Gerhard Pölzl: Das hängt davon ab, wer welche Erwartungen hat. Im klinischen Alltag kann man noch nicht nachvollziehen, was man in der Studie (PARADIGM-HF) gesehen hat. Mein Bauchgefühl ist gut. In der Studie hat man etwa die Wirkstoffkombination Sacubitril/Valsartan (Entresto®) an 8.500 Patienten getestet – für viele von ihnen war die Wirkung gut – aber nicht für alle. Ich habe bisher noch keine negative Erfahrung.
Das ist klar definiert: Patienten mit höher eingeschränkter Linksventrikelfunktion, die trotz optimaler Herzinsuffizienz-Therapie weiterhin symptomatisch sind und zudem einen erhöhten Plasmaspiegel von BNP und NT-proBNP haben. Bei Patienten, die im Vorjahr wegen akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert waren, liegen die erforderlichen Plasmaspiegel dieser Biomarker etwas tiefer – all diese Kriterien müssen erfüllt sein, dann wird die Verordnung von den Krankenkassen toleriert. Es muss dafür ein Antrag gestellt werden.
Das Herz, besonders das kranke Herz, wird durch komplexe Hormonsysteme gesteuert – Medikamente, die gegen die Erkrankung eingesetzt werden, sollen den „ungünstigen“ Hormonen entgegenwirken; so hemmen die Betablocker das sympathoadrenerge System, und die ACE-Hemmer blockieren das RAS. Es gibt aber auch unterstützende Hormone, die vom Herzen selbst produziert werden, die den „ungünstigen“ Hormonsystemen entgegenwirken – die natriuretischen Peptide. In ARNI sind diese zwei Wirkprinzipien vereint, das enthaltene Sacubitril hemmt den Abbau der natriuretischen Peptide, und gleichzeitig wird das RAS durch den Wirkstoff Valsartan blockiert.
Das sind ein niedriger Blutdruck, da ARNI den Blutdruck noch stärker senken, und eine schwer eingeschränkte Nierenfunktion. Auch für Patienten, deren Vorgeschichte darauf hinweist, dass sie auf bestimmte Wirksubstanzen allergisch reagieren, kommen ARNI nicht in Frage.
Generell ist das Nebenwirkungsprofil sehr günstig, wirklich relevant ist aber ein Blutdruckabfall, dabei können die Patienten müde und schwindelig werden. Fallweise tritt ein Hustenreiz auf, jedoch weniger häufig als beispielsweise bei ACE-Hemmern. Zum oben beschriebenen Ödem kommt es nur in sehr seltenen Fällen.
Die Befürchtungen, dass Entresto® eine mögliche Alzheimer-Erkrankung hervorrufen kann, ist bereits seit Jahren ein Thema. Man vermutet, dass Entresto® den Abbau jener Proteine im Gehirn, die Alzheimer verursachen, verhindert. Bislang ist das eine theoretische Befürchtung. In klinischen Studien fand man bisher keinen Hinweis darauf, nur im Tierversuch. Es ist allerdings denkbar, dass sich dieser negative Effekt erst in mehreren Jahren entwickelt, da die Erfahrungen mit dem Medikament noch zu jung sind.
Die schlagenden Argumente für Sacubitril/Valsartan gegenüber Enalapril zeigten sich in der Studie PARADIGM-HF anhand mehrerer klinisch bedeutsamer Parameter: Es kam zu einer Reduktion der Krankenhausaufnahmen um 20 Prozent, das sah man bereits sehr bald nach Beginn mit Sacubitril/Valsartan. Das ist ein großer volkswirtschaftlicher Vorteil, denn die Behandlung der Herzinsuffizienz im Spital ist teuer. Auch die Sterblichkeit sank um20 Prozent. Und was für den Patienten von großer Bedeutung ist, ist die Steigerung der Lebensqualität. Weitere Vorteile sind: Das Kalium steigt weniger stark an, es wirkt günstiger bei Diabetes und auch bei eingeschränkter Nierenfunktion.
Es gibt drei verschiedene Dosierungen von Sacubitril/Valsartan. Der Beginn ist von der Intensität der Vormedikation abhängig. Sacubitril/Valsartan kommt erst als Drittlinientherapie in Betracht, und daher orientiert sich die Dosierung an der Erstlinientherapie (ACE-Hemmer plus Betablocker) – wenn die hoch angesetzt war, dann kann man auch mit der Dosis höher einsteigen. Bei niedrigem Blutdruck muss man niedriger beginnen. Sacubitril/Valsartan darf nicht überlappend mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorantagonisten eingenommen werden, man muss 36 Stunden warten.
Bisher ist die Verschreibung auf Kardiologen und Internisten beschränkt. Die oben genannten Kriterien müssen nachgewiesen werden, da Sacubitril/Valsartan um einiges teurer ist. Die Sozialversicherung versucht regulativ einzuwirken, damit es nicht unkontrolliert eingesetzt wird. Der Allgemeinmediziner hat dabei eine Überwachungsfunktion: Die Kontrolle von Blutdruck, der Nierenfunktion und der Elektrolyte – besonders den Anstieg von Kalium gilt es zu beachten.
Die große Studie wird unter anderem deswegen als Paradigmenwechsel gehandelt, weil man sah, dass Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion günstig reagierten. Eine Verschlechterung der Nierenfunktion über die Zeit war weniger ausgeprägt als mit Sacubitril/Valsartan. Das war auffällig. Bei verschlechterter Nierenfunktion steigt das Kalium an, und das kann gefährlich werden – durch Sacubitril/Valsartan war der Kalium-Anstieg jedoch weniger deutlich geringer, und das war auch über Jahre beobachtbar.
Wie überall im Leben gibt es auch in der Medizin Moden – ob sich Sacubitril/Valsartan wirklich als der „Renner“ erweist, wird man sehen. Es ist sicher keine Wunderwaffe, man kann die Erkrankung zwar stabilisieren, aber man kann sie auch durch dieses Medikament nicht „heilen“ – bis auf wenige Ausnahmen. ARNI sind zweifellos ein wichtiges Puzzleteil in der Behandlung der Herzinsuffizienz, ebenso wie beispielsweise Netzwerkbetreuung und die Schulung der Patienten. Sacubitril/Valsartan ist nicht die endgültige Lösung der Herzinsuffizienz. Substanzielle Lösungen gibt es nur dann, wenn man die Ursachen effizient behandelt oder verhindert, den Bluthochdruck, Herzkranzgefäßerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und verschiedene Erberkrankungen. Damit kann man die Entwicklung der Herzinsuffizienz limitieren. Dann wenn Sacubitril/Valsartan ins Spiel kommt, ist bereits Feuer am Dach – der Patient ist schon krank.