetzt, führt das zu Verunsicherungen. Eine Abnahme bei Patienten, die an oben genannten Beschwerden leiden, führt (bei Vorliegen des HLA-B27) aber zu einer deutlichen Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, an einer axialen Spondyloarthritis zu leiden.
Im konventionellen Röntgen werden krankheitsbedingte Veränderungen oft erst sehr spät sichtbar.
Nur durch eine MRT-Untersuchung kann eine Sakroiliitis wesentlich früher diagnostiziert werden. Das hat im Übrigen auch zu einer Änderung der Nomenklatur geführt: Haben wir die Erkrankung früher ankylosierende Spondylitis (oder Morbus Bechterew) genannt (das Vorhandensein von, im Röntgen sichtbaren Verknöcherungen voraussetzend), so wird sie jetzt als axiale Spondyloarthritis bezeichnet, um der Erkenntnis Rechnung zu tragen, dass bei vielen Patienten oft jahrelang (!) nur im MRT Entzündungen der Sakroiliakalgelenke sichtbare sind.
Daher muss man spezielle MRT-Aufnahmen (eben der Sakroiliakalgelenke) anfordern, da in den häufig angeordneten MRT-Untersuchungen der LWS (um allfällige, die Beschwerden erklärende Strukturveränderungen zu erkennen) die Sakroiliitis nicht hinreichend dargestellt wird.
Durch den im letzten Jahrzehnt durch Aufklärung immer häufigeren Einsatz des MRT und die so möglich gewordenen immer früheren Diagnosen einer Sakroiliitis haben das Problem einer Fehl-/Überdiagnose immer mehr in den Brennpunkt wissenschaftlichen Interesses gerückt. So konnte in einer kürzlich vorgestellten Arbeit gezeigt werden, dass auch Gesunde, vor allem aber auch Patientinnen, die ein spezifisches Trauma (bei der Entbindung) erlitten haben, genau dieselben MRT-Veränderungen (vor allem Knochenmarködeme) zeigten, wie sie für Patienten mit axialer Spondyloarthritis typisch sind. Kreuzschmerzen und vermeintlich „typische“ MRT-Veränderungen führen also nicht zwangsläufig zur richtigen Diagnose – eine Tatsache, die nicht oft genug betont werden kann.
Tipps zur Differenzierung
First Line: NSAR. Die First-Line-Therapie besteht in der Gabe von NSAR, die bei bis zu 50 % der Patienten mit axialer Spondyloarthritis die Schmerzen stark reduzieren und damit Bewegung wieder möglich machen.
Interessant ist aber auch die Frage, ob NSAR auch als DMARDs wirksam sind, das heißt, ob sie die Progression der Erkrankung also die Verknöcherungen der Sakroiliakalgelenke beziehungsweise der Längsbänder der Wirbelsäule verhindern können. Hier hätte man 2008 – basierend auf einigen Beobachtungsstudien – eher angenommen, dass NSAR einen positiven Effekt haben. Eine neue, randomisierte, kontrollierte Studie hat allerdings diesen Effekt nicht bestätigen können.
Typisch für diese Erkrankung ist auch, dass herkömmliche DMARDs wie Methotrexat, Leflunomid oder Sulfasalazin keine Wirkung auf die axiale Spondyloarthritis haben. Daher lag die wahre Revolution der medikamentösen Therapien in der Einführung der Biologika.
Die Biologika-Ära begann 2007 mit dem erfolgreichen Einsatz von Etanercept zur Behandlung von Patienten mit ankylosierender Spondylitis. Für Patienten, die an einer axialen Spondyloarthritis litten, aber eben noch keine Verknöcherungen entwickelt hatten, war diese Therapie zunächst nicht vorgesehen. Und das obwohl diese Patienten, wie Studien gezeigt haben, an demselben Ausmaß an Schmerzen und Funktionseinschränkungen litten und leiden wie Patienten mit ankylosierender Spondylitis. Das hat sich im letzten Jahrzehnt grundlegend geändert. Zahlreiche Studien haben die Wirksamkeit der Anti-TNF-Therapie auch bei der axialen Spondyloarthritis bestätigt.
Für Patienten, die auf eine Anti-TNF-Therapie nicht (hinreichend) ansprachen, gab es zunächst keine in Studien geprüfte Therapieoption – auch das hat sich geändert.
Mit der Einführung der IL-17-blockierenden Biologika als Therapie der axialen Spondyloarthritis steht nicht nur ein neues Wirkprinzip, sondern auch eine Therapie für Patienten, die auf Anti-TNF nicht ansprechen, zur Verfügung.
Auch eine weitere, 2008 nicht geklärte Frage scheint beantwortet: Nämlich ob der Einsatz von Biologika (damals gab es, wie beschrieben nur TNF-Blocker) auch die Krankheitsprogression hemmt. Mehrere, in den letzten Jahren erschienene Studien scheinen genau das zu belegen und auch in den Studien mit den IL-17-hemmenden Biologika konnte das gezeigt werden.
Unser Verständnis, aber vor allem die Therapie jener Erkrankung, die wir vor 10 Jahren noch Morbus Bechterew nannten, hat sich revolutioniert. Der krankheitsmodifizierende Effekt – vor allem der Biologika – und die immer frühere Behandlung führten dazu, dass schwere invalidisierende Verläufe zumindest in unseren Breiten kaum noch vorkommen.
Für das nächste Jahrzehnt erwarten wir neue Therapieformen und vielleicht schon Heilungsansätze.