Schlafstörungen in der Praxis: Wie erkennen und behandeln?

Daten aus einer repräsentativen Umfrage in Österreich zeigen, dass Ein- und Durchschlafprobleme häufige Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung darstellen. Allerdings gibt nur etwa jeder Zweite mit einer alltagsrelevanten Schlafstörung an, professionelle Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Unter Alltagsrelevanz verstehen wir einerseits unmittelbare Auswirkungen der Schlafstörung, wie zum Beispiel eine negativ getönte Befindlichkeit, Depressivität, Nervosität und eine vermehrte Fehleranfälligkeit, und andererseits ein durch chronische Schlafstörungen langfristig erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen, wie beispielweise die Alzheimer-Demenz, oder Erkrankungen aus dem psychiatrischen Formenkreis, wie etwa Depression oder Angststörung.
Grundlage der Behandlung von Schlafstörungen ist die ausführliche Schlaf-wach-Anamnese, welche die üblichen Bett- und Schlafzeiten, das Ausmaß des Tagschlafes („Napping“), die körperliche Aktivität untertags und regelmäßig eingenommene Medikamente umfassen sollte.

Weniger ist oft mehr

So empfiehlt es sich, eine Modifikation der Dosierung, des Einnahmezeitpunktes beziehungsweise das Ausschleichen eines medikamentösen „Schlafstörers“ zu veranlassen. Beispielsweise können die bekannten und bewährten Antidepressiva vom Typ der SSRI ein Restless-Legs-Syndrom (RLS) und die damit einhergehende Schlafstörung auslösen oder verstärken. Auch Kortikosteroide können Ein- und Durchschlafstörungen hervorrufen und sollten daher im Einklang mit der körpereigenen zirkadianen Kortisolproduktion am Morgen verabreicht werden.

Differenzialdiagnose „Schlaflosigkeit“

Das klinische Beschwerdebild der Schlaflosigkeit stellt uns vor eine differenzialdiagnostische Herausforderung. Im Rahmen der detaillierten Anamnese sollte daher gezielt nach Hinweisen für ein Restless-Legs-Syndrom, eine Schlafapnoe und eine gleichzeitig bestehende erhöhte Einschlafneigung gefragt werden. Die häufigste Form der Schlaflosigkeit, die psychophysiologische Insomnie, bedarf neben der klinisch-anamnestischen Diagnostik nur ausnahmsweise, das heißt bei ausgeprägter Therapieresistenz oder Zunahme der Schlafstörung, einer Zusatzuntersuchung wie der Polysomnografie.

Multimodale Therapie

Die Therapie von Schlafstörungen sollte in ein multimodales Konzept eingebettet sein, das heißt, sie sollte von einer patientenorientierten Schlaf-wach-Edukation flankiert werden. Im Falle von chronischen insomnischen Beschwerden (Dauer > 3 Monate) steht die nichtmedikamentöse Behandlung an erster Stelle. Hier hat die kognitive Verhaltenstherapie (CBT-I) mit ihren Elementen Schlafrestriktion, Stimuluskontrolle, paradoxe Intervention und Biofeedbacktraining eine führende und bewährte Rolle. Neben den im Alltag noch immer häufig verordneten Benzodiazepinen/Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten kommen auch häufig die sedierenden Antidepressiva Trazodon und Mirtazapin „off-label“ und damit ohne explizite Zulassung für die Indikation „Insomnie“ zur Anwendung. Es gilt zu berücksichtigen, dass die hierfür üblicherweise verwendeten Dosierungen (Trazodon 25–150 mg, Mirtazapin 15–30 mg) nicht antidepressiv wirken. Mirtazapin kann jedoch gelegentlich ein Restless-Legs-Syndrom auslösen beziehungsweise verstärken.
Sowohl bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen als auch in der Altersgruppe ab 55 Jahren beziehungsweise bei Patienten mit kognitiver Einschränkung (Mild Cognitive Impairment, Demenz vom Alzheimertyp) ist die Schlaflosigkeit Ausdruck eines gestörten Schlaf-wach-Rhythmus und bedarf chronotherapeutischer Interventionen. Sowohl Licht als auch Melatonin stehen uns hier als potente Zeitgeber zur Verfügung, wobei sich der Einsatz von hellem Licht am Morgen und Melatonin abends zur Stabilisierung des Schlaf-wach-Rhythmus bei Menschen mit nach hinten verschobener Schlafphase beziehungsweise irregulärem Schlaf-wach-Rhythmus anbietet.

Differenzialdiagnose „Müdigkeit“

Unter dem subjektiven Symptom „Müdigkeit“ werden sprachlich üblicherweise die Begriffe Erschöpfbarkeit, Tagesmüdigkeit und Tagesschläfrigkeit subsumiert. Klinisch lässt sich vor allem die Tagesschläfrigkeit von der Tagesmüdigkeit/Erschöpfbarkeit abgrenzen, da Erstere tatsächlich zu ungewolltem Einschlafen in monotonen Situationen führt und sich durch Schlaf tagsüber zumindest vorübergehend bessert. Zur exakten Differenzierung empfiehlt sich die Überweisung in ein neurologisches Schlaflabor und die Durchführung eines multiplen Schlaflatenztestes (MSLT).
Neben internistischen Erkrankungen und dem Schlafapnoesyndrom soll die seltenere, aber sehr belastende Narkolepsie als Differenzialdiagnose der „Müdigkeit“ hervorgehoben werden. Diese Erkrankung führt neben der erhöhten Einschlafneigung auch zu einer Störung des Nachtschlafs und zu einem durch Emotionen getriggerten Verlust des Muskeltonus (Kataplexien). Gerade Letztere werden leider häufig als Synkopen, TIA, Hypoglykämien oder epileptische Anfälle fehlgedeutet. Neben einer exakten schlafmedizinischen Diagnostik in einem neurologischen Schlaflabor ist heute bereits eine Palette an Wirkstoffen zur symptomatischen Therapie der Narkolepsie verfügbar.

 

Wissenswertes für die Praxis
  • Fragen Sie Patienten mit chronischer Schlaflosigkeit nach Missempfindungen/Bewegungsdrang in den (Armen und) Beinen in Ruhe/abends.
  • Patienten mit erhöhter Tagesschläfrigkeit und/oder Episoden mit vorübergehendem Verlust des Muskeltonus bei starken Emotionen müssen in einem neurologischen Schlaflabor weiter abgeklärt werden (DD: Narkolepsie!).
  • Schlaflosigkeit kann Ausdruck einer Schlaf-wach-Rhythmus-Störung sein. Ein Schlaftagebuch über 1–2 Wochen schafft hier diagnostische Klarheit.
  • Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT-I) ist die wichtigste therapeutische Maßnahme für Patienten mit chronischer Insomnie.