Schwindel ist eines der häufigsten fächerübergreifenden Symptome, das nicht nur die Betroffenen in deren Leben stark einschränkt, sondern auch oft die behandelnden Ärzt:innen vor eine große Herausforderung stellt. Zur Behandlung des Schwindels muss zuerst die auslösende Ursache gefunden werden. Hier kann beim ersten Arztbesuch eine genaue Anamnese und Untersuchung bereits Hinweise auf Auslöser – und damit auch auf Therapieoptionen – geben.
Ein akuter prolongierter Schwindel tritt in aller Regel plötzlich auf und kann bis über viele Stunden anhalten. Hält die akute Schwindelsymptomatik länger als 24 h an, spricht man vom „akuten vestibulären Syndrom“. Dieses geht meistens mit Übelkeit/Erbrechen, Fallneigung oder Gang-unsicherheit, Augenbewegungsstörungen und einer Intoleranz gegenüber Kopf-bewegungen einher. Hierfür können sowohl zentrale als auch periphere vestibuläre Erkrankungen ursächlich sein, insbesondere der Schlaganfall und die Neuritis vestibularis.
Ein Hirnstamm- oder Kleinhirninfarkt ist häufig durch Embolien (z. B. bei Vorhofflimmern) oder durch Atherosklerose bedingt. Patienten mit akutem vestibulären Syndrom und vaskulären Risikofaktoren sollten daher besonders achtsam hinsichtlich zentraler Zeichen untersucht und bei Verdacht an eine Notaufnahme überwiesen werden. Zur schnellen Diagnostik haben sich einige simple Tests, die unter dem Begriff „HINTS“ zusammengefasst werden, besonders bewährt und werden zusätzlich zum Neurostatus als Screeningmethode zur Differenzierung von peripheren und zentralen Erkrankungen empfohlen – insbesondere zur Unterscheidung des Kleinhirn-/Hirnstamminfarkts und der Neuritis vestibularis. Die Testbatterie besteht aus einem Kopfimpulstest, einem Nystagmus-Test und einem Test der vertikalen Divergenz. Beim Kopfimpulstest lässt sich bereits ohne Geräte einfach feststellen, ob die Ursache des Schwindels peripher-vestibulär bedingt ist. Bei einer vertikalen Divergenz stehen die Bulbi auf unterschiedlicher Höhe, was ein sehr sicheres Zeichen einer Hirnstamm- oder Kleinhirnläsion ist. Ein Nystagmus kann sowohl auf eine zentrale als auch peripher-vestibuläre Ursache des Schwindels hindeuten. Die sicherste Methode, einen zentralen Nystagmus zu erkennen, ist einen peripheren, den Alexander-Gesetzen (Abb.) folgenden, Nystagmus auszuschließen. Vertikale Nystagmen (Downbeat- oder Upbeat-Nystagmus) gelten als pathognomonisch für eine zentral-vestibuläre Ursache.Zusätzlich zu diesen Tests ist bei fehlenden Zeichen einer peripheren Ursache eine zeitnahe Durchführung einer Magnetresonanztomografie des Gehirns zu empfehlen. Beim Kleinhirn- bzw. Hirnstamminfarkt ist eine schnelle Diagnose nicht nur aufgrund der möglichen Lysetherapie und der Vermeidung zukünftiger Ereignisse notwendig, sondern auch, weil schlaganfallbedingte Schwellungen des Kleinhirns letal enden können.
Hierbei handelt es sich um einen akuten Ausfall des Gleichgewichtsorgans aufgrund einer Entzündung des Nervus vestibularis. Die Patienten leiden unter akutem und prolongiertem Vertigo, der sich bei Kopfbewegungen verschlechtert, zudem besteht eine deutliche Sturzneigung. Eine akute Hörstörung oder Tinnitus gehören nicht zum Krankheitsbild. Die Symptome verbessern sich meist nach einigen Tagen graduell, können aber selten auch bis zu einer Woche anhalten. Als Ursache wird eine virale Genese (z. B. Herpesviren) vermutet. In der neurologischen Untersuchung fällt hier ein auffälliger Kopfimpulstest (fehlender vestibulookulärer Reflex auf der betroffenen Seite) sowie ein peripherer, dem Alexander-Gesetz (Abb.) folgender, Spontannystagmus auf.
