Schlaganfallätiologie bestimmt optimale Sekundärprophylaxe

Der Schlaganfall ist die häufigste Ursache für bleibende Behinderung im Erwachsenenalter. Jährlich treten in Österreich ca. 20.000 ischämische Schlaganfälle auf, wobei 20 % auf Rezidivereignisse zurückzuführen sind.

Nichtkardioembolischer Schlaganfall

Beim nichtkardioembolischen Schlaganfall stellen Thrombozytenfunktionshemmer die Basistherapie zur Vermeidung ischämischer Schlaganfallrezidive dar. Rezente Studien (CHANCE, POINT, THALES) zeigten für die Dauer von 3 bis 4 Wochen nach leichtem Schlaganfall (National Institutes of Health Stroke Scale = NIHSS Score < 4) oder transitorisch ischämischer Attacke mit hohem Schlaganfallrisiko (ABCD2-Score ≥ 4, Tab.) eine Überlegenheit der dualen thrombozytenfunktionshemmenden Therapie (Acetylsalicylsäure = ASS + Clopidogrel oder ASS + Ticagrelor) gegenüber einer ASS-Monotherapie zur Vermeidung von ischämischen Rezidivereignissen. In Sondersituationen (z. B. symptomatische hochgradige intrakranielle Stenose) wird eine duale Thrombozytenfunktionshemmung auf 3 Monate ausgedehnt. Nachfolgend ist generell die lebenslange thrombozytenfunktionshemmende Monotherapie empfohlen.

Dies gilt auch für die gerinnungsaktive Langzeittherapie nach operativer/endovaskulärer Behandlung der symptomatischen extrakraniellen Karotisstenose. Patient:innen über dem 70. Lebensjahr werden bevorzugt mittels Thrombendarteriektomie (TEA) behandelt, während bei jüngeren Patient:innen oder besonderen klinischen Konstellationen (z. B. radiogene Stenose nach Bestrahlung im Hals-Kopf-Bereich, voroperierte Stenose) das endovaskuläre Stentverfahren eine wichtige Alternative darstellt. Wichtig ist die frühzeitige Behandlung nach dem Ereignis (bei kleinem Hirninfarkt/transitorisch ischämischer Attacke innerhalb weniger Tage).
Symptomatische Stenosen der intrakraniellen Gefäße oder der Arteria vertebralis werden primär medikamentös behandelt (duale Thrombozytenfunktionshemmung, inkl. hochpotenten Statins, strenger Einstellung sämtlicher vaskulärer Risikofaktoren); eine Stentbehandlung wird nur in Ausnahmesituationen durchgeführt. Auch bei asymptomatischen höhergradigen Karotisstenosen gibt es keine generelle Operations-/Stent-Empfehlung. Die interdisziplinäre Falldiskussion von Neu-rolog:innen, Gefäßchirurg:innen und interventionellen Radiolog:innen ist hier für die Findung der optimalen individuellen Therapie entscheidend.

Kardioembolischer Schlaganfall

Beim kardioembolischen Schlaganfall (zumeist durch Vorhofflimmern bedingt) ist die Antikoagulation mittels neuer oraler Antikoagulanzien (NOAK) die Dauertherapie der Wahl. Vitamin-K-Antagonisten werden hingegen aufgrund des höheren Blutungsrisikos nur bei vereinzelten Indikationen (z. B. Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, mechanische Herzklappe etc.) eingesetzt.
Obwohl bei einem relevanten Anteil kryptogener Schlaganfälle eine kardioembolische Genese anzunehmen ist (insbesondere durch paroxysmales Vorhofflimmern), konnte in großen randomisierten kontrollierten Studien kein Benefit der NOAK gegenüber einer ASS-Therapie in dieser Indikation identifiziert werden (RE-SPECT ESUS, NAVIGATE ESUS). Im Gegenteil, es traten bei Patient:innen unter Rivaroxaban-Einnahme häufiger Blutungskomplikationen als unter ASS auf, weshalb kryptogene Schlaganfälle weiterhin mit plättchenaggregationshemmender Monotherapie behandelt werden.
Der Fokus liegt somit auf der Erkennung von initial okkultem Vorhofflimmern. Da kardiale Langzeitmonitorings (z. B. mittels implantierten Loop-Recorders) aufwändig und kostenintensiv sind, können Risikoscores (z. B. Graz AF Risk Score; Kneihsl et al., Eur J Neurol 2022) durch Einbeziehung von EKG (z. B. häufige supraventrikuläre Extrasystolen), echokardiografischen Features (Vorhofdilatation, reduzierte Ejektionsfraktion) und laborchemischen Parametern (erhöhtes NT-proBNP) Patient:innen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für zugrunde liegendes Vorhofflimmern vorselektieren. Wird Vorhofflimmern detektiert, ist die unmittelbare Umstellung auf NOAK nach Ausschluss von Kontraindikationen empfohlen.

Praxismemo
  1. Das Rückgrat der Schlaganfallsekundärprophylaxe ist die konsequente Einstellung der modifizierbaren kardiovaskulären Risikofaktoren.
  2. Thrombozytenfunktionshemmer sind die Standardtherapie nach nichtkardioembolischem Schlaganfall (inkl. kryptogenen).
  3. NOAK sind die Therapie der Wahl bei Patient:innen, die einen vorhofflimmerarrhythmieassoziierten Schlaganfall durchgemacht haben.
  4. Nach ischämischem Schlaganfall sollte durch den Einsatz einer potenten lipidsenkenden Therapie ein LDL-Zielwert < 55 mg/dl erreicht werden.
  5. Die regelmäßige Kontrolle der Lipidstoffwechselparameter zur Überprüfung der Therapieadhärenz bzw. der LDL-Zielwerte ist wichtig.