Andreas Zuckermann: Ja, 1967 war der Start, von da an ging es rund um die Welt. Allerdings lag die Überlebensrate damals nur bei 35 Prozent, da haben viele Kliniken wieder aufgehört. Nur in Stanford, Kapstadt und in Paris wurde weiter transplantiert. In Stanford wurden dann Mitte der Siebzigerjahre das erste Mal Biopsien zur Abstoßungserkennung durchgeführt. Eine wahre Revolution war dann Anfang der Achtzigerjahre der erstmalige Einsatz von Ciclosporin. Das war das erste Medikament, das selektiv ins Abwehrsystem eingriff. Dadurch erhöhte sich die Chance auf ein längeres Leben für die Patienten, und die Ergebnisse haben sich deutlich verbessert. Von da an ist die Anzahl an Herztransplantationen gewachsen, man hatte mehr Erfahrung, neue Medikamente kamen dazu, und man konnte neue Patienten dazugewinnen. Dies führte zu einer Erweiterung der Spenderkriterien, auch ältere Patienten kommen heute als Spender in Frage und nicht mehr nur junge Unfallopfer. Das liegt auch an den Fortschritten der Medizin – in der Unfallmedizin haben die Patienten heute bessere Heilungschancen.
Auch mit der Qualität der Herzen haben wir umzugehen gelernt – heute transplantieren wir auch hypertrophe Herzen, und mit den richtigen Diagnosekriterien kommen auch ältere Patienten als Empfänger in Frage – wir reden heute über eine Überlebenschance von 30 Jahren.
Es geht um die Optimierung von Therapien – Stichwort personalisierte Medizin. Durch molekularbiologische Tests kann man die Therapie individualisieren. Hier ist Wien sehr innovativ und kooperiert international. Es geht darum, die optimale Wirkung mit möglichst wenigen Toxinen zu erreichen. Die Immunsuppression führt oft zu Nebenwirkungen. Nur in der Kooperation kann man die Patienten gut und lange betreuen. Bei einer Nierenschädigung muss man darauf hinweisen, dass genug getrunken werden soll. Die Patienten sind lebenslang bei uns, es gibt Kooperationsstellen in Oberösterreich und in Kärnten. Eines ist klar: Wir tauschen mit der Herztransplantation eine Erkrankung aus! Die Patienten haben vor der Transplantation eine Lebenserwartung von fünf Jahren zu 20 Prozent, und mit dem Spenderorgan steigt die Lebenserwartung auf 10 Jahre zu 70 Prozent.
Bei der Lebensverlängerung geht es nicht nur um die Dauer, sondern vor allem um die Lebensqualität. Und die verbessert sich signifikant, auch noch nach 10 oder 15 Jahren. Das Herz ist voll belastbar. Bei Sportevents zeigen unsere transplantierten Sportler eindeutig bessere Ergebnisse als normale Sportler. Wir erringen mehr Goldmedaillen als bei den letzten Sommerolympiaden. Eine weitere neue Entwicklung ist, dass die Organe nicht mehr gekühlt werden müssen, da hatte man nur vier Stunden Zeit bis zur Transplantation. Jetzt kann das entnommene Herz länger außerhalb des Körpers überleben, da es mit Hilfe einer Maschine mit warmem Blut durchströmt – perfundiert – wird. 2007 haben wir das erstmals gemacht. In Zukunft kann man dadurch seinen Aktionsradius erweitern und Spenderherzen besser schützen. Wien ist auch ein innovatives Zentrum für Kunstherzen, die bei der Überbrückung bis zur Transplantation eingesetzt werden. Mitte der 1990er-Jahre ist noch jeder vierte Patient während der Wartezeit gestorben, nun liegt die Sterblichkeit bei weit unter zehn Prozent. Auch der Einsatz von Pumpen, besonders bei älteren Patienten, wird technologisch ständig weiterentwickelt.
Eine neue Entwicklung wird sicherlich die Xenotransplantation sein – es werden tierische Organe verwendet – hierzu wird führend in München geforscht und in 10 bis 15 Jahren erwarte ich, dass wir das am Menschen durchführen werden. In Wien wird gerade daran geforscht, das Abwehrsystem künstlich zu verändern, damit es toleranter auf das neue Herz reagiert. Die Tierversuche dazu sind vielversprechend. Das Forscherteam arbeitet mit Tricks an der Umprogrammierung des Abwehrsystems. Damit würden in Zukunft viele Medikamente und deren Nebenwirkungen wegfallen – darin sehe ich eine mögliche gute neue Therapieform.
Das liegt daran, dass man in der Anfangsphase der Herztransplantation bewusst jüngere Patienten, so um die 40, ausgewählt hat. Jetzt sind es die 50- bis 52- Jährigen, aber wir haben in Wien auch einige über 70-jährige Patienten erfolgreich transplantiert. Ein Beispiel dafür war auch Frau Freda Meissner-Blau, die 16 Jahre mit sehr guter Lebensqualität erleben konnte. Ein Vorteil von älteren Patienten ist, dass deren Immunsystem nicht mehr so aggressiv reagiert und sie ein deutlich geringeres Risiko für Abstoßungen haben. Entscheidend ist weiters, dass die restlichen Organfunktionen dieser Patienten gut sind und sie damit ein jüngeres „biologisches“ Alter aufweisen. Für den Erfolg bei einer Transplantation braucht es aber auch den Willen zum Leben, um schwierige Phasen durchstehen zu können – dann kann man noch gut 10 bis 15 Jahre leben. Ich habe drei Patienten, die bereits über 30 Jahre mit ihrem transplantierten Herzen leben. Sie haben bestimmt spezielle genetische Muster, da sie in all den Jahren wenige Probleme hatten.
