Bei Infektionen der oberen Atemwege ist besonders oft der Hals (mit-)betroffen. Halsschmerzen kommen akut, wiederkehrend oder chronisch vor. Akute Halsschmerzen sind in den meisten Fällen harmlos und im Verlauf selbstlimitierend. Dennoch sind sie eine der häufigsten Verschreibungsursachen für Antibiotika.
Fast zwei Drittel aller akuten Halsinfektionen werden durch Erkältungs- und Coronaviren verursacht. Auch eine Infektion mit SARS-CoV2 kann nur durch ein simples Kratzen im Hals bemerkbar machen. Der typische Übertragungsweg ist dabei die Tröpfcheninfektion. Entzündungen treten häufiger in der kalten Jahreszeit auf, da kalte Luft Blutgefäße in Mund-, Nasen- und Rachenbereich zusammenzieht, diese austrocknet und die lokale Immunabwehr dadurch geschwächt wird.
Bei akuten Halsschmerzen mit und ohne Schluckbeschwerden sollte immer die Festlegung auf eine Diagnose „akute Tonsillitis“, „akute Pharyngitis“ oder „akute Tonsillopharyngitis“ erfolgen, da reine Pharyngitiden selten bakterieller Genese sind. Ziel der guten Diagnostik im täglichen Alltag ist es, potenziell gefährliche Verläufe zu erkennen, den Schweregrad der Erkrankung einzuschätzen und den Krankheitsverlauf bestmöglich zu verkürzen. Diese drei Ziele sollten gegen mögliche Komplikationen einer antibiotika- und einer begleitenden Therapie abgewogen werden.
„Liegt die Wahrscheinlichkeit einer A-Streptokokken-Infektion laut Score bei über 60 %, kann die Gabe eines Antibiotikums empfohlen werden.“
Dr. Stefan Edlinger
Medizin am Markt – Ärztezentrum am Naschmarkt, Wien
Die häufigste Frage an Ärzt:innen von Pa-tient:innen lautet: „Ist ein Antibiotikum notwendig?“ Gleich vorab muss dazu gesagt werden, dass klinisch nicht sicher zwischen einer viralen, bakteriellen oder nichtinfektiösen Pharyngitis unterschieden werden kann. Eine sichere Unterscheidung ist auch mittels mikrobiologischer Kulturen oder Schnelltests nicht möglich. Statt dieser Verfahren empfiehlt es sich, ein klinisches Scoring-System wie etwa den Centor Score, den McIsaac Score oder den FeverPAIN Score routinemäßig einzusetzen. Der Centor Score beinhaltet als Fragen z. B.: Tonsillenexsudate, zervikale Lymphadenopathie, Fieber über 38° C und das Fehlen von Husten. Je mehr positive Antworten vorliegen, umso eher ist von einer A-Streptokokken-Infektion auszugehen. Auch hier gibt es zwar keine 100%-ige Sicherheit, der Score führt jedoch zu einer deutlich verbesserten Treffsicherheit. Bei 4 Punkten liegt die Wahrscheinlichkeit einer A-Streptokokken-Infektion bei über 60 %, sodass die Gabe eines Antibiotikums empfohlen werden kann. Unabhängig von einer Antibiotikagabe heilen alle drei Formen zu 85 % innerhalb von 7 Tagen komplikationslos ab. Studien sprechen von einer Symptomverkürzung von 16 Stunden bei erfolgter Antibiotikagabe unabhängig vom verursachenden Erreger. Das Risiko eines akuten rheumatischen Fiebers oder einer akuten Nephritis ist äußerst gering. Aktuelle Cochrane-Analysen geben ein Risiko von 1 auf über 10.000 Betroffene für diese Komplikationen ohne antibiotische Therapie an.
Zeigt sich binnen 72 Stunden nach Einleitung einer Therapie keine Besserung der Beschwerden und/oder sogar eine Verschlechterung, sollte die primäre Diagnose und Therapie überdacht und ggf. an eine Weiterüberweisung gedacht werden. Eine sofortige Überweisung an das nächste spezialisierte Spital sollte bei Stridor, fehlender Flüssigkeitsaufnahme und drohender Exsikkose, bei Verdacht auf einen Peritonsillar- oder einen Parapharyngealabszess und einer schweren systemischen Begleiterkrankung wie etwa einer Meningitis erfolgen.
Wird eine antibiotische Therapie in Erwägung gezogen, empfiehlt sich primär, bei Erwachsenen, die Gabe von Penicillin V (3 x 1 Mio. I:E per os für 5–7 Tage) oder Clarithromycin 250–500 mg (2 x per os für 5 Tage). Eine Verlängerung der Therapie im Sinne einer Erreger-Eradikation sollte nur bei einem erhöhten individuellen Risiko für Komplikationen angestrebt werden.
Beim akuten Halsschmerz sind eine suffiziente Flüssigkeitsaufnahme und die orale Gabe von Analgetika ein wichtiger Therapiebestandteil. Ibuprofen und Paracetamol (schwächer analgetisch) sind hierfür die bevorzugten Schmerzmittel. Diclofenac sollte aufgrund des höheren kardiovaskulären Risikos nur mit Bedacht Verwendung finden. Eine zusätzliche Verordnung von Lutschtabletten und Rachensprays kann empfohlen werden.
Im Verlauf der letzten Jahrzehnte kam es zu einem deutlichen Rückgang (um > 60 %) der Gaumenmandeloperationen (Tonsillektomien) aufgrund mehrerer postoperativer Todesfälle in Österreich. Erst ab 6 Episoden in den letzten 12 Monaten wird aktuell eine Tonsillektomie sowie für Kinder unter 6 Jahren eine Tonsillotomie empfohlen. Eine Episode definiert sich als infektbedingte Halsschmerzen mit Fieber > 38,3 oder Tonsillenexsudat oder neu aufgetretener Lymphknotenschwellung oder Streptokokken-Nachweis im Abstrich. Die genannte Tonsillotomie (Mandelverkleinerung) ist keine neue Operationstechnik, jedoch erst wieder seit 2007 zusätzlich zur Tonsillektomie als Leistung kodierbar. Hierbei wird die Tonsillenkapsel belassen und die Tonsillen werden nur verkleinert. Dies führt zu einer deutlichen Reduktion des Nachblutungsrisikos.