SAGAM-Kongress 2024

Das diesjährige Thema war „Sex und Gender – von der Rolle des Geschlechts in der Allgemeinmedizin“.
„Mann oder Frau zu sein hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit, sowohl aufgrund biologischer als auch geschlechtsspezifischer Unterschiede.“ (WHO)

Einen Überblick über Gendermedizin gab Prof.in Maria Flamm, Vorständin des Instituts für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin der PMU, Salzburg, im ersten Vortrag. Gendermedizin erforscht den Einflussfaktor Geschlecht auf die Gesundheit und Krankheit, wobei der Begriff „Geschlecht“ sowohl das psychosoziale Geschlecht Gender als auch das biologische Geschlecht Sex umfasst. Sowohl biologische Faktoren (Genetik, Hormone, Anatomie und Physiologie) als auch soziokulturelle Faktoren (Rollenbilder, Risikoverhalten und Lebensstil) beeinflussen die Gesundheit, daher ist es relevant, geschlechtsspezifische Unterschiede nicht zu übersehen oder zu vernachlässigen.

Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede es bei Diagnose und Therapie häufiger Erkrankungen gibt, trug Dr.in Margarethe Hochleitner, Professorin an der Gemeinsamen Einrichtung für Gender Medizin und Diversität am Frauengesundheitszentrum der UK Innsbruck, vor. Die Unterschiede basieren vor allem auf der Awareness, der Sprache und den biologischen Geschlechtsunterschieden. Awareness bedeutet in diesem Kontext, dass Erkrankungen häufig einem Geschlecht, einer sozialen Schicht oder Altersgruppe zugeordnet werden (z. B. Myokardinfarkt bei älteren Männern) und daher in anderen Gruppen nicht daran gedacht wird (z. B. Brustkrebs bei Männern), was eine spätere Diagnose und Therapie und ein schlechteres Outcome nach sich ziehen kann.

Doz.in Irene Lagoja, Leiterin der Anstaltsapotheke der Klinik Ottakring, zeigte in ihrem Vortrag geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakologie auf. Frauen und Männer weisen z. B. Unterschiede im pH-Wert und in der Entleerungsgeschwindigkeit des Magens, in der glomerulären Filtrationsrate, den Lungenvolumina und dem Körperfettanteil auf. Dies hat zur Folge, dass Medikamente vom Körper auf verschiedene Weise und in unterschiedlichem Tempo resorbiert, verteilt, metabolisiert und ausgeschieden werden. Frauen haben daher ein 1,5–1,7-fach erhöhtes Risiko für Arzneimittelnebenwirkungen. Aber auch das soziale Geschlecht hat Auswirkungen, z. B. auf ärztliche Verordnungsgewohnheiten oder Selbstmedikation.

In das komplexe Thema „Genderdysphorie im Kindes- und Jugendalter“ brachte Dr.in Emilia Huschka, FÄ für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Christian-Doppler-Klinik Salzburg, etwas Licht ins Dunkel. Vor allem überrascht der massive Prävalenzanstieg der Genderdysphorie bei Jugendlichen in den letzten Jahren. Mögliche Ursachen hierfür sind die bessere Aufklärung und ein gewachsenes Problembewusstsein, das Angebot neuer Behandlungsmöglichkeiten und auch die mediale Verbreitung von Informationen u. a. über soziale Medien. Weiters ist „trans“ auch Teil der Jugendkultur und eine Strategie, die Erwartungszwänge eines rigiden heteronormativen Geschlechterrollenmodells und herrschende unrealistische Schönheitsideale zu relativieren bzw. sich diesen zu entziehen.

Über das noch immer tabuisierte Thema Sexualität bei Krebserkrankungen sprach Mag. Alain Nickels, Psychologe an der UK für Innere Medizin III des LKH Salzburg. Sexualität ist mehr als nur Geschlechtsverkehr, es umfasst die Dimensionen der Beziehung, der Fortpflanzung und der Lust. Erkrankt ein Mensch schwer, ist das Bedürfnis nach Sexualität weiterhin vorhanden. Oft rückt der Beziehungsaspekt dabei in den Vordergrund. Aufgrund der Tabuisierung werden sexuelle Störungen trotz Leidensdruck aber sowohl von Patient:innen als auch vom Gesundheitspersonal häufig nicht thematisiert. Wege, um zur Sexualität zurückzufinden, sind dabei Kommunikation, Offenheit und Vermittlung von Wissen, um Ressourcen zu aktivieren. Sexualität kann dann einen positiven Beitrag zum Gesundungsprozess leisten.

Abgerundet wurde der Kongress durch Bewegungseinheiten zum Auflockern für Zwischendurch mit Physiotherapeut Christoph Gruber und durch die Möglichkeit, sich in entspannter Atmosphäre beim gemeinsamen Mittagessen auszutauschen. Insgesamt war es ein spannender und sehr gelungener Kongress.