Übermäßiges Schwitzen, das durch verschiedene Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus), durch Hormone oder Medikamente ausgelöst wird, ist eine sekundäre Hyperhidrose, während man das übermäßige Schwitzen, das temperatur- und bewegungsunabhängig auftritt, als „primäre Hyperhidrose“ bezeichnet. Diese vermehrte Überproduktion der Schweißdrüsen wird durch eine regulatorische Dysfunktion des sympathischen Nervensystems ausgelöst und ist so als krankhafte Veränderung einer natürlichen Körperfunktion anzusehen. Viele Betroffene nehmen dieses Symptom resigniert zur Kenntnis, ohne darüber nachzudenken, dass man es als Krankheit auch behandeln kann. Typisch für die primäre Hyperhidrose ist das lokalisiert auftretende, vermehrte Schwitzen vor allem in den Achselhöhlen, seltener an den Handflächen und/oder Fußsohlen oder im Bereich des Gesichts. Die Tabelle zeigt die Schweregrade der primären Hyperhidrose gemäß der geltenden Leitlinie.
Bisherige Optionen und ihre Limitationen: Zur Behandlung der primären axillären Hyperhidrose (PAHH) standen bisher folgende Maßnahmen zur Verfügung: topische Therapie mit Deodorants und Antiperspiranzien (z. B. Aluminiumsalze), Leitungswasseriontophorese mit Schwämmchen, Injektionstherapie mit Botulinumtoxin A, Behandlung mit Radiofrequenz, Mikrowellen oder Ultraschall, chirurgische Entfernung der Schweißdrüsen oder chirurgische Blockade des Ganglion stellatum und die systemische Therapie mit Anticholinergika oder Neuroleptika. Die topischen Therapien waren bislang nicht zufriedenstellend, die Leitungswasseriontophorese in den Axillen ist eher schwierig in der Durchführung, die intrakutane Instillation von Botulinumtoxin ist schmerzhaft, teuer und nur temporär wirksam, die chirurgischen Maßnahmen sind invasiv und aufwändig, die systemische Therapie mit Neuroleptika und Anticholinergika ist mit relativ störenden Nebenwirkungen behaftet. Diese Therapieoptionen waren also bisher zwar vorhanden, haben aber relativ wenig Zuspruch gefunden.
„Hyperhidrose ist als Symptom einer Erkrankung behandelbar, es besteht kein Grund zur Resignation.“
Neue topische Therapie der schweren PAHH mit Glycopyrroniumbromid:
Eine Erweiterung des Therapiespektrums ist die topische Anwendung von Glycopyrroniumbromid (GPB). In einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass die 1%ige GPB-Creme 1-mal täglich abends axillär aufgetragen innerhalb von 4 Wochen zur deutlichen Verminderung der Schweißproduktion führt, verglichen mit Placebo (–197 mg vs. –84 mg, p = 0,004). Zusätzlich wurden in dieser Studie anhand standardisierter Fragebögen nicht nur die Auswirkungen der Behandlung auf die Schwere der Erkrankung (Hyperhidrosis Disease Severity Score, HDSS), sondern auch die Auswirkungen auf die Lebensqualität (Hyperhidrosis Quality of Life Index, HidroQoL®) der Betroffenen evaluiert. Die Creme mit 1 % GPB wies eine gute Verträglichkeit auf; die häufigste unerwünschte Arzneimittelreaktion war Mundtrockenheit – ein erwartbarer, anticholinergischer Effekt. Im offenen Phase-IIIb-Teil der Studie über 72 Wochen konnte nach 4 Wochen die Anwendung auf bis zu 2-mal wöchentlich reduziert werden. Trotz der reduzierten Anwendungshäufigkeit blieb die Wirkung erhalten, die Lebensqualität verbesserte sich sogar noch und die Nebenwirkungen waren weiterhin mild bis moderat. Nun ist 1%ige GPB-Creme unter dem Namen Axhidrox® zur topischen Behandlung der schweren PAHH bei Erwachsenen als Arzneimittel zugelassen und auf dem Markt verfügbar. Damit schließt sich eine Lücke in der bisherigen Versorgung der schweren PAHH.
Praxismemo