Die Trias von „Mystery-Shoppern“, Patientenfragebögen und Medienschlagzeilen taucht jedenfalls seit einiger Zeit im Partner-Verhältnis zwischen Wiener Kassenärzteschaft und Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) immer wieder auf.
Zuletzt: Ein Arzt, dem die WGKK-Aufdeckertruppe „MEP“ (Missbrauchsentdeckung und -prävention) über Jahre hinweg falsche Verrechnungen nachgewiesen haben will – samt Strafanzeige und Vertragsaufkündigung.
„Das ist nichts Neues. Uns von der Ärztekammer geht es darum, dass die Kollegen fair behandelt, nicht vorverurteilt werden, sondern, dass man gemeinsam mit der Standesvertretung versucht, in einem fairen Verfahren herauszufiltern, ob Vorwürfe zu Recht oder zu Unrecht bestehen“, sagte der Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer, Dr. Thomas Holzgruber, im Gespräch mit der Ärzte Krone.
Eine Änderung, so der Jurist: „Die Wiener Gebietskrankenkasse ‚spielt‘ das jetzt medial und erstattet auch sehr schnell Strafanzeige. (…) Man muss aber dazu sagen, dass während eines Strafverfahrens das Schiedsverfahren wegen einer möglichen Kündigung des Kassenvertrages ruht. Oft stellen sich die Dinge dann als Irrtum eines Arztes oder als unabsichtliche Fehlverrechnung von Leistungen heraus. Davon ist der absichtliche Betrug zu unterscheiden. Gegen den gehen wir auch in der Kammer strikt vor.“
„Pro Jahr werden in Wien von der Gebietskrankenkasse an eine Hand abzuzählende Kassenverträge von Kollegen gekündigt. Zwei oder drei – das macht bei rund 1.800 Ärzten mit WGKK-Vertrag einen Anteil 0,1–0,3% aus, also im Promillebereich“, erklärte dazu der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, Dr. Johannes Steinhart.
Steinhart betont aber auch die oft nicht klar erkennbaren Fakten bei solchen „Affären“: „Bisher ist noch kein Wiener Arzt strafrechtlich wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung verurteilt worden. Die Kasse kommt auch regelmäßig ganz locker auf hohe Schadenssummen. Sie rechnet einfach auf drei Jahre hoch. Jedenfalls wehre ich mit strikt gegen jede Verallgemeinerung.“
Seit einigen Jahren gibt es für solche Fälle eine „Task Force“ von Wiener Ärztekammer und WGKK. Dort sitzt auch Kurienobmann-Stellvertreter (niedergelassene Ärzte) OMR Dr. Rudolf Hainz: „Wir raten unseren Kollegen, sich bei Problemen möglichst früh an die Kammer zu wenden. Aber oft wollen die das einfach nicht.“
Anzuzweifeln wäre jedenfalls die MEP-Vorgangsweise. Hainz: „Wenn ein Kollege für MEP auffällig wird, machen die eine Patientenbefragung. Da sollen die Patienten dann Monate später Angaben darüber machen, welche Leistungen sie bekommen haben. Die Patienten haben beispielsweise Angst, etwas nachzahlen zu müssen und geben nichts an. Der Ton, in dem dann Befragungen von Ärzten ablaufen sei es, der die Ärzteschaft so aufrege.
Ein Beispiel aus Wien, das vielleicht oberflächlich „kriminell“ erscheinen könnte, es aber nicht war: „Ein Kollege mit einer großen Praxis hatte 300 Vorsorgeuntersuchungen, 1.400 Visiten und jede Menge therapeutischer Aussprachen wegen psychischer Erkrankungen verrechnet. Die Krankenkasse hat ihm vorgerechnet, dass sich das mit der Zeit nie ausgehen könnte. Dann hat sich herausgestellt, dass der Kollege noch drei Ärzte hatte, die für ihn arbeiteten.“ – Allerdings ohne eine Vertretung bzw. Gruppenpraxis etc. anzumelden. Die Leistungen wurden alle erbracht, allerdings nicht ganz unter korrekten vertraglichen Bedingungen. Das sei mit potenziell kriminellen Aktivitäten nicht zu vergleichen, so Hainz: „Wenn jemand gewerbsmäßigen Betrug macht, gibt es nur die Anzeige und die Vertragskündigung.“
Vehement abgelehnt wird hingegen das von der WGKK eingesetzte „Mystery Shopping“. Der Standesvertreter: „Da müsste man als Arzt jeden Vertretungspatienten, den man nicht kennt, ablehnen. Das ist gegen jedes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Aber die Gebietskrankenkasse will das in den Vertragsverhandlungen drin haben.“