Auch eine MRT zum Ausschluss eines Schlaganfalls ist bei inkonklusivem Befund zu empfehlen.Zur Therapie stehen initial einerseits Anti-emetika bzw. Antivertiginosa zur Verfügung, andererseits wird der frühe Einsatz von Cortison empfohlen, da es die symptomatische Zeitdauer reduziert. Zudem sollte den Patient:innen physiotherapeutisches Gleichgewichtstraining angeboten werden, um ihnen die Sicherheit im Alltag zurückzugeben.
Diese Schwindelform ist durch immer wiederkehrende Schwindelattacken bzw. -episoden gekennzeichnet und zählt zu den häufigsten Schwindelbeschwerden. Zur Ursachenfindung ist eine genaue Anamnese besonders wichtig (Dauer, Art des Schwindels, auslösende Faktoren, begleitende Symptome), da sich bei Vorstellung des Patienten oft keine Symptome objektivieren lassen. Passagere Attacken können auch nichtvestibuläre organische Ursachen wie kurzzeitige Herzrhythmusstörungen oder Blutdruckschwankungen haben und sollten internistisch ausgeschlossen werden.
Zu den Ursachen des episodischen Schwindels gehören der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel, bei dem es zu kurzen Schwindelattacken kommt, die meist durch spezielle Bewegungen ausgelöst werden (z. B. das Umdrehen im Bett oder das Aufstehen aus dem Liegen). Ursächlich sind kleine Kristalle im Gleichgewichtsorgan, die sich lösen und dann Schwindel verursachen. Mittels bestimmter Lagerungsmanöver, mit denen die Kristalle aus dem betroffenen Organ herausbewegt werden, können die Patient:innen von ihrer Symptomatik befreit werden. Der benigne Lagerungsschwindel gilt als die häufigste Schwindelform und wird in vielen Fällen bereits von den erstbehandelnden Allgemeinmediziner:innen diagnostiziert und behandelt.
Auch der Morbus Menière löst mehrere Minuten bis Stunden andauernde Schwindelattacken – begleitet von transientem sensorineuralen Hörverlust und Tinnitus – aus. Zusätzlich berichten einige Patient:innen über ein Druckgefühl im Ohr. Zur Diagnosesicherung ist eine HNO-ärztliche Begutachtung, inklusive Audiometrie, Kalorik und Videokopfimpulstest, empfohlen. Als Akuttherapie steht Dimenhydrinat zur Verfügung. Zur Prophylaxe und Anfallsreduktion kann über mindestens 12 Monate Betahistin versucht werden. In schweren Fällen mit häufigen Attacken kann eine Ausschaltung des betroffenen Organs mittels intratympanaler Gentamicinapplikation erwogen werden.
Die vestibuläre Migräne führt zu meist mehreren Stunden anhaltenden Schwindelepisoden, ohne akutem Einsetzen. Zusätzlich zum Schwindel sollte mind. eine der folgenden Symptome vorhanden sein: Lärm-/Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Verstärkung bei Bewegung oder einseitiger Kopfschmerz. Obwohl man von einer vestibulären Migräne spricht, muss Kopfschmerz nicht vorhanden sein. Zur Prophylaxe gegen weitere Attacken kann eine medikamentöse Therapie mit Flunarizin, Topiramat, Valproat oder Amitriptylin gestartet werden. Jedoch kann auch die Vermeidung von Stressfaktoren, regelmäßiger Schlaf und täglicher Ausdauersport die Frequenz der Attacken deutlich verringern. Die klinische Differenzierung zu Menière-Attacken kann erfahrungsgemäß oft schwierig sein, nicht selten können auch beide Krankheitsbilder alternierend bei einzelnen Patient:innen auftreten.
Bei der Vestibularisparoxysmie kommt es zu kurzen, Sekunden bis Minuten dauernden, plötzlichen Schwindelattacken, die mit Übelkeit und Erbrechen, aber auch Tinnitus einhergehen können. Als Ursache wird ein Gefäßkontakt (z. B. AICA-Schlingen) mit dem N. vestibularis angesehen. Dadurch kommt es zu einer Irritation des Nerven, wodurch eine vestibuläre Reizsymptomatik und Vertigosensationen resultieren. Abseits von einer neurologisch bzw. HNO-ärztlichen Begutachtung zum Ausschluss einer anderen Pathologie sollte zur Diagnosesicherung eine MRT des Kleinhirnbrückenwinkels durchgeführt werden. Therapeutisch kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, die alle eine Reduktion der nervalen Erregbarkeit (wie Gabapentin oder Carbamazepin) des N. vestibularis zur Folge haben. Erst in besonders schweren Fällen und bei fehlendem medikamentösem Ansprechen kann eine neurochirurgische Operation überlegt werden.