Die Haupterkrankung ist die Kardiomyopathie. Das ist mit 60 Prozent die größte Gruppe. Die dilatative Kardiomyopathie beruht sicher häufig auf genetischen Defekten, denn ich behandle oft mehrere Generationen von Patienten. Diese Herzmuskelschwäche kann auch von einer verschleppten Grippe oder anderen übergangenen Infekten kommen. 30 Prozent der Patienten kommen mit verengten Herzkranzgefäßen, manche sind bereits bypassoperiert, bei einigen ist das jedoch nicht mehr möglich, weil die Gefäße zu krank sind. Die restlichen 10 Prozent verteilen sich auf diverse Herzerkrankungen wie Herzklappenerkrankungen oder Patienten mit angeborenen Herzfehlern, von denen bereits viele voroperiert sind – hier ist die Herztransplantation die letzte Option. In der letzten Gruppe finden sich auch die meisten Kinder für eine Transplantation.
Es haben sich zwei Dinge verändert: Erstens: HIV ist aufgrund der sehr guten Therapie des Virus keine absolute Kontraindikation mehr – ein Patient wurde in Wien bereits transplantiert. Zweitens: auch Hepatitis C ist mittlerweile durch die teure Therapie behandelbar, und daher haben wir auch eine Patientin mit Hepatitis C erfolgreich transplantiert und das Virus danach behandelt. Diabetes ist ebenso keine Kontraindikation mehr – hier hängt es allerdings stark von den Zusatzerkrankungen ab. Spätkomplikationen des Diabetes – besonders im Bereich Nieren und Gefäße – können zur Ablehnung von unserer Seite führen, da das Risiko zu hoch ist. Allerdings sind heute 30 Prozent der Patienten Diabetiker. Sie müssen gut eingestellt werden und brauchen optimale Schulung.
Etwa 60 bis 70. Im Wiener AKH transplantieren wir 40 bis 50 Herzen, gefolgt von Innsbruck und Graz. Das sind acht Herzen pro einer Million Einwohner – im Vergleich mit Deutschland ist die Zahl doppelt so hoch und bedeutet, dass wir im internationalen Spitzenfeld liegen. Das liegt an unserer Gesetzeslage: Österreich hat mit der Widerspruchslösung eine Lösung, welche die Transplantation unterstützt. Durch diese Gesetzeslage ist Österreich auch von Skandalen verschont geblieben, da wir fast alle Patienten rechtzeitig versorgen können.
Das hängt von einigen Komponenten ab – es kann von 5 Stunden bis zu 12 bis 13 Stunden dauern. Das Einnähen des Herzens dauert etwa eine Stunde, die schnellsten Chirurgen machen das in 35 Minuten – aber das Herz muss sich optimal erholen, das braucht Zeit.
Das ist schwierig, ich gehe davon aus, dass etwa 40 Prozent die Medikamente nicht wie vorgeschrieben einnehmen – 1 bis 2 Prozent davon werden auffällig, das heißt, es kommt zu einer Abstoßung, und die Sterblichkeit steigt. Das Problem ist uns bewusst, wir reden ja von Menschen, die eben auch mal vergessen, und das Einnehmen von so vielen Tabletten ist bei Patienten nicht immer beliebt – nur wir Experten wissen halt, dass sich die Patienten damit schaden. Hier braucht es viel Erfahrung. Unsere Psychologin erhebt vorab in Patientengesprächen, ob es eventuell zu Schwierigkeiten bei der Einnahme kommen kann. Es gibt auch ein Umdenken in der Medizin, dass die Mitbestimmung der Patienten wichtig ist. Ich glaube, dass eine mehr partnerschaftliche Ausrichtung eher von Erfolg gekrönt ist. Hier ist die personalisierte Medizin stark gefragt, und wir müssen lernen, nicht zu viel und nicht zu wenig zu verordnen. Das ist eben noch nicht perfekt ausgearbeitet, und ich bin ja der „Advokat der Spenderherzen“, und daher ist mir eine gute Langzeitprognose sehr wichtig.
Meiner Erfahrung nach gibt es verschiedene Gruppen von Allgemeinmedizinern: die einen, die eher die Experten ranlassen und nur Medikamente verschreiben; die anderen, die sich engagieren und bei uns anrufen. Wichtig ist die gute Betreuung der Begleiterkrankungen Diabetes und Bluthochdruck durch den Allgemeinmediziner – dann funktioniert die Zusammenarbeit super. Und wenn es Probleme gibt, dann schicken uns diese Hausärzte die Patienten gleich. Bei der Verschreibung von Antibiotika ist Vorsicht geboten – die treten manchmal in Wechselwirkung mit den Immunsuppressiva. Am besten ist da der Kontakt zwischen Allgemeinmedizinern und den Transplantationskoordinatoren. Der Patient soll zufrieden sein, das ist entscheidend! Meine Message an die Allgemeinmediziner ist, sie sollen sich bitte nicht scheuen, mit uns in der Klinik Kontakt aufzunehmen. Die Umstellung auf Generika muss bei den Immunsuppressiva immer im Zentrum erfolgen – hier ist der Druck der Krankenkassen groß – damit nicht alle zwei Monate eine weitere Umstellung der Therapie aus Einsparungsgründen erfolgt, da das die Patienten verwirrt und Medikamente mitunter falsch eingenommen werden. Hier ist unsere Botschaft: Das können die Ärzte draußen gerne auf uns abwälzen – wir fechten diesen Kampf gerne mit den Kassen aus!