Die Lebenszeitprävalenz der Schizophrenie liegt bei etwa 1 %, wobei sie üblicherweise im späten Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter beginnt. Wie schwierig gestaltet sich die Diagnose zu Beginn der Erkrankung?
Univ.-Prof. Dr. Wancata: Bei der Schizophrenie lassen sich drei große Symptomgruppen unterscheiden, wobei die Positivsymptomatik – wie Halluzinationen und Wahn – vor allem in den akuten Stadien vorkommt, während die Negativsymptomatik – wie Antriebsminderung, Affektverflachung oder sozialer Rückzug – für länger dauernde Verläufe typisch ist. Die kognitive Symptomatik umfasst Defizite in der Aufmerksamkeit und in der Flexibilität des Denkens sowie Störungen im Arbeitsgedächtnis und bei der Problemlösung. Leider vergeht häufig zwischen dem ersten Auftreten von Krankheitssymptomen und dem Beginn der Behandlung sehr viel Zeit – bis zu 2,5 Jahre – und das hat negative Konsequenzen: eine schlechtere Prognose, Belastung der Beziehungen zum Freundeskreis, Abbruch der Ausbildung, Verlust des Arbeitsplatzes oder unnötige Krankenhausaufenthalte.
Gibt es Vorboten, welche die Erkrankung ankündigen können?
Bei Personen, die eine Schizophrenie entwickeln, treten vor Beginn der Krankheit sogenannte präpsychotische Verhaltens-änderungen auf. Zu diesen zählen etwa Misstrauen, Lustlosigkeit, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, skurrile Ideen, vage Ausdrucksweise, Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsabfall, sozialer Rückzug und verkürzter Schlaf. Diese Verhaltensweisen sind jedoch nicht sehr spezifisch und kommen insbesondere bei Jugendlichen recht häufig vor. Da Allgemeinmediziner ihre Patienten oft seit vielen Jahren kennen, sind sie in einer guten Position, derartige Veränderungen zu erkennen und im Verlauf zu beobachten. Auch mögliche andere Ursachen wie Drogenmissbrauch oder mögliche körperliche Krankheiten wie Stoffwechselstörungen und Infektionen sollten abgeklärt werden.
Wie erfolgt die Abklärung?
Bei erstmaligem Auftreten einer Schizophrenie sind umfangreiche Untersu-chungen nötig, um potenzielle organische Ursachen auszuschließen. Da die exakte Diagnose einer Schizophrenie klinische Erfahrung mit diesem Krankheitsbild voraussetzt, ist in jedem Fall eine enge Zusam-menarbeit mit Fachärzten zu empfehlen. Standard der medikamentösen Behandlung der Schizophrenie sind atypische Antipsychotika. Die älteren, typischen Antipsychotika sollten aufgrund der extrapyramidalen Nebenwirkungen nur noch in Ausnahmefällen verordnet werden.
Einmal Psychose – immer schizophren, trifft das zu? Lässt sich zum Schweregrad der Erstpsychose eine prognostische Aussage tätigen?
Rund ein Drittel der Erkrankten hat nur eine oder zwei kurze akute Krankheitsepisoden mit darauffolgender Heilung. Ein knappes Drittel entwickelt einen chronischen Verlauf, was oft zu ausgeprägten Beeinträchtigungen im Alltag führen kann. Etwas mehr als ein Drittel hat immer wiederkehrende Krankheitsphasen, ist aber dazwischen weitgehend stabil mit deutlicher Reduktion der Symptomatik. Die Ein-jahresrezidivrate beträgt ohne antipsychotische Medikation etwa 75 Prozent, während mit Medikation nur etwa 20 Prozent ein Rezidiv erleiden. Daher wird empfohlen, dass bei Ersterkrankten eine antipsychotische Rezidivprophylaxe über etwa ein Jahr nach Abklingen aller Symptome und bei mehrfach Erkrankten über 2 bis 5 Jahre durchgeführt werden sollte.
Welche Rolle spielt die Psychotherapie in der Schizophreniebehandlung?
Die kognitive Verhaltenstherapie ist heute internationaler Standard und allen Erkrankten zu empfehlen. Aber auch das soziale Umfeld kann wesentlich dazu beitragen, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, indem diese Menschen lernen, ihre Kommunikation an die Bedürfnisse der Kranken anzupassen. Dies kann etwa durch expertengeleitete Angehörigenrunden und Familiengespräche erreicht werden. Die Wirksamkeit dieser Interventionen auf die Rückfallrate ist nachgewiesen.
Vielen Dank für das Gespräch!